Bildung
Zwei Systeme treffen aufeinander
Das System Familie und Schule, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen mit dem Schuleintritt aufeinander. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis. Beide Systeme haben unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an die Kinder. Um dem zu entsprechen, braucht es nicht nur die formale Einbindung von Eltern in den Schulalltag ihrer Kinder, sondern die alltägliche Kooperation. Durch die Aufnahme in die Volksschule und der folgenden langen Schulzeit haben Eltern und Lehrkörper einen gemeinsamen Erziehungsauftrag. Dieser kann jedoch nur wahrgenommen werden, wenn Eltern und Lehrer zusammenarbeiten. Nur eine wirksame Kooperation kann das Spannungsverhältnis zumindest aufbrechen. Dazu braucht es jedoch ein gegenseitiges Vertrauen. Vertrauen kann aufgebaut werden, wenn die Beziehung zwischen Eltern, Kind und Schule mit Leben gefüllt wird. Wichtig dabei ist, Eltern mit ihrem eigenen biografischen und kulturellen Hintergrund ernst zu nehmen. Auch Eltern waren einmal Schüler und sind durch ihre Erfahrungen mit der Schule geprägt worden. Nur so werden Eltern zu gleichberechtigten Akteuren.
Die Wahl der Schulform als Zukunftschance
Die Auswahl der Schule ist für die meisten Eltern auch eine Entscheidung darüber, welchen Start ihre Kinder in der beruflichen Zukunft haben werden. Meist ist die Entscheidung der Eltern die für das Ablegen der Matura. So soll dem Kind der Einstieg in das Berufsleben erleichtert werden. Gesellschaftlich wird dieses Konstrukt unterstützt. Ob es immer die richtige Entscheidung ist, sei dahingestellt. Viele Eltern wünschen sich auch in diesem Punkt mehr Kommunikation und Information von den Lehrern als Fachkräfte. Darüber hinaus möchten sie bei Problemen informiert werden. Das Gleiche gilt für den Lernstand des Kindes und das Empfinden des Kindes in Bezug auf die Schule. Eine zentrale Bedeutung für die Eltern ist dabei, ob ihr Kind die individuellen Voraussetzungen für die gewählte Schulform mitbringt. Hier fehlt es meist bereits an einer vertraulichen Kommunikationsform, die im Kindergarten meist zwischen Erziehern und Eltern noch vorhanden war. Die Gespräche zwischen Eltern und Lehrer gestalten sich meist kompliziert.
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Ein Gespräch mit MMag. Helmut Außerwöger, Direktor Schloss Puchberg
Kooperation gefragt
Der Lehrer-Eltern-Kooperation kommt eine große Bedeutung zu, wenn es um die Schulbildung geht. Doch welche Faktoren sind dafür wichtig? Eltern haben einen großen Einfluss auf die Schulbildung ihres Kindes. Sie gestalten das Umfeld des Kindes und sind dem Kind Vorbild. So können Lernprozesse stimuliert werden. Sie sind es auch, die die Kinder zum Lernen motivieren können. Dazu reicht es, Erwartungen und Werte zu vermitteln. Es ist das häusliche Umfeld, welches bestimmt, ob das Kind seine Fähigkeiten, Begabungen und Potenziale ausschöpfen kann oder sie verkümmern. Die PISA-Studie hat gezeigt, dass das ‘kulturelle Kapital’ der Eltern einen doppelt so großen Einfluss auf den Lernerfolg von Kindern hat wie die Schule und der Lehrkörper. Genau aus diesem Grund ist es ratsam, das Elternhaus in die Schulbildung ihrer Kinder miteinzubeziehen. Die meisten Eltern wollen auch ihren schulischen Beitrag zur Förderung ihrer Kinder leisten.
Wichtig ist auch, dass das Leben der Kinder in der Schule und im Elternhaus nicht zu weit auseinanderliegen. Die Orientierungen und Regeln sollten zumindest ähnlich sein.
Die erste Instanz - die Eltern
Laut Gesetz haben die Eltern das Recht und die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen. In der Gestaltung ihrer Erziehungsaufgabe sind sie autonom. Doch sie haben auch die Pflicht, über die Bildung ihres Kindes zu entscheiden. Damit tragen sie eine große Verantwortung. Dem wollen sie gerecht werden, indem sie den Kindern mit der Erziehung einen guten Start ins Leben bieten. Deshalb werden häufig auch Förderangebote genutzt. Diese sollen dem Kind Vorteile im Wettbewerb um Bildungschancen geben. Der Zeitplan der Kinder in der Freizeit ist daher meist relativ straff durchorganisiert.
Aktuell zeigt sich eine Tendenz dahingehend, dass Eltern gegenüber öffentlichen Bildungseinrichtungen eher skeptisch eingestellt sind. Sie sind der Meinung, dass ihre Kinder bessere Startchancen haben, wenn sie in privaten Bildungseinrichtungen aufgenommen werden. Dabei richtet sich die Kritik der Eltern dahingehend aus, dass öffentliche Bildungseinrichtungen schlecht ausgestattet, wenig innovativ, die Klassen zu groß und die Lehrkräfte schlecht ausgebildet und häufig überfordert sind. Eine FORSA-Umfrage zeigt, dass das Einkommen der Eltern keine Rolle bei der bezeugten Kritik spielt. Die Akzeptanzwerte sind gleich.
Jedes Elternpaar hat in Bezug auf das Kind konkrete Wünsche und Vorstellungen, was die Schulbildung ihrer Kinder betrifft. Wichtig sind ihnen dabei besonders die Persönlichkeitsbildung, aber auch die soziale Erziehung. Die Schulleistungen sind meist als letzter Wunsch genannt. Doch auch LehrerInnen sehen vorrangig die Persönlichkeitsbildung des Kindes als wünschenswert an. Die Schulleistungen stehen bei ihnen aber nicht hinten an, sondern liegen im Mittelfeld ihrer Wünsche. Die Ziele sind also ähnlich, wenn es um die Leistungen der Schule geht. Das wäre ein Punkt, der das Spannungsverhältnis aufbrechen könnte.
Schule als gesellschaftliche Institution
Traditionell wird die Schule als Bildungsträger angesehen. Schaut man sich jedoch die österreichische Verfassung etwas genauer an, so hat die Schule nicht nur die Aufgabe, Wissen zu vermitteln, sondern auch einen schulischen Erziehungsauftrag. Es geht darum, Werte zu vermitteln und die Schüler und Schülerinnen zu Persönlichkeiten zu erziehen. Nur so können sie später aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Damit ist die Schule der Ort, an dem Kinder öffentlich erzogen werden. Daraus erklärt sich allerdings auch das Spannungsverhältnis zwischen Schule und Eltern. Nicht alle öffentlichen Interessen in der schulischen Erziehung werden auch von den Eltern geteilt. In Krisenzeiten wird das ganz besonders deutlich. Die Abmeldung in den häuslichen Unterricht ist die Konsequenz vieler Eltern.
Dialog zwischen Eltern und Lehrern
SchülerInnen sind die Schnittstelle in dem Beziehungsdreieck zwischen Eltern, Kind und Lehrer. Eltern agieren also über das Kind mit der Schule.
Dadurch sind Eltern nicht direkt am Geschehen in der Schule beteiligt. Doch sie haben die Pflicht und das Recht, mit den Lehrern zu kooperieren. Dieses Beziehungsdreieck kann aufgebrochen werden, wenn es ein Gremium gibt, in dem Eltern und Lehrer gleichermaßen vertreten sind und gemeinsam strukturelle Entscheidungen treffen. Dadurch haben Eltern die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme auf die Qualität der Schulbildung.
Meist erfolgt die Kontaktaufnahme sehr einseitig und geht von den Lehrern aus, wenn es Schulprobleme gibt. Einen Leistungsüberblick erhalten die Eltern meist nur auf Elternabenden oder Elternsprechtagen. Die meisten Eltern empfinden das als nicht zufriedenstellend.
Zusammengefasst kann man also feststellen, dass das Spannungsverhältnis nur aufgelöst werden kann, wenn sich Lehrer und Eltern aufeinander zubewegen. Es braucht den gemeinsamen Dialog. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Qualität der Elternarbeit der entscheidende Faktor ist. Dafür werden sinnvolle Konzepte benötigt. Hier können Arbeitsgruppen hilfreich sein, die verantwortungsvoll handeln und den Handlungsbedarf ermitteln. Die Atmosphäre in der Elternarbeit muss vertrauensvoll sein. Dafür sind klare Ziele zu formulieren, die sich an den Aufgaben orientieren müssen. Oberstes Ziel muss jedoch immer sein, die Persönlichkeit und die Bildung der Kinder erfolgreich zu gestalten. Die Arbeit mit den Eltern muss wieder bei den SchülerInnen ankommen.
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Quellen:
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https://www.oesterreich.gv.at/themen/bildung_und_neue_medien/schule/Seite.110004.html
file:///C:/Users/betri/AppData/Local/Temp/schnellbericht_registerbasierte_statistiken_2015_nr._10.21_-_der_einfluss_.pdf
https://www.lv-wien.at/downloads/Der%20verfassungsrechtliche%20Bildungs-%20und%20Erziehungsauftrag%20der%20Schule.pdf
https://www.derstandard.at/story/2000130721840/in-wien-haben-40-prozent-der-eltern-den-hausunterricht-abgebrochen
https://www.oecd.org/berlin/themen/pisa-studie/