Arbeit
Bestimmend dafür sind die Formen der Arbeit, denn diese bestimmen die Art der sozialen Beziehungen, die sich auch auf den privaten Bereich auswirken. Durch die Arbeit und die daraus resultierenden sozialen Beziehungen wird auch der Entwicklungsstand der Gesellschaft, die geschaffenen sozialen Strukturen, die Formen der Organisation und Kooperation bestimmt. Ein sozialer Wandel und Veränderungen in den Arbeitsformen und -inhalten stehen daher in einer engen Beziehung zueinander.
Wie könnte man Arbeitslosigkeit entgegenwirken? Eine Frage die in diesem Interview angesprochen wird.
Ein Gespäch mit Arbeitsexperten Mag. Heinz Mittermayr
Wer leistet unbezahlte Arbeit?
Meist wird unbezahlte Arbeit von Frauen geleistet. Das ist volkswirtschaftlich von enormer Bedeutung. Doch der Wert dieser Arbeit ist realitätsnah kaum zu messen, denn es fehlen genaue Methoden. Lange Jahre wurde der Wert und die Bedeutung von unbezahlter Arbeit völlig verkannt. Aus der neoklassischen und marxistischen Wirtschaftstheorie entstehend nahm man an, dass in einem Privathaushalt nur konsumiert, nicht aber produziert und gearbeitet wird. Fragt man heute Hausfrauen, aber auch Hausmänner „Was ist ihr Beruf?“ hört man meist die Antwort: „Ich arbeite nicht. Ich bin Hausfrau oder eben Hausmann.“
Da unbezahlte Arbeit ökonomisch wenig Anerkennung findet, übernehmen traditionell Frauen den Hauptanteil unbezahlter Arbeit. Das führt für sie zu großen Nachteilen im Sozialversicherungssystem. Mit der Einführung von beispielsweise Erziehungs- und Betreuungszeiten wurden das Problem zwar erkannt, aber nicht behoben. Die Höhe der Entgeltzahlungen können bei den meisten Frauen den Erwerbsausfall nicht kompensieren.
Welche Tätigkeiten werden nicht entlohnt?
Frauen leisten in Österreich im Durchschnitt 32 Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche. Das ist eine doppelt so hohe Anzahl an Stunden, wie sie Männer in Österreich leisten. Im Jahr ergibt das etwa 186 Millionen Stunden an unbezahlter Arbeit. Eine ökonomische Leistung, derer wir uns häufig nicht bewusst sind. Zu den unbezahlten Arbeiten gehören unter anderem:
- Hausarbeit und Kinderbetreuung
- ehrenamtliche und freiwillige Arbeit in Organisationen
- Nachbarschaftshilfe
- Pflege von Angehörigen.
Klar zu erkennen ist die geschlechterspezifische Schieflage bei der Größenordnung der unbezahlten Arbeit. Das wirkt sich auch auf das Erwerbseinkommen und die späteren Pensionszahlungen aus. Frauen erhalten in aller Regel weniger Pension als Männer, obwohl sie, nimmt man die bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen mehr arbeiten und weniger freie Zeit zur Verfügung haben.
Altersarmut als Folge unbezahlter Arbeit
Die Einkommensschere, die sich zwischen Männern und Frauen aufgrund der verschiedenen Anteile von bezahlter und unbezahlter Arbeit im Laufe des Erwerbslebens ergeben, setzt sich auch im Alter fort. Besonders Frauen sind von Altersarmut betroffen, da sie den Hauptteil an unbezahlter Arbeit leisten. Das wirkt sich während des Erwerbslebens auf das Einkommen und später auf die Pensionszahlung aus. Auch Mehrbelastungen wie Hausunterricht oder Homeoffice werden hauptsächlich von Frauen getragen. Deshalb ist es wichtig, die Kluft beim Erwerbseinkommen und die folgende Pensionslücke zu schließen.
Männer erhielten im Jahr 2021 bereits bis zum 1. August so viel Pension, wie sie Frauen in Österreich erst am Jahresende erhalten haben werden. Dabei sind die Pensionsbezüge im Durchschnitt um 42 Prozent niedriger als bei Männern. So beträgt die durchschnittliche Alterspension bei Männern in Österreich 2.047 Euro, währenddessen Frauen nur 1.196 Euro erhalten. Der Auslöser ist die von Frauen geleistete unbezahlte Arbeit und die meist in Teilzeit ausgeübte Tätigkeit im Beruf. Finanzielle Ermäßigungen, Unterstützungen und Beihilfen mindern zwar die Einkommensschere, fangen sie aber nicht vollständig auf.
Für ein gemeinschaftliches Arbeitsklima sorgt beispielsweise dieses Unternehmen.
Ein Videobeitrag mit Firmengründer Johannes Tinschert
Zeit zum Handeln
Es besteht also politischer Handlungsbedarf, denn das zeigt das Missverhältnis in der Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern in Österreich ganz klar auf. Das gebieten aber auch die Zielsetzungen der Gleichstellungspolitik der Republik Österreich. Will man die Geschlechter im gesamten Arbeitsleben gleichstellen, so müssen Familie und Beruf nicht nur miteinander vereinbar sein, sondern auch bezahlte und unbezahlte Arbeit gleichgestellt werden. Frauen können nur erwerbstätig sein, wenn sie von unbezahlter Arbeit entlastet werden. Für viele Frauen ist es keine Option, auf Kinder zu verzichten und auch die Pflege von Angehörigen daheim ist wichtig. Deshalb braucht es eine Erhöhung des Angebotes an familienergänzenden Kinder- und Altenbetreuungseinrichtungen als wichtigste Maßnahme. Doch das allein wird nicht reichen, um Frauen die Erwerbstätigkeit zu erleichtern. Wichtig ist auch die zunehmende Einbindung der Männer in die Betreuung der Kinder und der Hausarbeit. Dafür müssen neue Instrumente entwickelt werden. Diese müssen sich sowohl auf ideeller Ebene als auch auf materieller Ebene an die Männer direkt richten. Nur so kann der unterschiedlich hohe Anteil an bezahlter und unbezahlter Arbeit bei den Geschlechtern umverteilt werden.
Was wäre, wenn …
Der 24. Oktober 1975 ist ein denkwürdiger Tag in Island. Die Frauen im Land riefen zum Streik in Bezug auf unbezahlte Arbeit auf. Sie legte die unbezahlte Arbeit nieder. Die Folge: Männer mussten die Kinderbetreuung übernehmen, keine Frau kochte mehr und auch alle übrigen unbezahlten Arbeiten blieben einfach liegen. Das Chaos brach aus. Die Kinder mussten in den Büros spielen und die Restaurants hatten Hochkonjunktur. Doch dieser Streik hatte Erfolg, denn Island brachte eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg, welche Frauen und Männern wirklich Gleichberechtigung brachten. Island gilt heute international als anerkanntes Vorbild in Sachen Gleichberechtigung. Frauen und Männern wird der gleiche Lohn garantiert. Die Kinderbetreuung ist fair zwischen Mann und Frau aufgeteilt. Die Elternzeit wurde umfassend reformiert. So erhalten die Eltern etwa neun Monate an Karenzzeit und bekommen in dieser Zeit 80 Prozent ihres Lohnentgelts gezahlt. Von der Elternzeit müssen jeweils drei Monate von den Frauen und Männern gleichberechtigt genommen werden. Die übrigen drei Monate können nach Belieben verteilt werden. In Islands Schulen gibt es darüber hinaus heute ein Schulfach „Gleichberechtigung“. So lernen schon die Jüngsten, was Gleichberechtigung wirklich bedeutet.
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