Mit Gesang ein Stück Himmel in den Alltag holen...
Was wäre Weihnachten ohne „Stille Nacht“ oder Ostern ohne „Der Heiland ist erstanden“ und das „Osterhalleluja“? Wie arm wäre unsere Liturgie, hätten wir keine Musik, und damit meine ich sowohl den Volksgesang (mit und ohne Orgel- oder Instrumentalbegleitung) wie auch die an den Feiertagen besonders gestalteten Gottesdienste.
Für die Kirchenchöre steht wieder die intensivste Zeit im Kirchenjahr bevor: die Gestaltung der Karwoche mit Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag, Osternacht und Ostersonntag. Die Musik hat dabei nicht die Funktion des Pausenfüllers oder dient nicht zur Behübschung unserer Feiern, sie ist Teil der Liturgie, Ausdruck von Hoffnung und Heil und wesentlicher Bestandteil der Festlichkeit unserer Feiern. In der Musik berühren einander Himmel und Erde. Musik und Gesang vermögen, uns, die im Wort verkündeten Wirklichkeiten emotional zu vermitteln. Sie sind wesentlich Teil der Verkündigung, weil sie in unser Herz dringen, und uns so eine Ahnung der jenseitigen Welt vermitteln können und uns hin und wieder ein Fenster in den Himmel öffnen. Wenn wir singen, bringen wir unseren Glauben zum Ausdruck und üben uns ein in die heilsame Botschaft vom Reich Gottes.
Es ist heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich, dass Menschen singen. Die Vielfalt der Konservenmusik bringt es mit sich, dass wir uns von früh bis spät mit Musik umgeben und berieseln lassen können, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Das macht es auch im Gottesdienst nicht leicht, lebendigen Gesang auf die Beine zu stellen, ist doch für viele die Kirche oft der einzige Ort, wo man noch zum Singen kommt oder wenigstens dazu eingeladen ist. Singen scheint vielfach nicht „in“ zu sein und vor allem für musikalische Männer ist es eher attraktiv, ein Instrument zu erlernen als die Stimme zu erheben. Darunter leiden nahezu alle Chöre (nicht nur die Kirchenchöre). Für die Kirchenchöre kommt noch erschwerend hinzu, dass die Einsatzzeiten Sonn- und Feiertage (zumeist bald am Morgen) sind, und das im Winter in zumeist kalten Kirchen.
Trotz aller Schwierigkeiten habe ich in den Jahren meiner intensiven Tätigkeit als Kirchenmusiker in der Diözese wie auch im Dom immer wieder die beglückende Erfahrung gemacht, wie schön es ist, gemeinsam mit anderen Musik zu machen und nach intensiver Probenarbeit die Musik in der Liturgie einzubringen, als Teil der Verkündigung, zum Lob Gottes, aber auch zur Freude der GottesdienstbesucherInnen und zum eigenen Vergnügen.
Ich bin glücklich, dass immer wieder Sängerinnen und Sänger zum Ausdruck bringen, dass das Singen im Chor für Körper, Geist und Seele beglückend ist und dass die Musik zudem gemeinschaftsstiftend und der Chor eine Art Beheimatung bietet, wo man gerne hingeht und sich mit gleichgesinnten trifft.
Das neue Gesang- und Gebetbuch Gotteslob ist in der Zwischenzeit fast in der ganzen Diözese Linz in Gebrauch und wird abgesehen von kleineren Verunsicherungen, wo es um Text oder Melodieänderungen geht, weithin sehr positiv aufgenommen. Die vielen neuen Lieder, die zeitgemäßen Texte der Gebete und Gesänge sind dazu angetan, neuen Schwung in unsere Feiern zu bringen, wenn es gelingt, das Neue bekannt und zum Alltagsgut zu machen. Das kann nicht von heute auf morgen gehen, und da wird es noch einiges an Kraftaufwand und Motivation brauchen.
Die Aufgabe, Neues auszuprobieren und allgemein zum Singen zu animieren, scheint mir ein wesentlicher Teil des KantorInnendienstes zu sein. Dazu braucht es neben der nötigen musikalischen Kenntnis und stimmlichen Qualifikation, Geduld und einen langen Atem.
Ich wünsche uns allen, die wir mit Kirchenmusik befasst sind, die nötige Energie und Freude und immer wieder die Erfahrung, ein Stück Himmel in unseren Alltag hereinzuholen.
Josef Habringer
Domkapellmeister am Mariendom Linz
Zur Person:
Mag. Josef Habringers musikalisches Interesse galt seit jeher der Vokalmusik in all ihren Facetten. Bereits während seiner Zeit als Pastoralassistent der Katholischen Hochschulgemeinde Linz und als Referent für Laientheologen (1978-1992) betätigte sich Habringer als Leiter verschiedener Ensembles und als Chorleiter des „Chores der Katholischen Hochschulgemeinde Linz” (heute: „Collegium Vocale Linz”). Ab 1989 war Habringer im Referat für Kirchenmusik der Diözese Linz tätig, bevor er 2001 zu dessen Leiter ernannt wurde, eine Tätigkeit, die er bis 2014 ausübte. Daneben unterrichtete er am Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Linz auch Chorleitung, Stimmbildung und Liturgik. 2006 folgte schließlich die Ernennung zum Domkapellmeister am Linzer Mariendom. Bis heute ist Josef Habringer ein über die Grenzen der Diözese Linz begehrter Kursleiter und Referent. Außerdem übte Habringer überdiözesane Funktionen in der Österreichischen Kirchenmusikkommission, in einigen Fachausschüssen sowie in der Liturgischen Kommission für Österreich aus und war an der Entstehung des Gesangs- und Gebetsbuches Gotteslob (2013) beteiligt.