Durchs Reden kommen d’Leut zam – Entscheidungsprozesse in der Pionierpfarre Urfahr-St. Junia
Miteinander reden, Geduld haben, Zuhören und das Einbeziehen der zentralen Player das sind nur ein paar wesentliche Ingredienzien der Entscheidungsprozesse auf dem Weg zur Pionierpfarre, die der Pastoralvorstand der Pfarre Urfahr-St. Junia Mag. Matthias List nennt.
„Vor der Grundentscheidung, bei den Pionierpfarren dabei sein zu wollen, war es uns wichtig alle Befürchtungen und Wünsche der Mitglieder des Dekanatsrats zu hören. Letztlich war es dann eine Entscheidung mit einer 2/3 Mehrheit dafür “, berichtet Matthias List. Alle anderen wichtigen Entscheidungen, die getroffen werden mussten, wie zur Verortung des Pfarrbüros, die gemeinsame Heilige, das Pastoralkonzept und das Pfarrlogo wurden in den jeweiligen Gremien vorbereitet und dann im Dekanatsrat bzw. später im Pfarrlichen Pastoralrat abgestimmt.
Skeptiker:innen in Entscheidungsprozesse einbinden
„Herausfordernd war sicher die Einbindung derer, die dem ganzen Prozess mit Skepsis begegnet sind oder Befürchtungen hatten, die damit einhergehen“, erläutert Matthias List. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir garantieren können, dass alle gehört werden und sich auch gehört fühlen. Oder auch: Wie können wir die Menschen, die überstimmt wurden, trotzdem auf dem Weg mitnehmen, im Vertrauen auf demokratische Reife.“
So wurde in den Entscheidungsprozessen auch die so genannte Konsent-Methode angewandt. Dabei handelt es sich um eine Praxis der Entscheidungsfindung, bei der nicht die Pro-Stimmen im Fokus stehen, sondern vielmehr schwerwiegende Einwände der Teilnehmenden. Liegen solche vor, so wird versucht einen Alternativvorschlag zu finden, der wiederum zur Abstimmung gebracht wird. Dieser Prozess wird durchgeführt, bis keine schwerwiegenden Einwände mehr vorliegen.
Zuhören und ins Boot holen
Waren Entscheidungen einmal getroffen, so wurden sie durchgetragen, das heißt Verantwortliche haben die Entscheidungen eingefordert und damit weitergearbeitet. „Um das Gehört-Werden nicht zu einem Lippenbekenntnis verkommen zu lassen, war es wichtig viele Einzelgespräche zu führen. Außerdem wurden die wichtigsten Player, also die Träger:innen der Umsetzung, die Pfarrverantwortlichen, Pfarrgemeinderats-Leitungen und später auch Seelsorgeteams konsequent durch Informationen, Diskussionen, Abstimmungen, sowie die Auskunft darüber, wie es weitergeht, einbezogen.“ Auch ins Boot geholt wurden die Meinungsmacher*innen der einzelnen Pfarrgemeinden, das heißt Hauptamtliche, aber auch zentrale Ehrenamtliche und Sekretär*innen. „Jede:r von uns Pfarrvorständen hat versucht seine:ihre Gruppe der Hauptamtlichen zu begleiten und die jeweiligen Themen zu bestärken bzw. auf den Weg zu bringen. Außerdem waren die Zusammenkünfte bei den SST-Ausbildungen wichtige Seismografen, um herauszufinden, was gut läuft, was eine Überforderung darstellt und wo wir insgesamt gemeinsam stehen.“
Pfarrheilige als Identifikationsfigur
Trotz mancher Schwierigkeiten kann Matthias List auf einige besonders gut gelungene Entscheidungsprozesse zurückschauen, wie etwa die Wahl der Pfarrheiligen St. Junia. „Nachdem wir nach möglichen Kandidat:innen gesucht haben, wurden Hintergrundinfos zu den jeweiligen Heiligen zusammengetragen – im Vertrauen darauf, dass die Pfarrbevölkerung mitstimmt. Phasenweise haben wir einen richtigen Wahlkampf geführt. Schließlich kamen ein eindeutiges Votum und die Bereitschaft der Andersdenkenden mitzugehen. Inzwischen ist St. Junia eine richtige Identifikationsfigur geworden.“
Große Zustimmung für das Pfarrlogo
Ein ähnlicher Prozess war es bei der Suche nach dem Pfarr-Logo: „Es hat viele verschiedene Versionen gebraucht, bis wir die Grundentscheidung getroffen haben. Schließlich musste noch die Farbgebung diskutiert werden. Aber die Grafikerin war zum Glück geduldig und wir haben den Prozess konsequent vorangetrieben. Das letztlich fast einstimmige Ergebnis zeugt von einer hohen Akzeptanz, die den langen Weg und das Ringen letztlich wertvoll gemacht haben.“
Gemeinsames Pfarrblatt – eine wesentliche Entlastung
Das gemeinsame Pfarrblatt ist ebenso ein Beispiel für gelungene Entscheidungsprozesse in St. Junia. Auch wenn die Einigung darauf manche erst als die Aufgabe der eigenen Identität empfunden haben, so war diese Entscheidung für viele eine Entlastung. „Hier haben wir wiederum die Vorteile herausgestellt und viel miteinander geredet“, berichtet Matthias List. Schließlich wurde die Redaktion mit Personen aus allen Pfarrgemeinden, die sehr motiviert gearbeitet haben, zusammengesetzt, und das Endprodukt hat überzeugt.
Die Erfahrungen der Pfarre Urfahr-St. Junia zeigen, dass gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse, die möglichst alle mittragen können, Zeit und Ressourcen, aber auch viel Geduld benötigen. Ebenso ist es wichtig viele Gespräche zu führen und vor allem zuzuhören. Dann können diese Prozesse sehr wohl sehr gut gelingen und positive Weichenstellungen für die Zukunft als neue Pfarre gesetzt werden.
Text: Melanie Wurzer