Dr. Slawomir Dadas
Einleitung
Genau vor einem Jahr waren wir durch das Votum des Diözesanforums und durch die Bitte an den Bischof, den Auftrag für die Umsetzung der territorialen Strukturen zu erteilen, sehr motiviert und hatten an uns selbst die Erwartungen gestellt, so schnell wie möglich damit zu beginnen. Wie überall ist uns die Corona-Pandemie dazwischengekommen. Einige Beratungen mussten verschoben werden und die Entscheidung konnte dadurch auch nicht zu dem erhofften Termin getroffen werden. Umso größer ist meine Freude, dass Bischof Manfred heute seine Entscheidung für die Umsetzung des Modells bekannt gemacht hat. Denn bei der Entwicklung des Modells ist es uns immer um die Menschen gegangen, die Gott und die Gemeinschaft der Kirche erfahren wollen. Genau darauf zielt das Modell ab, das ich Ihnen jetzt in Erinnerung rufen will. Ich möchte aber vorwegnehmen, dass die detaillierten Informationen im Handbuch zu finden sind, das noch immer als pastoraler Text, der soziologisch argumentiert und theologisch begründet ist, nichts an seiner Aktualität verloren hat.
Der Kern des Modells
In der Pfarre Leonding, wo ich mich in meinem Diakonatsjahr auf die Priesterweihe vorbereitet habe, pflegte der damalige Pfarrer Holzmann zu sagen: „Zum Glauben braucht man Freunde“. Er meinte damit, dass der Glaube durch Beziehungen weitergegeben wird, dass er durch Beziehungen wächst und gestärkt wird, dass er ohne gute Glaubensbeziehung wenig Chancen hat, zu bestehen. So ist im Kern des Modells die Kirche als ein Beziehungsnetz auch strukturell verankert; ich meine hier Beziehungen in den Leitungsstrukturen, Beziehungen in den Pfarrgemeinden, aber auch zwischen den Pfarrgemeinden.
Nach dem letzten Entwurf haben wir 40 „Pfarren“ vorgesehen, die aus mehreren Pfarrteilgemeinden kurz „Pfarrgemeinden“ (dzt. 486) bestehen, die wiederum um die traditionellen lokalen Rechtsträger „Pfarrkirche“ und „Pfarrpfründe“ gebildet werden. Darum werden sie eine weitgehende Selbstständigkeit (auch finanzieller Art) bewahren können, aber immer mit dem Blick auf das Heil der Menschen, die zum größeren Ganzen wie Pfarre, Diözese oder auch Weltkirche gehören. Weiters gehören zu diesem Beziehungsnetz andere pastorale Orte, speziell auch der kategorialen Pastoral, an denen Begegnung mit Kirche und Seelsorge geschehen. Innovative Projekte und Initiativen und pastorale Konzepte sollten ein fixer Bestand des gemeinsamen Pfarrlebens sein.
Pfarren – Grenzen – Zuteilung
Bei der Grenzeinteilung wurden insbesondere folgende Faktoren berücksichtigt:
- die Ordensgemeinschaften und die einzelnen Pfarrgemeinden wurden gehört und nach Möglichkeit wurde auf ihre Wünsche eingegangen. Darum sind wir jetzt beim vierten Entwurf angelangt und haben viele Kompromisse geschlossen, ohne die Philosophie des Modells zu verlassen.
- die Modellphilosophie: Wir wollten einen guten Rahmen schaffen für ein lebendiges Glaubensleben in der gesamten Diözese, geleitet und koordiniert im Miteinander. In der Praxis bedeutet das: keine zu kleinen Pfarren zu schaffen, in denen eine Person versucht, die Verantwortung für alle Gemeinden allein zu übernehmen und sich und die anderen dabei überfordert, und keine zu großen, wo alles unübersichtlich wird. Dabei wurden auch Führungsspannen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt.
Leitung der Pfarre
Die Pfarren werden vom Pfarrer in einem Pfarrvorstand geleitet, zu dem ein Pastoralvorstand und ein Verwaltungsvorstand dazugehören. Sie arbeiten zusammen mit je eigener Verantwortung und nach festgelegten Aufgaben. Pfarrer und Pfarrvorstände übernehmen die Gesamtverantwortung für die Pfarre und sorgen gemeinsam mit den darin handelnden Personen (Priester, Ständige Diakone, haupt- und ehrenamtliche Laien, aktive Gläubige) für eine zeitgemäße pastorale Entwicklung in Verkündigung des Evangeliums, Sakramentenspendung und diakonalen Diensten.
In den Pfarrgemeinden gibt es verschiedene Leitungsmodelle, die man aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit unterschiedlicher Verantwortung als Leitungen in Teams bezeichnen kann und bei denen die Ehrenamtlichen eine sehr wichtige Rolle spielen.
Gremien
Um einerseits die Mitverantwortung der Ehrenamtlichen zu ermöglichen und andererseits keine Vermehrung der Gremien zu schaffen, was zur Ausweitung der Sitzungszeiten führen würde, werden auf pfarrlicher Ebene nur ein Pfarrlicher Pastoralrat und ein Pfarrlicher Wirtschaftsrat verpflichtend einzurichten sein. Es besteht aber die Möglichkeit, sowohl auf der Pfarrebene als auch auf Ebene der Pfarrteilgemeinden Gremien einzurichten, die die Menschen in besonderen Lebenssituationen wahrnehmen oder besondere pastorale Schwerpunkte in den Blick nehmen.
Pastorale Orte innerhalb der Pfarre
Die Pfarrteilgemeinde (kurz: Pfarrgemeinde)
Die Pfarrteilgemeinde ist eine Gemeinschaft von Gläubigen innerhalb der Pfarre und dadurch eine Teilgemeinde der Pfarre. In ihr soll das kirchliche Leben gelebt und entwickelt werden, so wie es den Gegebenheiten vor Ort entspricht (Ressourcen, Lebenssituation der Menschen …). Sie bietet Möglichkeiten, Kirche als Beziehungsgeschehen zu leben und zu erleben. Dort sollen auch Vernetzung und Kontakt mit den örtlichen Vereinen und politischen FunktionsträgerInnen erfolgen.
Die Pfarrteilgemeinden, für die immer auch der Pfarrer und die Pfarrvorstände mit zuständig sind, werden vor Ort von Teams unter Einbeziehung von Ehrenamtlichen geleitet.
Um auf die Bedenken aus der Resonanz einzugehen, ob wirklich genügend Ehrenamtliche gewonnen werden können, wurde in diesem Modell vorgesehen, dass ein Seelsorgeteam aus mindestens drei Personen besteht, zu denen ein/e hauptamtliche/r Seelsorger/in gehört.
Der „Pfarrgemeinderat“ ist ein Steuerungs- und Beschlussgremium für die Angelegenheiten der Pfarrteilgemeinde – immer auch im Blick auf die Anliegen der Pfarre als gemeinsamer pastoraler Handlungsraum.
Kategoriale Seelsorge in der Pfarre
Seelsorgestellen in Institutionen (zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenheimen) oder Betriebsseelsorge, Jugendzentren usw. sind pastorale Orte und bilden Knotenpunkte in einem Netzwerk, konkret in dem pastoralen Handlungsraum „Pfarre“. Deshalb soll in Zukunft das gemeinsame Wirken von den verschiedenen Formen von pastoralem Handeln und pastoralen Orten unter der integrierenden Leitung des Pfarrvorstandes verstärkt werden.
Kirche versteht Kindergärten, Horte, Krabbelstuben und katholische Schulen ebenfalls als pastorale Orte. Die Pfarrgemeinde bringt sich entsprechend ihren Möglichkeiten in die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen ein.
Ehrenamtliche in Leitungsfunktionen in Pfarrteilgemeinden und Pfarre
Um den tausenden Ehrenamtlichen in den Pfarrteilgemeinden gute Rahmenbedingungen zu sichern, sollte im neuen Modell besonders darauf geachtet werden,
- dass Ehrenamtliche durch hauptamtliche SeelsorgerInnen gut unterstützt werden;
- dass deutlich gemacht wird, dass Ehrenamtliche die hauptamtlichen SeelsorgerInnen nicht ersetzen können und müssen;
- dass die Teams die Balance zwischen Alltagsgeschäft und Reflexion wahren, sodass die Mitglieder immer auch Zeit für die eigene Glaubensvertiefung finden;
- dass es genug Ausbildungsmöglichkeiten und Hilfen gibt, um die Gefahr der Überforderung zu minimieren;
- dass es Rollenklarheit bei den verschiedenen Aufgaben und Ämtern gibt;
- dass Fehlerfreundlichkeit ernst genommen wird: Ehrenamtliche Pfarrgemeindeleitung im Rahmen dieser neuen Form von Seelsorgeteams sowie in Zusammenarbeit mit Pfarrer und Pfarrvorständen ist ein Lernprozess für die gesamte Diözese, für alle Ebenen;
… und noch viel mehr, was im Handbuch beschrieben wurde.
Orden als geistliche Orte in der territorialen Seelsorge
Die oberösterreichischen Niederlassungen von männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften verstehen sich als geistliche Zentren kirchlichen Lebens. Durch ihr Gemeinschaftsleben, ihren Verkündigungsdienst und ihr soziales Engagement geben sie Zeugnis von ihrem Christsein, wollen Oasen bzw. Tankstellen für ihre eigenen Mitglieder und zugleich Anziehungspunkt und Begegnungsort für spirituell Suchende und/oder sozial Bedürftige sein.
Personal für die Territorial-Seelsorge
Die Zuteilung des pastoralen Personals (Priester und Pastorale Berufe) erfolgt an die jeweilige Pfarre in Anlehnung an bisherige Personalpläne. Die Basiszuteilung erfolgt nach der KatholikInnenzahl der Pfarre, zu einem kleineren Teil nach der Zahl der EinwohnerInnen. Für Pfarren mit vielen kleinen Pfarrteilgemeinden gibt es eine angemessene Zuteilung.
Verwaltung/Finanzen
Die Pfarre ist Trägerin des Vermögens der Pfarre als solcher. Abschluss von Dienstverhältnissen, solidarischer Ausgleich sowie Zuweisung von Mitteln der Diözese an die jeweilige Pfarrgemeinde geschehen auf dieser Ebene. Auf Ebene der Pfarrteilgemeinde bleiben die historischen juristischen Personen „Pfarrkirche“ und „Pfarrpfründe“ bestehen. Die Verwaltung dieses lokalen Vermögens (Barvermögen, Liegenschaftsvermögen, Vermögen von Gruppierungen …) findet auf Ebene der Pfarrteilgemeinde statt, bei Bedarf unterstützt von den Verantwortlichen der Pfarre.
Schlussgedanke
Die Struktur der Kirche ist nie ein Heilmittel, sondern immer ein Rahmen, in dem der Glaube weiterhin mit Freude und Engagement gelebt, gefeiert und verkündet werden kann. Die Corona-Pandemie hat uns alle herausgefordert, aber auch den Blick über die eigene Gemeinde hinaus in Form von Radio- oder Fernsehgottesdiensten geweitet. Sie hat uns gezeigt, wie schnell man an die Grenzen stoßen kann, wenn man nur auf sich selbst bezogen lebt. So hoffe ich, dass gerade diese schwere Zeit uns aufmacht und uns Mut macht für neue Wege der Seelsorge in der Zukunft. Wir dürfen dabei auf Erfahrungen aufbauen, die schon bisher mit den diözesanen Grundsätzen von „Kirche im Territorium“ (2011) gemacht wurden. Ich hoffe, dass wir so bald wie möglich verstärkt die gemeinsame Verantwortung für das Evangelium und für das Glaubensleben wahrnehmen, um in der neuen Zeit mit einer neuen Haltung die Botschaft Jesu zu bezeugen und zu verkünden.