Dr. Manfred Scheuer
Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!
Wir leben in unübersichtlichen Zeiten. Wie viele von euch ringe ich damit, wie Seelsorge jetzt möglich ist, wie wir das Evangelium bezeugen, wie wir den Menschen den Glauben vorleben, mit ihnen den Glauben leben können.
Dieses Ringen um eine Kirche, die nahe bei den Menschen ist, die gleichzeitig aus der Tiefe ihrer Glaubensüberzeugung lebt und den Blick weitet auf die Herausforderungen unserer Zeit, ist nicht nur jetzt da. Vor mittlerweile mehr als drei Jahren haben wir uns entschlossen, das mit dem Zukunftsweg „Kirche weit und tief denken“ grundsätzlicher anzugehen. Die Beteiligung von euch war enorm. Es war und ist ein vielschichtiger Prozess, der zu Tage fördert, was uns als Katholische Kirche von Oberösterreich ausmacht. Die Inhalte dieses Prozesses berühren auch pastorale Strukturen auf territorialer Ebene der Pfarrgemeinden. Und hier haben wir nun ein wichtiges Etappenziel erreicht.
An dieser Stelle möchte ich klar sagen: Ja, wir machen das, wir gehen gemeinsam! Ich habe eine große Beteiligung und eine große Zustimmung für die Notwendigkeit des Prozesses wahrgenommen. Das war und ist die Grundlage für meine Entscheidung, die ich getroffen habe und von der ich weiß, dass sie in Übereinstimmung mit den kirchlichen Normen und Gesetzen erfolgt.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Reformprozess Bewegung bringen wird, heilsame Bewegung – denn Bewegung führt zu Begegnung: Begegnung mit Gott, denn Kirche ist nicht Selbstzweck, sondern Zeichen und Werkzeug der innigen Gemeinschaft mit Gott. Begegnung mit Menschen, denen die Kirche Heimat ist. Begegnung mit Menschen, die zur Kirche gehören, aber die sich nicht heimisch fühlen. Begegnung mit Menschen, die in der Kirche keine Heimat mehr sehen, obwohl sie getauft wurden. Begegnung mit Menschen, die die Kirche als Dialogpartner wertschätzen, aber auch Begegnung mit Menschen, die nichts mehr von uns erwarten oder der Kirche auch nicht wohlwollend gegenüberstehen.
Jede Veränderung ist mit Ängsten und Fragen verbunden. Es wird aber nichts übergestülpt, es wird vielmehr etwas gehoben, was längst da ist: die Sehnsucht nach einer Kirche, die nahe bei den Menschen ist, einer Kirche, die nicht nur um sich selbst kreist. Die Kirche soll nicht in ihren Strukturen verknöchern, sondern vielmehr Leben darin entfalten können. – So wie es von den Quellen unseres Glaubens, von der Tradition unseres Glaubens her geboten ist. Wir tragen alle diese Sehnsucht in uns. Mit eurem Glaubenszeugnis prägt, gestaltet und erfüllt ihr tagtäglich die Kirche aus dieser Sehnsucht heraus. Ich danke euch von Herzen für euer Engagement und euer Herzblut, für euer Leben aus der Tiefe des Glaubens an Jesus Christus und seine Botschaft. Nur gemeinsam ist dieser Weg in die Zukunft möglich. Ich bitte euch um euer Mitgehen.
Nicht alles wird von heute auf morgen anders werden. Nicht alles wird von heute auf morgen besser werden. Aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Davon bin ich überzeugt. Das Schlimmste wäre, würden wir nichts tun und alles so dahinlaufen lassen. Das wäre der schleichende Verlust von Lebendigkeit, ein Flickwerk, das sich irgendwann – vermutlich recht bald – nicht mehr flicken lässt.
Wir brauchen uns als Kirche nicht neu erfinden, aber wir haben auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren, damit Kirche vor Ort erlebbar bleibt. Ich hoffe sehr, dass spürbar ist und sein wird, dass wir Christinnen und Christen zueinander gehören: im Gebet und im Feiern, im gemeinsamen Gespräch, in der Sorge für Schwache und Kranke, im sozialen Einsatz für Menschen in Not … Ich bin zuversichtlich, dass es zum Guten sein wird und nicht zum Schlechten. Das, was lebt, soll weiterleben und bestärkt werden. Wir dürfen und müssen uns aber auch von manchem trennen. Schmerzfrei geht das nicht.
Ja, es gibt einen Engpass bei Priester- oder auch Ordensberufungen, dem wir uns nicht verschließen. Entscheidend für eine lebendige Kirche ist das Zeugnis von Menschen, die sich zu Gott bekennen und aus dem Evangelium leben. Diese Menschen geben der Kirche ihr Gesicht, ihre Hände und Worte und verkörpern sie. Kirchliche Strukturen sollen gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die Christinnen und Christen in unserem Land ihr Christsein frei und möglichst gut unterstützt zum Ausdruck bringen können, damit Kirche als offene und positive Kraft in unserer Gesellschaft erlebbar ist.
Ich habe schon mehrfach gehört, dass nach der Corona-Krise vieles wieder neu aufgebaut werden muss: Beziehungen, Engagement in den Pfarrgemeinden, liturgische Feiern, Besuchskultur … Man wird auf vieles mit einem neuen Blick schauen können und die Chancen ergreifen, manches ganz neu anzugehen, dabei auch die Nachbargemeinden mit im Blick haben: Was machen die, wie gehen die das an? Wir leben in einer Zeit der Aussaat. Manches ist neu anzusetzen, anderes von Schädlichem zu befreien. Da und dort gilt es der Erde neuen Humus beizufügen.
Gehen wir es gemeinsam an. Gehen wir gemeinsam im Vertrauen auf Gott.