Zuhören als „Aufwachmittel für die Kirche“
Wanke ermutigte dazu, „dem offenen Himmel zu trauen“. Ausgehend von seinen Erfahrungen in der DDR zur Zeit des Kommunismus und nach der Wende wies Wanke darauf hin, dass auch die Erfahrung einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft eine „Botschaft von oben“ enthalte. Zunächst brauche es ein Annehmen dieser Veränderung, damit sie verwandelt werden könne. Die Situation einer liberalen, offenen Gesellschaft biete die Möglichkeit, sich auf eine Vertiefung des Glaubens und Bekennens einzulassen und gleichsam eine „geistliche Tiefenbohrung“ vorzunehmen. Wanke mit einem Augenzwinkern: „Man könnte auch etwas salopp sagen: Gott hat mit uns eine Art Glaubens-TÜV vor, eine ‚Qualitätskontrolle‘.“ Dem christlichen Glauben Halt geben und Zukunft eröffnen könne wohl nur ein Weg der Vertiefung und „Qualitätserneuerung“, also gleichsam eine „Anhebung des geistlichen Grundwasserspiegels“, so Wankes Überzeugung. Es gehe nicht um eine Abkehr von konkreten Fragen und Problemen in der Diözese, sondern darum, diese in einen größeren Horizont zu stellen. Wanke dazu: „Es braucht heute ‚Visionäre des Gottesreiches‘!“
Bischof Wanke hat die sieben Werke der Barmherzigkeit in sieben Sätzen neu für die heutige Lebenswirklichkeit formuliert:
Ich höre dir zu | Ich gehe ein Stück mit dir | Ich rede gut über dich | Ich bete für dich | Ich teile mit dir | Ich besuche dich | Du gehörst dazu.
Drei dieser Sätze griff er in seinem Impuls heraus und formulierte daraus Ermutigungen zu einem veränderten Stil kirchlichen Handelns: zu einer Haltung des Zuhörens, verbunden mit der Zusage des Dazugehörens und der Bereitschaft, Menschen ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten. In einer Gesellschaft, in der Zeit knapp und wertvoll sei, bestehe ein großes Bedürfnis danach, angehört zu werden.
Wanke stellte die kritische Frage, ob die Haltung „Ich höre dir zu“ nicht auch ein „Aufwachmittel für eine Kirche ist, die manchmal sehr mit sich selbst beschäftigt ist – mit der eigenen Befindlichkeit, mit ihren Lehrsätzen, ihren Strukturen und ihren Sünden“. Christsein heute heiße, in Bewegung zu kommen, im Dialog mit suchenden Menschen zu bleiben und von ihnen zu lernen.
Der Satz „Du gehörst dazu“ lade dazu ein, alle Menschen zuerst und vor allem als Mitmenschen anzusehen und Gottes Heilswille universal zu verstehen, also alle Menschen in die Glaubenshoffnung einzuschließen. Wanke warnte eindringlich vor einer Seelsorge, „die nur die Engagierten, die Starken und Überzeugten sammeln will. Die Kirche hat aus der Haltung der Grundsolidarität und Empathie die Menschen, wie sie uns konkret begegnen, zu begleiten und sie in ihren Suchbewegungen auf Gott hin zu bestärken.“
Mit dem Satz „Ich gehe ein Stück weit mit dir“ sei gemeint, besonders in schwierigen Lebenssituationen mit Menschen mitzugehen und besonders die ersten Schritte zu unterstützen – oder einfach auch nur da zu sein und Schweres mit auszuhalten.