Wie sind Sie persönlich zur Kunst gekommen?
MMMag. Hubert Nitsch: Das Bildnerische und die Musik haben mich von Kind an begeistert. Neben dem Theologiestudium habe ich die Kunstgeschichte mitbetrieben, habe immer gemalt und gezeichnet und da auch während des Studiums meine Ausstellungen in Innsbruck gehabt. Am Mozarteum war ich in der Klasse für Bildhauerei.
Kunst und Kirche gehörten einmal zusammen. Driften sie auseinander? Bei Friedhelm Mennekes in Köln habe ich gelernt, dass Kunst und Religion, beide, das Leben thematisieren und auf dieser Ebene sich viel zu geben haben.
Kunst und Kirche gehören nach wie vor zusammen, auch wenn eine Seite von der anderen eher Distanz fordert oder Distanz hält. In guter Kunst ist immer ein trans zendierender Moment zu finden. In der Religion ist es genauso. Religion, die ohne Transzendenz auskommt, ist keine Religion mehr. Das ist das Gemeinsame von Kunst und Religion, dass sie größere Horizonte öffnen.
Worin besteht dieses Besondere der Künstler?
MMMag. Hubert Nitsch: Künstler haben eine prophetische Dimension, die man ihnen oft nachsagt, oder die einen auch oft kopfschütteln lässt. Gute Künstler zeichnet aus, dass sie mit einer Vision an die Fragen herangehen und nicht bei der jetzigen Zeit stehen bleiben.
Hat Oberösterreich als Land der Kulturhauptstadt Besonderes zu bieten? Sicher. Siegfried Anzinger mit seinen Glasfenstern in der Pfarrkirche Weyer zum Beispiel ist fähig, aus der Geschichte zu schöpfen und dabei mit einer neuen Bildfindung eine religiöse Geschichte darzustellen. Gleichzeitig erschließt er damit dem Betrachter einen neuen Blick, nicht nur auf die Kunst, sondern auch für die Heilsgeschichte, die er darstellt. Dasselbe gilt bei Franz Josef Altenburg, dem Keramiker, der einen Altartisch für Schiedlberg entworfen hat. Da werden Themen angerissen, die so noch nicht formuliert waren. Auch nicht in der Kirche.
MMMag. Hubert Nitsch in der Türmerstube des Linzer Mariendoms
Interessieren sich Künstler/innen für Kirchenaufträge?
MMMag. Hubert Nitsch: Die Künstler zu finden ist Knochenarbeit. Es gibt nur individuelle Lösungen und keine Katalogkunst. Für jeden Raum und für jeden Ort wird sehr sorgfältig abgewogen, wer eingeladen wird. Es ist nach wie vor für zeitgenössische Künstler sehr spannend, im Sakralraum zu arbeiten. Das sind Räume, die nur wir zur Verfügung haben, Räume von besonderer Qualität, weil es lebendige Räume sind, in denen gelebt, gebetet und gefeiert wird.
Wie sichern Sie Qualität?
MMMag. Hubert Nitsch: Ja, die diözesane Bauordnung schreibt einen Bildungsprozess vor. Jede Pfarre hat eigene Voraussetzungen, daher muss es auch individuelle Bildungsprozesse geben, um dann zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen.
Kunst ist wie andere Sachen auch in der Beurteilung Fachleuten vorzulegen. In eine Jury für einen Künstlerwettbewerb holen wir gleich viele Pfarrleute wie Fachleute. Die Pfarrleute bringen den Fachleuten die Bedürfnisse der Pfarre nahe, nämlich die pastoralen Notwendigkeiten oder das pastorale Profil. Die Fachleute fordern die Qualität ein. Dieser Dialog hat sich immer bewährt.
Fühlen Sie seitens der Kirche genug Rückenwind für Kunstanliegen?
MMMag. Hubert Nitsch: In Oberösterreich finden wir einen bereiteten Boden vor. Das hat u. a. zu tun mit dem Lebenswerk von Günter Rombold. Ich erfahre von der Kirche viel Wertschätzung. Aber hätte man mehr personelle Ressourcen, so wäre noch mehr möglich. Die Vorreiterrolle, die Oberösterreich auch an diesen Punkten hat, könnte man noch intensivieren.
MMMag. Hubert Nitsch in der Türmerstube des Linzer Mariendoms, einem der bekanntesten Kuturprojekte von Linz o9. (k-büro)
Mein Tipp für Linz o9
Hubert Nitsch über Plätze, die man sich in Linz keinesfalls entgehen lassen sollte.
Wer für einen Tag nach Linz reist, den würde ich auf jeden Fall zum Eremiten schicken. Da erlebt er dann auch gleich die größte Kirche Österreichs, den Mariendom, den ich als Meilenstein der Neugotik in der europäischen Architektur empfehlen würde.
Architektonisch würde ich empfehlen: Die Kirche St. Theresia von Rudolf Schwarz. Und historisch natürlich die Martinskirche, aber genauso die Ursulinenkirche oder den Alten Dom, die Minoritenkirche, je nachdem wie jemand den Schwerpunkt legen will.
Wenn es um Zeitgenössisches geht, dann die Solarcity mit einer Gestaltung von Herbert Friedl, Ingeborg Kumpfmüller und Heliodor Doblinger, dann das Pfarrzentrum Marcel Callo, oder die Aufbahrungshalle in der Stadtpfarre Urfahr von Silvia Kropfreiter, oder Ruedi Arnold mit dem Kreuzweg am St.BarbaraFriedhof in Linz.
Quelle: inpuncto, Magazin der KirchenZeitung der Diözese Linz, Der Sonntag, Sonntagsblatt, Tiroler Sonntag und Vorarlberger KirchenBlatt.