Mag. Witzany Siegi: "Dr. Johann Gruber - eine Botschaft für heute"
Zu den Menschen, die den NS-Machthabern die Stirn boten, zählte der oberösterreichische Priester und Pägagoge Dr. Johann Gruber, der es stellvertretend für viele aufrechte Österreicher verdient, in unserer Erinnerung zu bleiben.
Der frühe Tod seiner Eltern und die damit verbundene Sorge um die jüngeren Geschwister prägte den 1889 geborenen Gruber nachhaltig. Nach dem Besuch des Bischöflichen Gymnasiums Petrinum und des Priesterseminars in Linz studierte er an der Universität Wien die Fächer Geschichte und Geografie für das Lehramt. Aus Wien kam er nicht nur mit einem Doktortitel nach Oberösterreich zurück, sondern er war auch begeistert von den neuesten Erkenntnissen der Reformpädagogik, die er in der Bundeshauptstadt kennengelernt hatte.
Sein Geschick im Umgang mit jungen Menschen prädestinierte ihn zum Lehrer und Direktor am Katholischen Waisenhaus in Linz. Daneben unterrichtete er an zahlreichen Gymnasien der Landeshauptstadt und begeisterte seine Schüler sowohl durch fachliche Kompetenz als auch mit seiner herausragenden Lehrerpersönlichkeit.
Schließlich wurde er Mitte der 30er Jahre zum Direktor der Linzer Blindenanstalt bestellt.
Auch dort nahm er bauliche und organisatorische Reformen mit dem für ihn so typischen Tatendrang in Angriff. Sein Ziel war es, die behinderten Menschen zu befähigen, ein möglichst eigenständiges Leben in menschlicher Würde zu führen. Gruber war ein geradliniger Mensch, der auch ein offenes Wort nicht scheute, was ihm in seinem beruflichen Umfeld nicht nur Sympathien eintrug. Auch seine ablehnende Haltung gegen den Nationalsozialismus hatte er nie verheimlicht, sondern sich unmissverständlich als österreichischer Patriot deklariert und gegen die braune Herrschaft ausgesprochen.
Es verwundert nicht, dass schon kurz nach dem „Anschluss“ 1938 eine Anzeige gegen Gruber bei der Gestapo einging, in der ihm unter fadenscheiniger Beweisführung unsittliches Verhalten gegen seine Schützlinge vorgeworfen wurde. Ein Schauprozess führte trotz engagierter Verteidigung durch einen befreundeten Rechtsanwalt und durch den Angeklagten selbst zu dessen Verurteilung.
Über Inhaftierungen in der Strafanstalt Garsten und das KZ Dachau landete Gruber schließlich im August 1940 im gefürchteten Konzentrationslager Gusen, das wegen der herrschenden Brutalität als „Hölle aller Höllen“ galt. Anfangs wurde er dem Krankenrevier als Pfleger zugeteilt, wo es ihm gelang, heimlich Medikamente zu organisieren. Als man bei Grabungsarbeiten für eine Verbindungsbahn zwischen den Steinbrüchen Gusen und dem Bahnhof St. Georgen auf archäologische Funde stieß, wurde Gruber zum Kapo des Ausgrabungskommandos bestellt. Diese Funktion brachte eine gewisse Bewegungsfreiheit mit sich, sodass es ihm gelang, Kontakte nach außen zu knüpfen und diese zum Aufbau eines illegalen Hilfswerkes für seine geschundenen Kameraden zu nützen. Auf diese Wiese organisierte der unerschrockene Gruber über ausgezeichnete lagerinterne Kontakte zusätzliche Suppenrationen für besonders geschwächte Häftlinge und verhalf so vielen zum Überleben. Die konkrete Hilfe und die menschliche Zuwendung, die er seinen hilfsbedürftigen Kameraden angedeihen ließ, brachte ihm den liebevollen Namen „Papa Gruber“ ein. Gemeinsam mit inhaftierten polnischen Lehrern organisierte er überdies eine heimliche Lagerschule für junge Häftlinge, um ihren Lebenswillen inmitten des grausam-stumpfsinnigen Alltags zu stärken.
Als das geheime Hilfswerk im Frühling 1944 aufflog, musste der Priester tagelange grausame Folterungen im Bunker der Gusener Kommandanturgebäudes ertragen und wurde am 7. April 1944, einem Karfreitag, vom Lagerkommandanten Seidler ermordet.
Mit Grubers gewaltsamem Tod mochte man zwar seiner physischer Existenz ein Ende gemacht haben, die Erinnerung an seine unglaublich mutige Haltung, einem unmenschlichen System Widerstand zu leisten und sich selbst unter schwierigsten äußeren Umständen den Schwachen, Ausgegrenzten und Hilfsbedürftigen zuzuwenden, konnte aber nicht ausgelöscht werden.
Der mutige und aufrechte Oberösterreicher Dr. Johann Gruber hat in unserer Heimat unauslöschbare Spuren hinterlassen. Seit 2007 bemüht sich der Fachausschuss „Papa Gruber“ der Pfarre St. Georgen darum, die Erinnerung an diese herausragende Persönlichkeit wach zu halten. Die Veröffentlichung einer Broschüre, die in Grubers Leben Einblick gibt und sein Handeln würdigt, wurde im Oktober 2009 der Öffentlichkeit präsentiert und stieß auf großes Interesse. Die Ausstellung des Künstlerehepaares Ing. Rudolf und Ulrike Burger mit dem Titel „Dr. Johann Gruber - eine Herausforderung für uns“ im Februar 2010 zeigt deutlich, wie sehr eine Inspiration auf lokaler Ebene stattgefunden hat.
Das Leben und Wirken von Dr. Johann Gruber ist ein berührendes Beispiel und eine aufrüttelnde Botschaft für uns alle. Es ist gleichzeitig eine Ermutigung, sich zu jeder Zeit für eine menschliche und gerechte Gesellschaft einzusetzen und für Gegenwart und Zukunft Verantwortung zu übernehmen.
Mag. Siegi Witzany
Mitglied des Fachausschusses „Papa Gruber“