Termine statt.
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Zeitgenössische Musik von Priesterkomponisten und historische Kulinarik machten die Veranstaltung in der Aula des Linzer Priesterseminars zu einem besonderen Sinneserlebnis für die mehr als 100 TeilnehmerInnen. Die junge kirchenhistorische Forschung der Katholischen Privatuniversität nutzte darüber hinaus die Möglichkeit, aktuelle Arbeitsvorhaben und Einblicke in die universitäre Beschäftigung mittels Postern und Rollenspielen zu präsentieren.
Nach der Begrüßung durch den ersten Vereinsvorsitzenden Bischofsvikar Dr. Johann Hintermaier führte Mag. Josef Wallner als Moderator des Symposiums in das Thema ein. Er verknüpfte die historische Thematik mit dem Hinweis auf zum Teil heftige Debatten um die Identität des Priesters im Zuge des aktuellen Strukturprozesses der Diözese Linz und plädierte angesichts der Tatsache, dass es immer Veränderungen im Aufgabenspektrum des Ortsseelsorgers gab, für eine Entspannung im Diskurs und eine Horizonterweiterung durch die Rückschau in die Vergangenheit.
In einem Grundsatzreferat von Diözesanarchivar Mag. Klaus Birngruber M.A. wurden zunächst überblicksartig die rechts- und verfassungsgeschichtlichen Voraussetzungen, Entwicklungen und Erscheinungen von „Pfarre“ im historischen Längsschnitt aufgerollt. Der Bogen spannte sich dabei von der mittelalterlichen Eigenkirche bis zur modernen Pfarre, zeitlich von der Spätantike bzw. dem frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Anhand von Beispielen wurde den Fragen nachgegangen, wie Pfarren entstanden, wie deren Strukturen ausgesehen haben, welche Einflüsse für Strukturänderungen maßgeblich waren und welche personelle Ausstattung es gab. Skizziert wurde insbesondere das besonders im Frühmittelalter prägende Institut der Eigenkirchen, die von weltlichen und geistlichen Herren auf eigenem Grund und Boden unter recht weitgehenden Verfügungsrechten (auch über die Priesterschaft und die Einkünfte) errichtet wurden. Im Hochmittelalter wurde im Zuge des sogenannten Investiturstreites und des aufkommenden Kirchenrechts der Einfluss der Laien zurückgedrängt, bischöfliche Rechte gestärkt und das bis in die Gegenwart nachwirkende Patronatsrecht über Pfarren, die nunmehr Territorialpfarren im modernen Sinne wurden, entwickelt.
Das im Spätmittelalter ausgebildete Netz an Pfarren blieb im Wesentlichen bis ins späte 18. Jahrhundert stabil. Markante Umwälzungen durch Errichtung einer großen Anzahl neuer Pfarren („Pfarreinrichtungsgeschäft“) brachte das kirchenpolitische Reformwerk des von der Aufklärung stark geprägten Kaiser Joseph II. (1780-1792), das den Priester als Diener des Staates und dessen Sprachrohr im Dienste von Bildung und Wohlfahrt instrumentalisierte und zum „Multifunktionär“ werden ließ. Auch nach dem Ende dieses sogenannten josephinischen Staatskirchentums in der Mitte des 19. Jahrhunderts wirkte die so ausgeprägte Stellung des Priesters und das „Pfarramt“ noch lange nach.
Das 20. Jahrhundert brachte zunächst einen Perspektivenwechsel zur „Pfarre als lebendigen Ort von Gemeinschaftsbildung“, der Pfarrer wurde vom „Beamtentyp zum Guten Hirten“; der „Primat der Seelsorge gegenüber der Verwaltung“ setzte sich durch, das Aufkommen der Laien in der Katholischen Aktion grundgelegt. Schließlich wurden im Zuge der Bevölkerungsentwicklung und Industrialisierung in den Ballungsräumen zahlreiche Neuerrichtungen von Seelsorgestationen (von Kaplaneien über Exposituren bis zu Vollpfarren) durchgeführt, die etwa die Linzer Pfarrenlandschaft stark prägten. Mit dem Ende der Wirtschaftspfarrhöfe in den 1950/1960er Jahren wurde der Pfarrer als Landwirt im Umfeld gewandelter sozio-ökonomischer Strukturen endgültig Geschichte.
Ausklang der reich bebilderten Präsentation bildete die jüngere Vergangenheit nach dem Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils, die eine Wahrnehmung von Seelsorge- und Leitungsaufgaben in der Pfarre durch Diakone und Laien brachte. Neue Beauftragungsformen im hauptamtlichen (Pfarrmoderatoren, PfarrassistentInnen usw.) und ehrenamtlichen Bereich (Seelsorgeteams) wurden entwickelt und formalisiert. In der aktuellen Debatte um den Linzer Strukturprozess („Kirche weit denken“), die auf der Strukturebene die wohl massivsten Änderungen seit den josephinischen Reformen mit sich bringen könnte, wird die Entwicklung weitergeführt. Schlusspunkt bildete die These, dass die in Ausarbeitung befindlichen Reformvorhaben erstmals in der Geschichte umfassender nach dem „Warum“ und „Wie“ von Reformen fragt und den betroffenen Menschen und seinen Bedürfnissen in einer Zeit raschen Wandels in Gesellschaft, Religion und Kirche durch Partizipation gerecht zu werden versucht. Wie Strukturen und Reformen in der Vergangenheit „funktionierten“, welche Hintergründe und Motive dabei wirkmächtig waren, dazu könne die Geschichte Lehr- und Hilfreiches beitragen.
Die zeitliche Mitte des Symposiums gehörte der jungen kirchengeschichtlichen Forschung, moderiert von Mag.a Marianne Silbergassser: Rund zwanzig Studierende der Katholischen Privatuniversität Linz verarbeiteten ausgewählte Themen der Diözesan- und Kirchengeschichte zu kurzen Rollenspielen, szenischen Darstellungen und Kurzvorträgen. Behandelt wurden Aspekte der Heiligen Florian und Severin, des benediktinischen Reformabtes Berthold von Garsten, des Reformators Martin Luther und des NS-Märtyrers Franz Jägerstätter.
Nina Steinbinder stellte ihr Diplomarbeitsprojekt, das sich dem Aufgaben- und Rollenspektrums des Seelsorgers in der Diözese Linz im 19. Jahrhundert widmet. Als Quellenbasis ihrer Analysen zum „Priester als Bindeglied zwischen Kirche und Gesellschaft“ fungiert die Theologisch-praktische Quartalschrift (ThPQ). Darin finden sich Beiträge, welche diese Scharnierfunktion des Priesters zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre als Seelsorger, als Psychologe und Vertrauensperson, als Vater und Erzieher, als Kämpfer für Kirche und Land, als Kenner seiner Gemeinde usw. illustrieren. Eine weitere Studierendengruppe präsentierte sechs wissenschaftliche Poster, die im Zuge eines Forschungs- und Projektseminars „Das zweite Vatikanische Konzil und seine Quellen“ entstanden sind. Im Fokus standen dabei die Kommunikationswege und Rezeptionsprozesse vor, während und nach dem Konzil in der Diözese Linz.
Im zweiten Hauptvortrag des Tages zeichnete der Historiker Dr. Stefan Trinkl ein lebendiges, häufig mit Anekdoten angereichertes Bild des „Dorfpfarrers als Wissensvermittler und Träger der Gesellschaft im 19. Jahrhundert“. Anhand ausgewählter Priesterpersönlichkeiten beschrieb er das umfangreiche Tätigkeitsfeld von Seelsorgern auf dem Land, die in manchen Bereichen auch beachtliche Leistungen wissenschaftlichen Ranges erreichten.
Im Umfeld der Landwirtschaft war die Rolle des Dorfpfarrers als Vermittler von Fachwissen eine nicht zu unterschätzende, beispielsweise in Falle der Einführung von Neuerungen im Pflanzenbau. Die Beschäftigung mit der Natur führte auch so manchen Priester zur Botanik und Zoologie (z.B. Käfer- und Schmetterlingskunde). Auf dem Gebiet des Schul- und Erziehungswesens betätigten sich Priester als Autoren, so etwa der 1854 in Linz verstorbene Andreas Reichenberger. Schulbücher und volksbildnerische Werke schrieb etwa der Braunauer Stadtpfarrer Anton Link (1773–1833). Der zeitweilig in Frankenmarkt tätige Pfarrer, dann Linzer Schul-Aufseher und Domherr Joseph Strigl (1796–1858) verfasste Werke zur Erziehungslehre. Vielfältig war auch die Tätigkeit von Pfarrern als Historiker, Ortschronisten und Heimatforscher. Besonders hob Trinkl Johann Ev. Lamprecht (1816–1895) hervor. Der in Schärding geborene Weltpriester wirkte vor allem im unteren Innviertel und verfasste dort eine Reihe von Orts- und Pfarrgeschichten, die bis heute großen Wert haben, so beispielsweise eine umfangreiche Schärdinger Ortsgeschichte. Daneben machte er sich als historischer Topograph und Kartograph einen Namen. Zahlreiche spezifisch diözesangeschichtliche Beiträge lieferte der in verschiedenen Pfarren als Kooperator und daneben im katholischen Pressewesen engagierte Friedrich Scheibelberger (1838–1891). Seine „Ergänzungen zum Linzer Diözesanblatt“ (2 Bde. 1874–1877; Bd. 3 o. J.) sind bis heute ein untentbehrliches Hilfsmittel zur kirchlichen Verwaltungsgeschichte in der Frühzeit der Diözese Linz. Als Denkmalpfleger wirkte der Reichersberger Chorherr Konrad Meindl (1844–1915), der die Funktion eines „Conservators für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Baudenkmäler in Oberösterreich“ wahrnahm; aus seinem großen Werkkatalog sei hier seine zweibändige Biografie über den Linzer Bischof Rudigier herausgestellt (1891–1893). Als Bewahrer von Liedgut und Brauchtum gilt der St. Florianer Chorherr Wilhelm Pailler (1838–1895), u.a. Pfarrer in St. Peter am Wimberg. Mit Sprachethymologie und Mundartsprache befasste sich intensiver der Kremsmünsterer Benediktiner Mathias Hoefer (1754–1826), u.a. Pfarrer in Kematen. Von ihm stammt etwa ein „Ethymologisches Wörterbuch der ... Mundart“ (in drei Teilen 1815), weiter das Werk „Die Volkssprache in Oesterreich, vorzüglich ob der Enns“ (1800). Bekannt ist auch der Name des in Krenglbach geborenen Priesters und Schülers Anton Bruckners Anton Reidinger (1839–1912). Er war u.a. Pfarrer in Eggerding, Riedau und Obernberg, bemühte sich besonders um die Erneuerung von Krippenspiel und -gesang und schuf unter anderem den Text und wenigstens teilweise die Melodie des Liedes „Es wird scho glei dumpa“. Der unter dem Pseudonym „Georg Stiebler“ schreibenden Pfarrer von Grieskirchen und Georg Wagenleithner (1861–1930) war als Autor, Musiker und Maler tätig. Die Themen seiner Texte reichen von Heimat, Landleben, Natur, und Religion bis zu Humorvollem. In Grieskirchen und Linz erinnern Straßennamen an diesen „Künstler-Priester“, in seinem Geburtsort Aspach wurde ihm ein Denkmal gesetzt. Die erwähnten Beispiele sind lediglich ein Ausschnitt aus dem breiten Spektrum gelehrter Priester bzw. Pfarrer, die mit ihrem Wissen und ihren Talenten eine hervorragende Rolle als Bezugspunkt im ländlichen Gesellschaftsmilieu spielten. Hier steht der Klerusforschung noch ein weites Feld zur Fruchtbarmachung zur Verfügung.
Im Rahmen des Symposions wurden drei Kompositionen von Priestern präsentiert, vorgetragen von Johanna Rosa Falkinger (Sopran) und Andreas Peterl (Klavier).
Die drei Priester (Abbé Maximilian Stadler, Peter Griesbacher, Franz Wasner) haben alle einen biographischen Bezug zur Diözese (bzw. ihrer unmittelbaren Grenzregion) und wirkten trotz anderer inhaltlicher Schwerpunkte doch auch immer wieder seelsorglich in Pfarren.
Abbé Maximilian Stadler (1748-1833) sorgte im Laufe seines bewegten Lebens beispielsweise für ein reichhaltiges Musikleben im Stift Kremsmünster und war als Ehrenmitglied der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde bestens vernetzt. Der spätere Pfarrer von Altlerchenfeld pflegte zahlreiche Kontakte mit der zeitgenössischen Musikwelt, unter anderem zu J. Haydn, Beethoven und Schubert. Aus seinen Psalmvertonungen für Stimme und Klavier wurde der 4. Psalm gesungen. Als Textgrundlage verwendete der Komponist übrigens die Psalmübersetzung von Moses Mendelssohn.
Der aus Niederbayern stammende Peter Griesbacher (1864-1933) war einige Jahre als Seelsorger tätig, ehe er sich ganz auf die Kirchenmusik konzentrierte. Er wurde Lehrer, später auch Direktor der Kirchenmusikschule in Regensburg. In der Kirchenmusikwelt der 1920er war Griesbacher eine bekannte Größe, im Allgemeinen wird das Werk des späten Cäcilianers aber nicht mehr rezipiert. Ein Marienlied aus seinem Liederzyklus „Am tiefen Weg“ (Libretto von Heinrich Opitz SJ) diente als klingendes Beispiel seines Schaffens.
Franz Wasner (1905-1992) gehörte als Rektor der Anima und Mitglied des Salzburger Domkapitels zur höchsten kirchlichen Führungsebene. Davor führte in ein bewegtes Leben durch die halbe Welt, unter anderem als Missionar auf den Fidschi-Inseln. Berühmtheit erlangte er vor allem aus musikalischen Gründen: Wasner war der künstlerische Leiter der „Trapp Family Singers“, auch die meisten Arrangements der Trapp-Familie stammen von ihm. Das wunderbare Lied „Im Mondlicht“ ist in seiner späten Zeit in Rom entstanden und trägt in seiner deutlich spätromantisch-impressionistische Züge. Besonderer Dank gebührt Markus Bürscher für den Hinweis auf das Liedschaffen Wasners Idee und die Organisation der Noten des noch unedierten Werks.
Den Abschluss des Symposiums bildete ein historisches Geschmackserlebnis, indem den TeilnehmerInnen ein Gericht, wie es im 18. Jahrhundert beliebt war, kredenzt wurde – frei nach dem Motto „Essen wie ein Dorfpfarrer“. Auf dem Speiseplan stand eine mit Gewürzen verfeinerte, in Brotschalen servierte Hühnersuppe mit gedämpften Äpfeln.
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