Pensionen: Geschlechtergerechtigkeit verlangt Systemwechsel
[Wien, 26.2.2016, PA] Wenige Chancen, durch Veränderungen innerhalb des in Österreich etablierten Pensionssystems zu mehr Verteilungs- und damit Geschlechtergerechtigkeit für Menschen im Alter zu kommen, sieht die Katholische Frauenbewegung Österreichs. „Unser Pensionssystem setzt die Schieflagen, die durch die Fixierung auf einen überholten Arbeitsbegriff entstehen, fort“, so Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs: „Wer wenig gut bezahlte Erwerbsarbeit leisten konnte, weil nur prekäre Jobs zur Verfügung standen, wer Zeiten der Arbeitslosigkeit oder unbezahlten Betreuungsarbeit in seiner Erwerbsarbeitskarriere verzeichnet, der bzw. die wird auch im Alter schlechter abgesichert sein.“
Was es langfristig brauche, sei eine Neubewertung von Arbeit sowie ein Systemwechsel hin zu einer existentiellen Grundsicherung von allen Frauen und Männern während der gesamten Lebenszeit, unabhängig von Erwerbsarbeit.
Immer noch orientierten sich Arbeitsbegriff sowie Systeme der sozialen Sicherung am Modell der durchgängigen Vollzeiterwerbsarbeit, so Pernsteiner, und bedingten dadurch Nachteile für wachsende Teile der Bevölkerung: atypisch und prekär Beschäftigte, Erwerbsarbeitslose, Menschen, die unentgeltlich Care-Arbeit verrichteten. In der Mehrzahl seien das Frauen, deren Alterssicherung im bestehenden Pensionssystem durch die klaffende Lohnschere zusätzlich verschlechtert werde. Der Ausgleichszulagenrichtsatz sei zwar eine gewisse minimale Sicherung, durch die Bindung an das PartnerInnenabkommen aber kein grundsätzlicher Anspruch mit ausreichender Verteilungswirkung.
„Eine Neubewertung von Arbeit müsste alle von Menschen verrichteten Tätigkeiten umfassen und anerkennen, Erwerbsarbeit genauso wie Sorgearbeit im privaten Umfeld, ehrenamtliche oder Gemeinwesenarbeit“, so Pernsteiner. Unterschiedliche Modelle, die dies berücksichtigten und ein von Erwerbsarbeit abgekoppeltes System der sozialen Sicherung - auch für Menschen im Alter - definierten, hielten Wissenschaft und Zivilgesellschaft seit langem bereit, sie müssten von allen politischen Parteien als ernst zu nehmende Alternativen endlich registriert und diskutiert werden.
Voraussetzung dafür sei die Bereitschaft, Instrumentarien für eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, wie etwa das Steuersystem, entsprechend zu nutzen. „Die Pensionsfrage ist keine Generationenfrage, sondern eine Frage des Verhältnisses von Kapital und Arbeit, von Vermögenden und Nicht-Vermögenden, von Männern und Frauen“, so Veronika Pernsteiner. Eine politische Entscheidung sei gefragt.
Pernsteiner erinnert in diesem Zusammenhang auch an den alle vier Jahre am 29. Februar begangenen Tag der „Santa Precaria“, mit dem die Katholische Frauenbewegung und zahlreiche andere Organisationen aus Kirche und Gesellschaft – darunter Armutskonferenz, Gewerkschaften, Katholische ArbeitenehmerInnenbewegung, attac und Arbeiterkammer – auf die wachsende Zahl von Frauen hinweisen, die dem Prekariat ausgesetzt sind – als Niedrigverdienerinnen in instabilen Arbeitsverhältnissen, unzureichend sozial abgesichert, den Forderungen nach Flexibilität seitens der Wirtschaft ausgesetzt: „Dass dieser Jahrestag heuer mit dem Pensionsgipfel der österreichischen Regierung zusammenfällt, verleiht den Anliegen der InitiatorInnen der ´Santa Precaria` umsomehr Nachdruck“, erklärt Pernsteiner.
Beim bevorstehenden Pensionsgipfel sollte überdies die Notwendigkeit bedacht werden, dass für ein erfolgreiches Umlageverfahren ein adäquates Verhältnis von Einzahlenden und ZahlungsempfängerInnen hergestellt sein müsse. Die demographische Entwicklung in Österreich mache es offenkundig erforderlich, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Das sei sowohl eine Herausforderung im Blick auf die Verteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens und die Belastung des Faktors Arbeit als auch eine Chance hinsichtlich der langfristigen Integration von Flüchtlingen.
Quelle: kfb ö
2016/02/26 sas