Musik, meine Kraftquelle und Stärkung des Glaubens

Warum ich hier im Mariendom Linz zwischen der alten und der neuen Chor-Orgel stehe, mit dem Blick auf die berühmte Rudigierorgel im rückwertigen Raum, mit ihren imposanten riesigen Pfeifen und den vielen Registern.
Ich bin Musikerin, Geigerin im Domorchester, hier ist mein Platz und hier darf ich die wunderbaren Werke der Kirchenmusik spielen. Für die Gemeinde und auch für mich. Was macht die Kirchenmusik so besonders? Ist Musik nicht immer ein Geschenk?
Musik bringt etwas in Schwingung und lässt uns mitschwingen. Bewegt uns wegen der Schallwellen, rührt uns wegen der Klangfarben, wegen der Kraft der Dynamik, also laut und leise. Musik wirkt am besten, wenn sie dankbar, fast absichtslos, ehrfürchtig und in angemessener Dosis angenommen wird. Die Berieselung in den Kaufhäusern zur Gewinnmaximierung ist Ausnutzung der Kunst und führt zur Stumpfheit und zum Verdruss. Wir brauchen eine gute Balance, also auch Stille. Und die gibt diese Kirche mit ihrer großartigen Architektur in besonderer Weise.
Meine ersten Erfahrungen mit einem Kraftplatz Kirche habe ich nach einem Autounfall gemacht. Als Achtzehnjährige zwang mich meine fehlende Kraft zum Verweilen in einer kleinen Bergkapelle in Bad Schallerbach. Meine Finger waren gelähmt, mein Ellbogengelenk wegen eines Trümmerbruches fast unbeweglich. Geigenspielen sollte nie mehr möglich sein. Auf der Kirchenbank sitzend, bekam ich einen Energieschub und eine Art Gewissheit, dass ich alles schaffen und auch wieder Geige spielen werde.
Seit damals suchte und suche ich immer wieder sakrale Räume auf, um Kraft zu tanken, oft auch wenn eine Orgel erklingt. Denn der Wechsel von Stille und Klang, von Wort und Musik macht das Menschsein so schön wie der von Begegnung, Berührung und Alleinsein.
Warum ich gläubig und in der Kirche bin? Im Christentum wird gegenüber anderen Religionen das soziale Element betont. Nicht Selbstverwirklichung, sondern der Nächste steht im Vordergrund. Das ist mir sehr wichtig. Das heißt aber nicht, dass ich der Institution Kirche unkritisch gegenüberstehe und mich die Unbeweglichkeiten im System nicht massiv stören, aber deshalb die Möglichkeit es zu verändern aufzugeben indem ich austrete? Wir sind Menschen und machen Fehler. Natürlich auch ausreichend in der Kirche. Aber kaufe ich kein Brot mehr, weil es Bäcker gibt, die gemordet haben? Gehe ich zu keiner Wahl, weil es korrupte Politiker gibt? Oder kaufe ich keine Kleidung, weil es Kriminelle in dieser Branche gibt? Dann dürfte ich nirgendwohin mehr gehen.
Mir scheint der Geist der Kirche nach 2000 Jahren Durchhaltevermögen stabil. Da sehe ich etwas Unzerstörbares, etwas Heiliges. Die Lehre selbst mit ihrem Nahostkolorit muss in Bewegung bleiben und braucht doch auch Unveränderbares, aber was sie nicht braucht, sind selbstverliebte, machtbesessene starre Protagonisten.
Zurück zur Musik. Sie ist stärker als das Bild und unterstützt das Wort.
Im Dom gibt es sehr gute Organisten, Kapellmeister, Sänger und Instrumentalisten, die mit ihrer Musik das Feiern besonders wertvoll machen und das Wort verstärken. Ob es Monumentalwerke von Bruckner, oder beliebte Messen von Haydn, Mozart oder Schubert sind, Gitarre begleitete Lieder oder reine Vokalmessen der Renaissance, eine große Auswahl steht zur Verfügung. Das sind unglaubliche Schätze. Schon in meiner Zeit im Musikgymnasium durften wir hier viele Werke wie das Mozart Requiem, die Krönungsmesse, die c-Moll Messe singen und musizieren und uns durch die großen späten Haydnmessen mit ihrer Frohnatur aufheitern lassen.
Nicht unerwähnt bleiben darf auch die große Kraft der Musik Erinnerungen zu bewahren und wieder zurückzuholen, was auch durch die Gehirnforschung belegt ist.
Heuer im Brucknerjahr kann man an vielen Orten und natürlich auch hier im Dom die so sehr vor Kraft und Hoffnung erfüllten (non confundar in aeternum zB im Te Deum) großen Brucknermessen hören, die so viele intime Momente eines gläubigen Beters vergegenwärtigen, (et incarnatus est in der d- Moll Messe). Sie berühren, wie die Requien, seien sie von Gabriel Faure, Johannes Brahms oder Mozart, die Kraft geben, weil sie voller Trost und Auferstehungsglaube sind. Die Messen Haydns, die er in Zeiten des Krieges geschrieben hat, hingegen können helfen Auswege aus Konflikten zu finden.
Natürlich ist mir nicht nur die Musik, sondern sind mir auch die Predigten wichtig. Es gibt immer wieder begnadete Menschen, die ihre Sichtweise, Gedanken und ihren Glauben authentisch teilen, sodass man ihnen und mit ihnen glauben kann. Sie sind durch ihren Glauben Stütze und Hilfe.
Es wird oft vergessen, dass die Schriften von Menschen mit ihren jeweiligen Lebensgeschichten geschrieben wurden nicht wörtlich zu nehmen sind und oft eine Anleitung brauchen, um sie verstehen zu können. Manche sind (für mich) Weltliteratur, wie der Paulusbrief über die Liebe oder das Hohe Lied im Alten Testament.
Wenn ich nicht spiele, dann singe ich. Singen ist Balsam für die Seele, ermöglicht weit in sich vorzudringen und zu heilen. Man muss nicht Chorsängerin sein, Gelegenheit bietet jeder Gottesdienst mit den Liedern aus dem Gotteslob und genauso ein Stadion beim Anfeuern der Sportlerinnen oder Sportler. Als Gesangslehrerin weiß ich, wie befreiend und gesund singen ist. Auch unser Domchor freut sich immer über neue Mitglieder und es ist ein besonderes Erlebnis dem Glauben seine Stimme zu geben. Eine besondere Ruhe und Kraft geben auch die einstimmigen Gregorianische Gesänge. Manchmal gibt es auch Gelegenheit sie im Dom zu hören.
Vielleicht kann ihnen die Musik in der Kirche und im Leben eine gute Begleiterin sein oder werden und auch wie bei mir wieder eine Tür zum Glauben öffnen.