Bitte berühren!

Können Sie sich auch für Handwerk und Handarbeit begeistern? Wenn etwas repariert wird oder Schäden ausgebessert werden oder wenn etwas durch handwerkliches Können ganz neu geschaffen wird, dann bin ich dabei.
Auf Holzpaletten wurden hier von der Dombauhütte auseinandergebrochene Kreuzblumen, abgerissene Teile der Außengalerie und beschädigte Brüstungselemente aufgelegt und dazu die Verursacher der Schäden benannt: Absturz, Rostsprengung, Sturmereignis. Neue Elemente werden in Handarbeit erschaffen. Viele Menschen haben hier im Dom schon Hand angelegt; durch ihr Vertrautsein mit dem Dom, ihren beständigen, kritischen Blick auf die Substanz und die Beobachtung der Schäden sowie durch ihr Durchhaltevermögen bei der ständigen Restaurierung wird verhindert, dass manche Teile des Doms sehr rasch dem Verfall preisgegeben werden. Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, dass bei all den hier ausgestellten Elementen dabeisteht: Bitte berühren!
Als ich am Abend des 27. Juni in den Kunstraum des Mariendom kam, war ich neugierig, wie die Bildhauerin Theresa Limberger die Idee der Künstlerin Esther Strauß umgesetzt hat. Wird sie durch ihr handwerkliches Können den Akt der Geburt so erschaffen können, dass er mich und andere berührt?
Ich näherte mich dieser ungewohnten Mariendarstellung , die uns im Team der DonnaStage-Frauen seit ihrer Idee faszinierte: Maria im Akt der Geburt, noch nie dargestellt und dabei so selbstverständlich. Zunächst waren es die abgestützten Hände, der emporgestreckte Kopf, die angespannten Beine und der gewölbte Bauch – sie veranschaulichen den Kraftakt der Geburt in seiner Verletzlichkeit. „So kommen Kinder auf die Welt“, sagte eine Bekannte neben mir, die mich mit ihrer Anwesenheit bei der Vernissage überrascht, ganz entspannt. Wir betrachteten gemeinsam die Skulptur genauer, das Sichtbarwerden des Kopfes im Scheideneingang, die Darstellung des Oberkörpers unter der Kleidung. Die Bildhauerin hat es sehr gut gemacht, diese Darstellung der Geburt rührte uns an.
Dass vier Tage später dieser Skulptur der Kopf abgesägt wurde und sich ein angeblicher Held zu diesem gewalttätigen Akt bekannte, irritiert mich immer noch. Helden sind für mich Menschen, zu denen ich aufblicken kann. Heldenbilder werden konstruiert, ja, und sie sind auch Einfallstore für Manipulation und Missbrauch. Deshalb wahre ich eher Abstand zu irgendwelchen Heldenfiguren. Menschen, die über sich hinauswachsen, sind aber für mich Helden. Sie nehmen nicht den Kampf mit etwas auf, sondern sind vielmehr Gelegenheitshelden, die sich für etwas einsetzen und dabei über sich hinauswachsen. Deshalb waren in den ersten Tagen nach dem Aufstellen der Skulptur die Mitarbeiterinnen im Domcenter und alle, die sich den Anfragen und Angriffen mancher Leute in dieser Angelegenheit aussetzen mussten, Heldinnen.
Mit dieser neuen und ungewohnten Mariendarstellung ist eine intensive Diskussion entfacht worden. Sie hat viele nicht unberührt zurückgelassen und ein ganz neues Marienbild aufgezeigt, denn sie war neu und unerwartet. Das Absägen des Kopfes und die Mitnahme desselben hat für mich und für viele auf brutale Weise eine Grenze überschritten.
Ich bin jetzt noch berührt von den mutigen Frauen, der Bildhauerin, der Künstlerin und allen, die diese Skulptur ermöglicht haben, sowie von all denen, die sich mit mir überraschen ließen von einer ganz neuen Mariendarstellung. Ich freue mich immer mehr, dass ich in „Crowning“ eine Maria sehen konnte, in der sie mir als Frau näher kam als in den vielen, die ich bis dahin gesehen habe. Hoffentlich werden sich auch in Zukunft Handarbeit und Handwerk an dieses Thema herantasten.