Wenn man hier steht, dann will man etwas sagen
Ich bin Seelsorgerin. Es ist mein Traumberuf – nicht immer, aber die meiste Zeit schon. Als Seelsorgerin am Mariendom stehe ich sehr oft hier beim Ambo und es ist einer meiner Lieblingsplätze. Es ist ein sehr prominenter Platz im Zentrum, wenn man hier steht, dann will man etwas sagen, dann wird man gehört und gesehen. So habe ich schon relativ früh meinen Platz innerhalb der Kirche gesehen. Mittendrinn statt nur dabei. Wenn man etwas verändern will, dann muss man sich zeigen und den Mund aufmachen, das war das Motto in meiner Jugendzeit, vor allem auch während meiner aktiven Zeit als ehrenamtliche Vorsitzende in der Katholischen Jugend OÖ.
Der Ambo ist aber für mich kein Ort, wo man einfach nur etwas rausposaunt. Er ist für mich zu einem sehr spirituellen Ort geworden. Wenn ich mich auf eine Predigt vorbereite, dann ist das nicht in ein oder zwei Stunden erledigt. Ich versuche die biblischen Texte so nahe wie möglich an mich heranzulassen, das ist nicht immer einfach. Was will der Text sagen, was kann er heute noch sagen, was spricht an, was stößt ab? Ich bin aufmerksamer in meinem Alltag, weil er mir mögliche Themen für den Predigttext bringt. Ich überlege, mit welchen Gedanken ich die Menschen in die nächste Woche schicken möchte. Ich bin zutiefst überzeugt, dass der christliche Glaube eine gute Orientierung dafür sein kann, dass meine Handlungen lebensförderlich sind und möglichst wenig Leben vernichtet. Der Glaube an Jesus Christus hat für mich eine zutiefst politische Dimension, denn er zeigt sich in meinem Denken, Sprechen und in meinen Taten.
Wenn ich hier am Ambo stehe, dann habe ich zu meiner rechten Seite das Friedensfenster, mit den sieben Werken der Barmherzigkeit, und zu meiner linken Seite das Kriegsfenster, mit den sieben Wurzelsünden. In der Mitte stehe ich als Seelsorgerin, als Frau, als Partnerin, als Mutter, als Freundin, als Mensch. Und die Entscheidung liegt an mir, welche Handlungen ich setze. Handlungen, die lebensförderlich sind, die zum Frieden führen, oder Handlungen die Leben vernichten. Der christliche Glaube, die biblischen Texte, die Tradition bieten sich dafür als reicher Erfahrungsschatz an. Als Seelsorgerin, die hier an diesem Ort steht und predigt, ist es meine Aufgabe sie zugänglich, verstehbar und alltagstauglich zu machen. Das erfüllt mich und tue ich gleichzeitig auch mit einem großen Respekt.