„Fleisch, lebe wohl!“
Als die ersten christlichen Mönche in die syrische und ägyptische Wüste gingen, um dort in Einsiedeleien ihren Glauben zu leben, übernahmen sie von der griechischen Philosophenschule des Pythagoras deren strenge Fastenpraxis. Tierliche Nahrung, so waren sie überzeugt, ist etwas anderes als pflanzliche Nahrung. Daher lebten die Mönche konsequent vegetarisch, teilweise sogar vegan. Wie Adam und Eva im Paradies nur von grünen Pflanzen lebten (Gen 1,29), so wollten auch sie darauf verzichten, Tiere zu töten.
Aus dem Fleischverzicht der frühen Mönche entwickelte sich bald die Fleischabstinenz aller Christ*innen an den Mittwochen und Freitagen des gesamten Jahres und ab dem 4. oder 5. Jahrhundert auch an den vierzig Tagen der Fastenzeit. Vom Aschermittwoch bis Ostern aß man kein Fleisch und tierliches Fett. So entstand der „Karneval“, wörtlich übersetzt „Fleisch, lebe wohl!“, mit viel Fettgebackenem und viel Fleisch, damit die tierlichen Lebensmittel während der vierzig Tage nicht verdarben.
Von Fischen und Wasserbau. Geschichte des christlichen Fastens
Der Fisch hingegen wurde erst im 11. Jahrhundert zur erlaubten Fastenspeise, weil man während der langen und harten Winter nördlich der Alpen in Ermangelung frischer Pflanzennahrung sonst verhungert wäre. Die Zisterzienser, die damals gegründet wurden, blieben fast 1000 Jahre lang die europäischen Wasserbauspezialisten und Fischzüchter par excellence. Heute jedoch sind auch nördlich der Alpen ganzjährig genügend pflanzliche Lebensmittel verfügbar. Der Fisch als Fastenspeise ist daher überholt und gehört abgeschafft.
Martin Luther und die Reformation schafften das verpflichtende Fasten ab. Den Reformatoren war es zu leistungsbetont. Die orthodoxe Kirche hingegen fastet bis heute sehr streng. Für ihre Mitglieder spielt der Fleischverzicht nach wie vor eine bedeutende Rolle. In der katholischen Kirche galten bis in die Jahre nach dem II. Weltkrieg strenge Fastenregeln. Dann schaffte sie das II. Vatikanische Konzil (1962 – 1965) ab. So gilt gegenwärtig nur noch am Aschermittwoch und am Karfreitag ein striktes Gebot der Fleischabstinenz. An den Freitagen des Jahres sollen gläubige KatholikInnen auf Fleisch verzichten oder einen anderen vergleichbaren Verzicht leisten. Daran halten sich jedoch die meisten schon lange nicht mehr.
Zwischen Veggie-Day und Freitagsfasten. Säkularer und religiöser Fleischverzicht heute
Die säkulare Umweltbewegung hingegen hat das Fleischfasten in den letzten Jahrzehnten neu entdeckt. In Großbritannien gibt es den „meat free Monday“, in Skandinavien ist der Donnerstag der „veggie day“, in Oberösterreich der „Fleisch-Frei-Tag“. Was früher einmal rund um den Globus am selben Wochentag praktiziert wurde, hat sich in verschiedene Wochentage aufgespalten. Doch die Fastenzeit hat zumindest auf der Nordhalbkugel noch eine gewisse Universalität. Sie lädt auch heute ein, 40 Tage fleischfrei zu leben.
Zugleich erleben Fasten und Fleischverzicht sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche eine Renaissance. Eine neue Verbundenheit der ChristInnen untereinander ist hier am Wachsen. Fasten baut aber auch eine Brücke zu anderen Religionen, besonders zum Islam. Auch wenn der Fastenmonat Ramadan nicht immer ins Frühjahr fällt, schätzen es Gläubige beider Religionen, dass sie alljährlich einmal für längere Zeit fasten.
Der Vorteil fester Zeiten. Fasten in der individualisierten Moderne
Feste Zeiten und Rhythmen haben für den Menschen vielfache Bedeutung. Erstens muss man nicht jedes Jahr neu überlegen, wann man fastet. Es gibt einen festen Termin, und die Medien erinnern alljährlich daran. Man kann ihn kaum übersehen oder vergessen. Zweitens fasten in der klassischen christlichen Fastenzeit ziemlich viele Menschen – sogar solche, die höchstens an Weihnachten oder Ostern in die Kirche gehen. Und es ist einfach viel leichter, gemeinsam zu fasten als alleine. Und drittens ist eine alljährliche feste Zeit fleischfreier Ernährung ein sanfter Schubser, um über das eigene Ernährungsverhalten nachzudenken.
(F.d.I.v.Viola Haas, Katholische Jungschar/Kinderpastoral
Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, diözesaner Umweltsprecher)