Fleisch und sein schaler Beigeschmack
Wenn man sich die gegenwärtige Praxis unseres Fleischkonsums anschaut, dann ist diese voller Widersprüche und problematischer Entwicklungen. Heimische Landwirt*innen mit Tierhaltung tun sich immer schwerer, von ihren Einnahmen leben zu können. Der lange Arm unserer Tierhaltung reicht aber bis nach Südamerika, von wo wir große Mengen an Tierfutter importieren, oft unter Inkaufnahme von Umweltzerstörung und Verarmung der dortigen Bevölkerung. Und schließlich hat der hohe Fleischkonsum in den Industrieländern negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit, auf das Tierwohl und auf die Umwelt. Einiges davon soll im Folgenden dargestellt werden.
Zusammenhänge erkennen. Einige allgemeine Zahlen
Laut Statistik Austria wurden 2021 in Österreich 1.846.000 Rinder in 54.400 Betrieben gehalten, also etwa 34 pro Betrieb. Davon sind ungefähr 531.000 Milchkühe. Der Schweinebestand beträgt 2.734.000 Tiere in 21.000 Betrieben, also 130 pro Betrieb, die fast zur Gänze in Ober- und Niederösterreich sowie in der Steiermark liegen. Während sich die Zahl der Rinder und Schweine in den letzten zehn Jahren jeweils um etwa 10 Prozent verringert hat, ist die Zahl der Betriebe um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen. Das bedeutet, dass die Zahl der Tiere in einem Betrieb langsam, aber stetig wächst.
Der Selbstversorgungsgrad, der angibt, inwieweit die heimische Landwirtschaft in der Lage ist, den inländischen Bedarf abzudecken, beträgt für Rind- und Kalbfleisch 142 Prozent, für Schweinefleisch 102 Prozent, für Geflügelfleisch hingegen nur 72 Prozent und für Fisch sogar nur sechs Prozent. Österreich exportiert also Rindfleisch und importiert Geflügelfleisch und Fisch und zusätzlich etwa 18 Prozent aller Eiweißfuttermittel für die Tiere, vor allem Soja- und Rapsschrot.
Aus Verbraucher*innensicht werden gegenwärtig rund 63 Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr verzehrt – mit leicht sinkender Tendenz.
Wie hoch ist das Einkommen für ein Mast-Tiers pro Tag? Rechnet man die Schlachtpreise auf die Masttage herunter, bekommen Landwirt*innen für einen Ochsen aus konventioneller Landwirtschaft ungefähr 2 Euro pro Masttag, aus ökologischer Landwirtschaft ungefähr 2,50 Euro. Für Mastschweine erlösen sie pro Masttag 1 Euro bei konventioneller und 2 Euro bei ökologischer Landwirtschaft.
Niedrigeinkommen und Höfesterben. Auswirkungen auf die Landwirt*innen
Das durchschnittliche Jahreseinkommen österreichischer (Vollzeit-)Landwirt*innen beträgt brutto ungefähr 25.300 Euro. Das sind 14 Prozent weniger als das Durchschnittsgehalt aller Österreicher*innen. Dabei arbeiten die meisten Landwirt*innen weit mehr als vierzig Stunden pro Woche, und wenn sie Tiere halten, müssen sie sieben Tage in der Woche präsent sein. Insgesamt sind das Bedingungen, die man ohne echte „Berufung“ und Idealismus kaum auf sich nehmen würde.
Angesichts dieser Fakten verwundert es wenig, dass in Österreich jährlich etwa 1.200 der 160.000 landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben werden. Zudem gehört die Landwirtschaft zu den Branchen mit einer weit überdurchschnittlichen Suizidrate (Malmberg et al. 1997; Judd et al. 2006; Watzka 2008).
Landkonflikte und Hunger. Auswirkungen auf ärmere Länder
In einer auf maximale Effizienz ausgerichteten Tierhaltung ist Soja aufgrund seines hohen Proteingehalts der wichtigste Bestandteil im Futter. Knapp 90 Prozent des weltweit angebauten Sojas landen in Futtertrögen. Eine 2020 im Magazin Science veröffentlichte Studie belegt, dass 20 Prozent der europäischen Soja-Importe aus Brasilien von illegal abgeholztem Land stammen. Somit hängt der Fleischkonsum in Europa nicht nur unmittelbar mit Regenwaldrodungen zusammen, sondern auch mit deren negativen Auswirkungen auf Klima und Biodiversität sowie Landkonflikten und Verletzungen der Rechte indigener Gemeinschaften. Die Bio-Landwirtschaft verzichtet daher auf Soja-Importe.
Wenn alle Menschen auf dem Planeten Erde so viel Fleisch essen würden wie wir in den Industrieländern, dann wäre das globale Ökosystem hoffnungslos überfordert. Schon jetzt ist eine Milliarde Menschen unter- oder mangelernährt. Der steigende Fleischkonsum in den Schwellenländern mahnt daher dringend, schnellstmöglich Lebensstile mit geringerem Fleischkonsum zu entwickeln.
Verringerte Lebenserwartung. Auswirkungen auf die Gesundheit
Zahlreiche medizinische Studien zeigen, dass übermäßiger Fleischkonsum die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darmkrebs, Stoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöht. Dennoch sieht die Wirklichkeit so aus, dass Männer rund drei- bis viermal so viel verzehren wie maximal empfohlen, Frauen eineinhalb- bis zweimal so viel (Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien/ Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Österreichischer Ernährungsbericht 2017, 44, https://ernaehrungsbericht.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/dep_ernaehrung/forschung/ernaehrungsberichte/erna_hrungsbericht2017_web_20171018.pdf).
In Industrieländern wie Österreich ist der größte Teil aller Erkrankungen ernährungsbedingt – und das liegt bei manchen Erkrankungen unter anderem am übermäßigen Fleischverzehr. Dessen deutliche Reduktion würde vielen Menschen ein längeres und gesünderes Leben ermöglichen.
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Beengte Ställe und wenig Freiheit. Auswirkungen auf die Tiere
Für einen Tag Mast bekommen Landwirt*innen 2 bis 2,50 Euro pro Rind und 1 bis 2 Euro pro Schwein. Davon kann weder ein gutes Gehalt der Tierhalter*innen noch eine gute Haltung der Tiere finanziert werden. Rinder bekommen in Österreichs Familienbetrieben wenigstens im Sommerhalbjahr Möglichkeiten zum Weidegang, Bio-Rinder sogar ganzjährig. Doch Mastschweine – und das sind doppelt so viele wie Mastrinder – stehen bzw. liegen meist ihr Leben lang im engen Stall auf sogenannten Vollspaltenböden, durch die ihre Exkremente nach unten fallen. Obwohl sie zu den intelligentesten Säugetieren gehören, stehen ihnen kaum Möglichkeiten der kreativen Beschäftigung zur Verfügung.
Schäden für Klima und Lebensvielfalt. Auswirkungen auf die Umwelt
Um Futter für mehr Tiere zu gewinnen, wurden in Österreich in den letzten einhundert Jahren viele Feuchtwiesen trockengelegt und viele Magerwiesen stark überdüngt. Statt vorher zweimal werden Wiesen nun viermal geschnitten. Wiesenblumen gelangen gar nicht mehr zur Blüte und können so keine Insekten ernähren. Damit sind diese Flächen, die vorher absolute Hotspots der Biodiversität waren, für den Erhalt der Artenvielfalt verloren. Zugleich werden durch die Überdüngung viele Gewässer belastet.
Treibhausgase wie Methan und Lachgas heizen den Klimawandel zusätzlich an. In Österreich macht allein die Nutztierhaltung die Hälfte der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen aus. Dabei wird der Import von Fleisch und Futtermitteln aus dem Ausland noch gar nicht miteingerechnet (Global 2000, Fleischatlas 2021, https://www.global2000.at/sites/global/files/Fleischatlas-2021.pdf). Umgerechnet ist ein Kilogramm Fleisch für das Klima genauso schädlich wie eine Autofahrt von 250 Kilometern (Österreichische Umweltberatung, Klimaschutz mit gesunder Ernährung, https://www.umweltberatung.at/download/?id=Klimaschutz_mit_gesunder_Ernaehrung_Ernaehrung-1155-umweltberatung.pdf).
Noch mehr zum Thema:
Der Fleischatlas 2021 beschäftigt sich mit dem Fleischkonsum in Österreich und weltweit: https://www.global2000.at/sites/global/files/Fleischatlas-2021.pdf
(F.d.I.v.Viola Haas, Katholische Jungschar/Kinderpastoral
Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, diözesaner Umweltsprecher)