Arbeitslos macht sprachlos.
Das erste Mal in meinem Leben! Ich, die immer arbeiten gegangen ist, musste zum AMS gehen. Ich habe mich so geschämt. Ich dachte, jetzt gehörst du auch zu denen, die keine Arbeit haben und von der Gesellschaft schief angeschaut werden.
Ich habe mein ganzes Leben lang hart gearbeitet. Mit 15 Jahren habe ich in einer Möbelpackfirma begonnen und dort bis zu meinem 56. Lebensjahr gearbeitet. Dann sperrte meine Firma zu und ich war arbeitslos.
Ich kam mir so nutzlos, so minderwertig und aussortiert vor.
Durch meinen früheren Job kannte ich viele Leute. Wenn sie mich auf der Straße trafen, fragten sie mich: „Arbeiten Sie nicht mehr in der Firma? Sind Sie schon in Pension?“ Ich musste mir immer Ausreden suchen. Ich wollte niemandem sagen, dass ich arbeitslos bin, weil ich mich schämte.
Finanziell ging´s halbwegs, ich bin eine Sparmeisterin und habe immer sehr billig gekocht. Wenn mir ein Brot hart wurde, ging ich nächsten Tag ein Schlagobers und einen Sauerrahm einkaufen und machte mir eine Rahmsuppe. Was mir schon ein wenig weh tat war, dass ich mit meinen Freundinnen nicht mehr so oft ins Kaffeehaus gehen konnte. Aber die wussten ja, dass ich arbeitslos war und haben mich dann mal auf ein Frühstück eingeladen. Das hat mich sehr gefreut. Ich lade sie jetzt ab und zu ein, das ist ein gutes Gefühl. Meine Mutter hingegen freute sich, denn ich hatte mehr Zeit für sie und besuchte sie jeden Tag. Das war auch für mich gut. Ansonsten hätte es Tage gegeben, da wäre ich nicht aus dem Bett gekommen. Ich saß viel vorm Fernseher um mich von meinen traurigen Gedanken und den Selbstvorwürfen abzulenken.
Ah so, sie sind Arbeitslosengeldbezieherin!
Ganz schlimm waren Arztbesuche für mich. Immer wenn ich bei der Anmeldung stand, sagt die Assis-tentin so laut, dass es alle hören konnten: „Ah so, sie sind Arbeitslosengeldbezieherin!“ Ich war sprach-los, konnte mich nicht wehren und ging nicht mehr zum Arzt. Ich habe mich so geschämt.
Beim AMS verlangten sie 5 Bewerbungen in der Woche von mir, ich habe aber in meinem Leben noch nie eine Bewerbung oder einen Lebenslauf geschrieben. So wurde ich zu einer Beratungsfirma geschickt, die das für mich machten. Das war mir schon sehr peinlich, dass ich das am Computer nicht selber schaffte. Ich kam mir so blöd vor.
Ich versuchte selber eine Arbeit zu finden und hatte Glück. Ich begann im Verkauf zu arbeiten. Ich schleppte den ganzen Tag Waren und schlichtete diese in die Kühlung. Nach einem Monat schaffte ich körperlich die Arbeit nicht mehr, musste kündigen und war wieder arbeitslos. Bei einem Erdbeerstand arbeitete ich anschließend die nächste Zeit. Die Arbeit machte mir Spaß. Doch leider war die Arbeit auf vier Monate beschränkt und ich musste schweren Herzens wieder zum AMS gehen.
Meine neue AMS-Betreuerin war eine verständnisvolle Frau. Sie sah, wie schlecht es mir ging und bot mir einen Platz über die Aktion 20.000 im Verkauf an. Ich war so froh, ich wurde gebraucht und bekam gute Rückmeldungen von meiner Chefin. Ich hatte wieder einen Tagesrhythmus und die Arbeit gab mir wieder Mut und Selbstbewusstsein. Leider war das Jahr schnell vorbei und die Aktion 20.000 ist ausgelaufen. Ich stand wieder ohne Arbeit da.
Ich weiß noch nicht, wie ich das schaffen werde!
Doch dann hat mich meine letzte Chefin angerufen und gefragt, ob ich wieder zurück möchte. Ich sagte natürlich sofort ja! Bis Ende Mai 2021 bin ich in der Firma, helfe mit bei der Übersiedlung und freue mich auf meine Pension. Denn dann ist es ja legal, dass ich keiner bezahlten Arbeit mehr nachgehe. Sorgen bereitet mir die Höhe meiner Pension. Wegen der Arbeitslosigkeit bekomme ich um einiges weniger an Geld. Ich weiß noch nicht, wie ich das schaffen werde!
* Foto und Name geändert.
© Barbara Mitterndorfer-Ehrenfellner