Neue Modelle der Arbeit - Arbeit neu denken

Wichtige Tätigkeiten, die z.B. unbezahlt im Haushalt stattfinden, zählen nicht als richtige Arbeit. Es kann aber nicht darum gehen, alle Arbeit in Erwerbsarbeit umzuwandeln, weil es unterschiedliche Qualitäten von Tätigkeiten gibt und nicht jede Tätigkeit, wie z.B. die Pflegearbeit beliebig schneller und arbeitsteiliger organisiert werden kann.
In unserem System sind Wirtschaftsleistung und Sozialleistungen über die Umverteilung von Steuergeldern aneinander gekoppelt in Form von Arbeitslosengeld, Pension etc. Dieses System hat für sozialen Frieden gesorgt, birgt aber auch ungelöste Probleme. Wenn beispielsweise Unternehmen bei den Arbeitskosten sparen, weil sie wettbewerbsfähig sein müssen, belasten mehr arbeitslose Menschen das Sozialsystem. Umgekehrt fehlen Steuergelder, wenn Unternehmen schließen, weil sie nicht modernisieren. In der Nachkriegszeit hatte man sich auf wettbewerbseinschränkende Regulierungen und auf relativ hohe Steuern, die die Sozialleistungen sichern, politisch und sozialpartnerschaftlich geeinigt. Diese Regulierungen werden seit den 1980er Jahren wieder zurückgenommen. Das Paradoxe daran ist, dass man mit den Deregulierungsmaßnahmen einerseits neue Arbeitsplätze geschaffen hat, gleichzeitig wurden noch mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit gedrängt.
In Österreich ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie noch nie. Ungefähr 500.000 Menschen benötigen dringend eine Erwerbsarbeit. Wo liegen die Ursachen, wo sind Lösungsansätze?
Die Ursachen sehe ich in der stark wettbewerbsgetriebenen Wirtschaft, welche Arbeitslosigkeit systematisch produziert. Man könnte erneut wettbewerbsbeschränkende Gesetze einführen, allerdings kann dies nur EUweit erfolgen, da sich Wirtschaft längst nicht mehr innerhalb von nationalen Grenzen abspielt. Eine andere Möglichkeit ist es, Einkommen von Arbeit zu entkoppeln. Damit ist gemeint, mit Sozialleistungen für ein kontinuierliches Einkommen trotz diskontinuierlicher Erwerbsarbeit zu sorgen. Darüber hinaus könnten andere Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Altenpflege, Weiterbildung, etc. in Form von Sozialversicherungsjahren u. Ä. anerkannt werden. Derzeit geht der Trend aber in Richtung Einschränkung der Sozialleistungen. Ein Abbau von Sozialleistungen bedeutet mehr Arbeitssuchende und damit mehr Druck im Wirtschaften, was die Wettbewerbsspirale wiederum anheizt. Arbeitslose sind dabei doppelte VerliererInnen – mit dem Ausschluss aus einem Erwerbseinkommen sind sie nicht nur vom materiellen Wohlstand ausgeschlossen. Derart finanziell beengt wird es immer schwieriger soziale Kontakte zu halten. Durch eine stärkere Entkopplung von Einkommen und Arbeit könnte man den erwirtschafteten Wohlstand besser auf alle Gesellschaftsmitglieder verteilen.
Welche Verbesserungen können neue Arbeitsmodelle für arbeitslose Menschen darstellen? Welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig, gesetzlich, in den Köpfen …?
Wichtig ist, ins Bewusstsein zu rücken, dass Erwerbsarbeit nicht die einzige Organisationsform ist, wie wir uns mit Gütern, Dienstleistungen und Einkommen versorgen können. Nicht alle lebenserhaltenden Tätigkeiten lassen sich nach industriellen Kriterien organisieren und in den meisten Bereichen haben wir eine empfindliche Grenze erreicht (z. B. in der Pflegearbeit). Ein Schlüssel für eine Trendumkehr wäre eine radikale Arbeitszeitverkürzung. Sie würde dafür sorgen, dass die Arbeit auf mehr Menschen verteilt wird und sie damit auch in das Erwerbssystem eingebunden sind. Gleichzeitig würde damit Zeit für andere wichtige Tätigkeitsformen, wie Versorgungsarbeit, politisches Engagement oder einfach Ruhe und Muße frei werden. Für die Umsetzung gibt es eine Reihe von Ideen: Flexible Arbeitszeitmodelle, erweiterte Karenzmodelle bis hin zu Freijahren oder Lebensarbeitszeitkonten, in die Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit eingebracht werden, um damit eine bezahlte Freistellung zu finanzieren. Ein weiteres Modell ist die „kurze Vollzeit“, mit einer radikalen Kürzung oder Halbierung der Arbeitszeit im Allgemeinen, wodurch sich eine neue Normalarbeitszeit für alle ergeben würde. Zugrunde liegt die Erkenntnis, dass die Wirtschaft nicht mehr wesentlich wachsen und es daher auch keine Vollbeschäftigung bei einer 40-Stunden Woche geben kann. In einer Tätigkeitsgesellschaft wird die Überbewertung der Lohnarbeit aufgegeben und andere Lebensbereiche werden mitgedacht, wenn es um eine gerechte Verteilung der Arbeit geht. Dazu zählen beispielsweise die Betreuungs- und Versorgungsarbeit, die Nachbarschaftshilfe oder die Eigenarbeit. Natürlich braucht es geeignete Strukturen, die das Arbeiten in unterschiedlichen Bereichen mit wechselnden Intensitäten ermöglichen. Dies wäre der Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzungen, die Einführung neuer
Sozialleistungen wie beispielsweise eines bedingungslosen Grundeinkommens, das an alle Bürger/innen unabhängig von ihrer Arbeitsfähigkeit gezahlt wird, Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Genossenschaften u.v.m. All diese Maßnahmen können für mehr Abwechslung in unserem Tun und eine gerechtere Wohlstandsverteilung sorgen.
Sabine Gruber ist Sozialwissenschafterin und Gemeinwesenentwicklerin. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit und alternative Ökonomien.