Unterstützung für Menschen in "Zwischenräumen"

Unser neues Projekt
Die Zielgruppe für unser Projekt sind Personen, die bereits längere Zeit vergeblich einen adäquaten Arbeitsplatz suchen, sich aber oftmals in „Zwischenräumen“ der Unterstützungssysteme wie Arbeitsmarktservice, Sozialhilfe, Pensionsversicherung, Gesundheitskasse, Angebote nach dem Chancengleichheitsgesetz etc. befinden.
Diese Menschen brauchen nach unseren ersten Erkenntnissen eine
- niederschwellige, ganzheitliche Betreuung mit dem
- One-Stop-Prinzip und mit einem multiprofessionellen Team, das mit
- Methodenvielfalt konsequent mit den Teilnehmenden an ihren
- konkreten Problemstellungen und mit ihren
- Ressourcen arbeitet.
Im Projekt sammeln wir Erkenntnisse aus der umfassenden Recherche des bestehenden Betreuungsangebotes und aus der Betreuung einzelner Menschen aus der Zielgruppe. Damit erarbeiten wir eine Konzeptskizze für ein Betreuungsmodell, das die Lücke in der bestehenden Angebotspalette schließen soll.
Für dieses Projekt ist Christina Hochhauser, die über langjährige Erfahrung in der Beratung verfügt, als Referentin seit Oktober 2022 mit einer Halbanstellung tätig.
Frau T. erhält Notstandshilfe vom AMS und bis vor Kurzem eine Aufzahlung aus der Sozialhilfe. Sie ist Anfang 40 und hat zwei schulpflichtige Kinder. In ihrem Heimatland hat sie keine Schule besucht und ist daher Analphabetin. Frau T. leidet unter massiven chronischen Schmerzen und Depressionen. Sie kam mit dem Ziel zu unserer Beratung, Arbeit aufzunehmen. Bereits beim ersten Termin stellte sich heraus, dass Frau T. aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen derzeit nicht arbeitsfähig ist.
Durch die Streichung der Sozialhilfe lebt sie mit ihren Kindern in sehr belastender Armut und kann Lebensmittel nur mit Unterstützung der Caritas kaufen. Das Ziel ist nun, die Vorgaben für die Sozialhilfe - 24 Bewerbungen im Monat - zu erfüllen. Dazu haben wir einen ehrenamtlichen Helfer gefunden, der mit Frau T. die geforderten Bewerbungen schreibt.
Da die Chancen von Frau T. auf einen Arbeitsplatz gesundheitsbedingt stark eingeschränkt sind, wäre eine Unterstützung nach dem Chancengleichheitsgesetz der bessere Weg. Dies ermöglicht Frau T. die Teilnahme an tagesstrukturierenden Angeboten, in denen sie wieder sinnvolle Tätigkeiten in Betrieben oder öffentlichen Einrichtungen nachgehen kann, die ihrem Gesundheitszustand entsprechen.
Herr J. ist Anfang 50 und hat keine Berufsausbildung, da er in seiner Heimat bereits in jungen Jahren arbeiten musste, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Seine Deutschkenntnisse beschränken sich auf das Mündliche. In der Vergangenheit hat er wochen- bis monateweise als Hilfsarbeiter für Leasingfirmen gearbeitet. Er berichtete von seinen schlechten Arbeitserfahrungen aber auch von seinem Traum, sich mit einem kleinen Lebensmittelgeschäft selbstständig zu machen.
Themen in der Beratung waren der Umgang mit Frustration, Ausbau des Durchhaltevermögens und die Entwicklung einer realistischen beruflichen Perspektive. Aufgrund der Schreib- und Leseschwäche haben wir eine wöchentliche ehrenamtliche Lernhilfe organisiert.
Wir motivierten ihn zu einer Bewerbung in einem sozialökonomischen Lebensmittelbetrieb, die von seinem AMS Berater befürwortet wurde. Nach Abschluss des achtwöchigen Schulungsprogramms ist er nun Teil des Teams und lernt dort jetzt alles, was für eine Stelle im Einzelhandel erforderlich ist.
Herr M. ist 53, langzeitarbeitslos und hat gesundheitliche Einschränkungen. In den letzten Jahren absolvierte er viele Bewerbungstrainingskurse und auch eine Lehre. Seine starken Rückenprobleme waren Thema in der Beratung beim AMS. Bei einigen Stellenangeboten traute er sich die körperliche Belastung nicht zu, so wurde sein AMS-Bezug zum ersten Mal gesperrt. Er suchte weiterhin erfolglos nach Jobs. Dazwischen wurde er immer wieder krank und konnte so einzelne Vorstellungstermine nicht wahrnehmen, dem AMS aber meldete er dies nicht. Dann wurde zum zweiten Mal sein Arbeitslosengeld gesperrt. Er musste sich eine billigere Wohnung suchen und gab dem AMS die neue Adresse bekannt. Aus unerklärlichen Gründen funktionierten aber Postzusendungen an die neue Adresse nicht. Den Kontakt zum AMS brach er ab, er wurde zum dritten Mal gesperrt. Jetzt ist er nicht mehr versichert und kann nicht mehr zum Arzt gehen. Die Probleme wuchsen ihm über den Kopf, er empfand seine Situation als hoffnungslos, er ist am Ende seiner Kräfte.
In unserer Beratung unterstützen wir Herrn M., dass er wieder Lebensmut fasst, sich etwas zutraut, sich seiner Fähigkeiten bewusst wird und nächste Schritte für ein selbstständiges Leben entwickeln kann.
Gemeinsam haben wir Bewerbungen abgeschickt und dies seinem AMS-Berater mitgeteilt, damit die Sperre des AMS-Bezuges möglichst rasch wieder aufgehoben wird.
Faktenbox
• Wenn eine vom AMS zugewiesene Stelle nicht angenommen wird, kann der AMS Bezug für 6 Wochen, beim zweiten Mal für 8 Wochen komplett eingestellt werden. In dieser Zeit gibt es auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
• Mit einer genauen Begründung kann eine Berufung gegen die Sperre des AMS Bezuges eingebracht werden. Dadurch können solche Sperren wieder aufgehoben werden. Jedoch erhalten die Betroffenen erst nach einigen Wochen Verzögerung das ihnen zustehende Geld nachbezahlt.
• Bei einem Einkommen unter der Höhe der Sozialhilfe, aktuell € 1.054,-, kann eine Aufzahlung zu den Bedingungen der Sozialhilfe, z.B. Bemühungspflicht, Vermögensverwertung etc. beantragt werden. Arbeitslose Bezieher:innen der Sozialhilfe müssen monatlich bis zu 24 Bewerbungen nachweisen.
• Die komplexen Vorgaben, die jede Sozialhilfestelle in OÖ anders festlegt und die strengen formellen Kriterien überfordern oft sogar Expert:innen. Dies erschwert für An-spruchsberechtigte den Zugang sehr. Halten sich die Bezieher:innen nicht an die Vorgaben, kann auch die Sozialhilfe komplett eingestellt werden.
• In einem sozialökonomischen Betrieb werden längere Zeit arbeitssuchende Menschen auf ihrem Weg der beruflichen Orientierung unterstützt. Die individuelle Betreuung ermöglicht persönliche Stabilisierung und die Bearbeitung sozialer Herausforderungen, um so eine gute Ausgangsposition für den Wiedereinstieg zu schaffen.
Download: info 138 | Juni 2023