Tag der Arbeitslosen 2022: Eindrücke von der Kundgebung am Martin-Luther-Platz
Menschenwürde und Respekt für arbeitslose Menschen
Christian Winkler, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung:
„Gut, dass wieder so viele Arbeit haben und Zahlen sinken, aber, nach wie vor sind es viel zu viele, die scheinbar niemand braucht, da es gleichzeitig viele offene Stellen gibt. Es braucht mehr Menschlichkeit statt marktwirtschaftlichem Denken. Es braucht mehr passende Betreuung, Beratung oder Unterstützung.“
Brigitte Hofer, Themenforum Arbeitslosigkeit im ÖGB und selbst Betroffene:
„Als arbeitsloser Mensch spürt man die Ausgrenzung aus der Gesellschaft unmittelbar, weil man sich Vieles nicht mehr leisten kann. Das schlimmste für mich war die Behandlung durch Firmen, beispielsweise, wenn man auf eine Bewerbung nicht einmal eine Antwort bekommt.“
Arbeitslosengeld auf mindestens 70% erhöhen
Stefan Guggenberger, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) OÖ:
„Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung – das steht einem zu. 9 von 10 arbeitslosen Menschen sind armutsgefährdet. BM Kocher macht Vorschläge zum degressiven Arbeitslosengeld, das erhöht den Druck nur noch mehr.“
Michaela Haunold, Caritas schildert das Leben konkret:
„Frau E. arbeitete in der Gastronomie, wenig Lohn, der mit Trinkgeld aufgebessert wird. Sie hat plötzlich ihre Arbeit verloren und bekommt nur mehr etwa die Hälfte von vorher. Das reicht nicht zum Leben, es braucht ein höheres Arbeitslosengeld. Oder, einer Frau mit zwei Kindern, 16 und 11 Jahre alt, nach Abzug aller fixen Ausgaben bleiben ihr € 100 zum Leben. Es ist kein Geld für die Schule da, für Materialien, Ausflüge etc.“
Mehr Unterstützung für langzeitarbeitslose Menschen
Christian Winkler, Bischöfliche Arbeitslosenstiftung:
„Ein Drittel der arbeitslosen Menschen ist länger als ein Jahr ohne langfristige Beschäftigung. Wer kann diese Menschen brauchen, welcher Betrieb gibt ihnen eine Chance? Statt den Druck weiter zu erhöhen, sollte es ihnen ermöglicht werden, ihre Fähigkeiten zu entdecken oder etwas auszuprobieren. Mit ausreichend Zeit könnten sie dann eine passende Arbeitsstelle finden, das wäre eine wichtige Umstellung in der Betreuung und bei den Zumutbarkeitsbestimmungen. Statt Arbeitslosigkeit ist es besser, Beschäftigung und Qualifikation zu finanzieren.“
Martin Zwicker, Volkshilfe:
"Keine Arbeit zu haben ist eine komplette Beeinträchtigung des Lebens. Längere Arbeitslosigkeit führt zur Verzweiflung. Sozialökonomische Betriebe können helfen, wieder einen geregelten Arbeitsablauf zu finden. Großes Potential liegt da in der Umstellung auf `green Jobs´.“
Mehr Ausbildungsplätze für Jugendliche
Iv Simic, VSG – Verein für Sozial- und Gemeinwesenprojekte:
„Die größten Probleme, einen passenden Ausbildungsplatz zu finden, haben Jugendliche mit schulischen Defiziten. Hier brauchen sie mehr Förderung, die ihren Bedürfnissen angepasst ist. Oft ist es für sie schwierig, einen Ausbildungsplatz länger zu behalten, da brauchen sie eine zweite Chance.“
Stefan Guggenberger, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) OÖ:
„Wenn Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden, ist das das Signal, „du wirst bei uns nicht gebraucht“. Man muss der Ausbildungsgarantie gerecht werden, sowohl durch betriebliche als auch durch überbetriebliche Ausbildungsplätze. Unmittelbar nach dem Pflichtschulabschluss muss jede*r einen ordentlichen Ausbildungsplatz bekommen.“
Totalsperre des Arbeitslosengeldes abschaffen
Johannes S., Kupfermucknredakteur:
„Ich habe ein vertrauliches Gespräch in einem AMS-Kurs, das in einem Großraumbüro stattfinden hätte sollen, abgelehnt. In dem Raum wurde laut gesprochen und gelacht, was für mich völlig unpassend für ein Beratungsgespräch war. Das Ablehnen des Gespräches unter diesen Bedingungen wurde als Verweigerung der Kursteilnahme gewertet, das AMS-Geld wurde mir gesperrt.“
Heinz Zauner, Chefredakteur der Kupfermuckn:
„Derzeit wird, vor allem in OÖ, sehr oft der AMS-Bezug gesperrt, ohne mit den Betroffenen über ihre Lage oder relevante Gründe gesprochen zu haben. Eine Totalsperre kann zum Verlust der Wohnung führen, ohne Wohnadresse gibt es auch keinen Anspruch mehr auf andere Sozialleistungen. Für jeden Menschen muss eine Grundsicherung muss bestehen bleiben, auch wenn es Sanktionen gibt. Die existenzielle Versorgung mit Essen, Wohnen, Kleidung, etc. darf niemandem entzogen werden!“
Die Aktionsgemeinschaft bilden: Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Caritas Oberösterreich, epicenter.works, Katholische Jugend OÖ, Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung OÖ, Volkshilfe OÖ, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) OÖ & Themenforum Arbeitslosigkeit, Alternative, Grüne und Unabhängige Gewerkschafter*innen, Solidarwerkstatt Österreich, Sozialplattform OÖ, Verein arbeitslos.selbstermächtigt, VSG – Verein für Sozial- und Gemeinwesenprojekte.