„Es ist nicht neu, dass neoliberale Wirtschaftsforscher:innen und Politiker:innen unser öffentliches Pensionssystem schlechtreden und als unfinanzierbar hinstellen, und deswegen ein Anheben des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 fordern. Dass sich jetzt die Vorsitzende der Alterssicherungskommission und der AMS-Chef diesen Märchen anschließen, verwundert nun aber doch“, sagt Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende des ÖGB. Zumal die Zahlen etwa aus dem jüngsten EU Ageing Report eine ganz andere Sprache sprechen: „Der Report widerlegt nämlich alles Geäußerte. Uns ist schleierhaft, warum jetzt auch Johannes Kopf diese Zahlen einfach ignoriert“, so Schumann weiter.
Auf alternde Gesellschaft gut vorbereitet
Laut dem kürzlich veröffentlichten Report werden die Aufwendungen für das öffentliche Pensionssystem in Österreich von 13,7 Prozent des BIP im Jahr 2022 auf 14 Prozent im Jahr 2070 - und damit äußerst moderat - ansteigen. Trotz einer erheblichen Verschiebung der Altersstruktur hin zu einer älteren Bevölkerung bleibt die langfristige Finanzierbarkeit des Systems laut diesen Daten stabil. „Es ist eine Tatsache, dass in einer alternden Gesellschaft künftig mehr Mittel für die Alterssicherung bereitgestellt werden müssen. Der Bericht zeigt aber, dass Österreich auf die Herausforderung einer alternden Gesellschaft gut vorbereitet ist und unser Pensionssystem gut dasteht", betont Schumann.
Nicht gut dastehen würden hingegen zu viele Arbeitgeber, die alles andere als alters- oder alternsgerechte Arbeitsbedingungen bieten. So würde etwa ein Drittel der Frauen und ein Viertel der Männer nicht aus der Erwerbstätigkeit in Alterspension gehen, sondern aus dem Krankenstand oder der Arbeitslosigkeit. „Es ist also ganz klar, an welchen Schrauben zu drehen ist“, so die ÖGB-Vizepräsidentin, die betont, dass die Arbeitsbedingungen zu verbessern sind, damit ein Arbeiten bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter für alle möglich ist. Aktuell sei man davon Lichtjahre entfernt.
Fakten werden missachtet
Die fortwährende Panikmache hinsichtlich unseres Pensionssystems sei laut Schumann nicht nur ideologisch getrieben, sondern zeuge auch von einer eklatanten Missachtung von Fakten. „Es ist empörend, wie bereitwillig harte Daten einfach ignoriert werden. Aber vielleicht ist Wegignorieren die neue Strategie“, ist Schumann empört. Diese Rhetorik untergrabe jedenfalls das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen.
Statt sich von kurzsichtigen wirtschaftlichen Ideologien leiten zu lassen, sollten die Entscheidungsträger:innen die evidenzbasierten Empfehlungen ernst nehmen und das öffentliche Pensionssystem stärken. „Wir dürfen nicht zulassen, dass populistische Forderungen, die auf Märchen und Halbwahrheiten basieren, zu Zukunftsängsten unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern führen“, warnt Schumann: „Eine nachhaltige Alterssicherung erfordert Mut zu fundierten Entscheidungen und den Willen, sich gegen irreführende Narrative zu stellen, die den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität älterer Generationen gefährden.“
Die Gewerkschafterin fordert zudem ein Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik: „Wenn wir wirklich wollen, dass Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, müssen wir endlich ernsthafte Maßnahmen ergreifen, um Arbeitsplätze gesünder und lebensphasenorientierter zu gestalten. Lippenbekenntnisse reichen nicht aus - es braucht klare Verpflichtungen und Taten seitens der Arbeitgeber und der Politik.“ Schumann betont abschließend: „Unser Fokus muss darauf liegen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern, anstatt immer wieder unbegründete Angriffe auf das Pensionssystem zu starten.“