"Die Pflegelandschaft ist kompliziert. Pflegelotsen helfen Menschen mit Pflegebedarf und ihren Angehörigen, sich zurechtzufinden. Und sie müssen eine Rolle bei der so genannten Bedarfsplanung bekommen. Denn sie wissen, was die Menschen vor Ort brauchen"
„Laut einer aktuellen Market-Umfrage meinen nur 21% der österreichischen Bevölkerung, dass die Unterstützung, die Menschen mit Pflegebedarf bekommen, ausreicht. Und mehr als drei Viertel sagen, gute Pflege und Betreuung ist in Österreich nicht für jeden leistbar. Das ist ein alarmierender Befund. Die Menschen fühlen sich in Pflege-Fragen allein gelassen", erklärt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser anlässlich des Tags der Pflege am 12. Mai.
Die Pflegereform sei „stecken geblieben“, so Moser. Zwar wurden Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gesetzt – was wichtig und richtig gewesen sei - und auch einige kleinere Maßnahmen für pflegende Angehörige. Aber: „Das ist nur die halbe Miete“, so Moser. Was fehlt, sei "der Ausbau und die Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten: Alltagsbegleitung, leistbare mehrstündige Tagesbetreuung, Tageszentren, Besuchsdienste oder Betreuung nur in der Nacht."
Positiv sieht die Diakonie das Modell-Projekt Community Nurses, das 2022 gestartet wurde - und fordert einen flächendeckenden Ausbau in ganz Österreich: In einem ersten Schritt müssen die aktuell 270 Community Nurses auf 550 erweitert werden. Und die "Community Nurses" müssen weiterentwickelt werden zu Pflegelots:innen: „Die Pflegelandschaft ist kompliziert. Pflegelotsen helfen Menschen mit Pflegebedarf und ihren Angehörigen, sich zurechtzufinden. Und sie müssen eine Rolle bei der so genannten Bedarfsplanung bekommen. Denn sie wissen, was die Menschen vor Ort brauchen
", so Moser
Laut Ulrike Famira-Mühlberger, Pflegeexpertin am WIFO, wird das Potenzial an informeller Pflege drastisch zurückgehen. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, müsse ein verstärkter Ausbau von formellen Pflegeangeboten stattfinden. Ebenso brauche es mehr Gendergerechtigkeit bei der Pflegearbeit, so Famira-Mühlberger.
„Besonders wichtig wären auch einheitliche Qualitätskriterien und Leistungsstandards, damit alle Menschen in Österreich, die ja die gleichen Steuern zahlen, auch das gleiche Ausmaß an Pflege und Unterstützung bekommen", betont Ulrike Famira-Mühlberger. Derzeit sei die Art der Angebote, die Personalschlüssel und die finanzielle Unterstützung von Bundesland zu Bundesland ausgesprochen unterschiedlich.
Erfahrungen der Diakonie als Anbieter von Pflege und Betreuung zeigen, dass es nicht nur zu wenig, sondern zu wenig passende Unterstützung gibt. „Wenn wir von Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sprechen braucht es neue Modelle, die bedarfsgerecht und leicht zugänglich sind", so die Diakonie Direktorin.
„Entweder mobile Hauskrankenpflege oder Pflegeheim reicht nicht länger aus. Es gibt zwar innovative Unterstützungsangebote darüber hinaus, aber nicht überall in Österreich – und wenn es sie gibt, sind sie limitiert und nicht für alle leistbar. Und man braucht intensive Beratung, um sich in der Pflegelandschaft zurechtzufinden und Angebote zu nutzen. Das ist das Gegenteil von gerecht."
Im Vorfeld des Tages der Pflege hat das Market Institut für die Diakonie eine repräsentative Befragung in der österreichischen Bevölkerung durchgeführt.
Auf die Frage "Gibt es Ihrer Meinung nach in Bezirk und Gemeinde für alte Menschen mit Pflegebedarf genügend Unterstützung?" haben nur 21% mit ja geantwortet. 67% sagen: Nein, es braucht mehr Hilfe! 78% sind der Meinung, dass gute Pflege und Betreuung in Österreich nicht für jeden leistbar sind. Das noch junge Unterstützungsangebot der Community Nurses stößt auf hohe Zustimmung. Auf die Frage: „Seit zwei Jahren werden in einigen Gemeinden und Bezirken Österreichs sogenannte Community Nurses eingesetzt. Das sind Krankenpfleger:innen, die im Dorf oder im Grätzel als Ansprechpartner und Helfer in der Pflegebetreuung fungieren. Finden Sie eine stärkere Verankerung eines solchen Angebots sinnvoll?" sagen drei Viertel der österreichischen Bevölkerung sagen: Ja, das ist sinnvoll!
Schon heute sind rund 1,5 Millionen Menschen in Österreich "pflegebetroffen": sie brauchen oder geben Unterstützung. Diese wird in 80% der Fälle zu Hause, zu über 40% ohne professionelle Unterstützung, geleistet und zu rund 70% von Frauen.