Der heuer auf den 28. Juli fallende "Welterschöpfungstag" erfordert nach Überzeugung der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) eine radikale Wende. Das Führungstrio mit Präsident Ferdinand Kaineder und den Vizepräsidentinnen Katharina Renner und Brigitte Knell appellierte in seiner Aussendung am Mittwoch an Verantwortungsträger in der Politik, aber auch in der Kirche: "Verlassen wir die selbstzerstörerische Sackgasse. Gehen wir gemeinsam in eine Art von Planetendiät." Der vor allem in den industrialisierten Ländern praktizierte Lebens- und Wirtschaftsstil auf Kosten der Zukunft müsse ein Ende haben, forderte die KAÖ-Spitze vor dem Hintergrund täglicher Meldungen mit Extremwetter und Umweltkatastrophen.
Mit dem "Welterschöpfungstag" berechnen Fachleute, wann der durchschnittliche theoretische Flächenbedarf der Menschheit etwa für Urbanisierung, Nahrungsmittelanbau und industrielle Produktion die Pufferkapazitäten der Erde übersteigt. Dabei wird die Biokapazität - alle natürlichen Ressourcen, die die Erde in dem Jahr schafft - durch den ökologischen Fußabdruck dividiert und mit 365 multipliziert. Berücksichtigt werden dabei laut KAÖ der CO2-Ausstoß, abgeholzte Wälder, zubetonierte Natur oder Fischbestände, die sich nicht mehr regenerieren können.
Österreich lebe bereits seit dem 6. April auf Kosten der Zukunft, wies das "Präsident:innen-Team" hin: Bis dahin seien hierzulande alle Ressourcen verbraucht worden, die bis Jahresende aus Sicht der Erde zur Verfügung standen. Quatar und Luxembourg würden schon seit Februar über ihre Möglichkeiten leben, Länder wie Jamaica, Ecuador oder Indonesien - deren Erschöpfungstag im Dezember liege - sorgten dafür, dass der globale Termin erst Ende Juli erreicht wird. "Die Hälfte des Jahres weltweit und drei Viertel des Jahres in Österreich leben wir durch Entnahme der Zukunftsressourcen", beklagte die KAÖ.
Als besonderes "Sorgenkind" bezeichnete die offizielle katholische Laienbewegung den Straßenverkehr: "Tonnenschwere Autos transportieren mit extrem schlechter Energieeffizienz und unmäßigem Verbrauch fossiler Brennstoffe oft nur eine Person von A nach B." Der individuelle Autoverkehr sei zu einem Drittel Verursacher der CO2-Emissionen. Durch Bewusstseinsbildung, adäquate Infrastruktur für Fahrrad, öffentlichen Verkehr, attraktive Fußwege und politische Steuerung müsse hier gegengesteuert werden. Das sei notwendig, obwohl "wir wissen, dass wir damit in der Minderheit sind", wie die KAÖ-Spitze festhielt. Die Mehrheit der Bevölkerung lebe nach wie vor im "Autofokus", was durch Werbung und Lifestyle-Medien geschürt werde.
Die KAÖ habe sich beim jüngsten Präsidium einstimmig der Forderung der "Letzten Generation" nach einer Temporeduktion angeschlossen, hieß es in der Aussendung. Würde die Geschwindigkeit auf Autobahnen, Landstraßen und im Ortsgebiet auf 100/80/30 km/h beschränkt, könne damit etwa ein Viertel des fossilen Verbrauches eingespart werden, rechnete die KAÖ vor. Die Politik dürfe nicht länger den Autolobbys folgen, "die genau diese Reduktion ins Lächerliche ziehen oder mit individuellem Freiheitsverlust konnotieren". Diesen Aufruf richtete die KAÖ "vor allem an die ÖVP und die FPÖ, die zum Teil diese Thematik gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Appelle leugnen".
Die Aussendung informiert auch darüber, "was wir als Kirche und KA tun": Der 2015 mit der Papstenzyklika "Laudato si" begonnene Weg der Ressourcenschonung und alternativer Wirtschaftsformen sei massiv zu verstärken. Kircheninterne Empfehlungen müssten "in Verbindlichkeiten münden", Leitlinien schneller umgesetzt werden. "Wenn 10 Prozent der Pfarren 2017 beispielsweise den Energieverbrauch um 20 Prozent gesenkt haben, dann ist das auch für 100 Prozent der Pfarren und auch der KA-Gruppierungen möglich", sind sich Kaineder, Renner und Knell sicher. Der Vollausstieg aus fossilen Energieträgern sei abzuschließen, kirchliche Feste und Veranstaltungen seien nach strengen ökologischen Vorgaben durchzuführen.
Die KAÖ-Spitze rief dazu auf, die "Schöpfungszeit" von 1. September bis 4. Oktober für besondere Maßnahmen der "Umkehr aus der Sackgasse" zu nutzen. Es gehe um eine neue Sensibilisierung der Bevölkerung in Richtung einer "verantwortlichen Genügsamkeit, einer dankerfüllten Betrachtung der Welt und einer besonderen Achtsamkeit gegenüber der Schwäche der Armen und der Mitwelt". Die KAÖ trete für eine asketische Lebensform ein, die "nicht genussfeindlich, sondern konsumkritisch" sei.
KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder, der seit vielen Jahren in ganz Europa als Fußwallfahrer unterwegs ist, kündigte an, ab dem Welterschöpfungstag, 28. Juli, zehn Tage lang auf dem "Hoch und Heilig"-Pilgerweg in Osttirol zu wandern. "Ich mache mich wieder einmal länger auf den Weg, um frei zu werden im Kopf, um eins zu werden mit Leib und Seele, offen zu werden für Sinnzusammenhänge entlang der beeindruckenden Natur", kündigte er an. "Über Berge und Grenzen nach innen zu pilgern", spreche eine tiefe Sehnsucht des Menschen von heute an, erklärte Kaineder.
Zum Thema "Ökologische Umkehr und Mitweltgerechtigkeit" hat die KAÖ ein eigenes Dossier veröffentlicht, das sie mit vier weiteren zuletzt bei Begegnungen mit Parteienvertretern überreichte. (Link: www.kaoe.at/dl/knqNJmoJklKkJqx4KJKJmMJKlNLk/KAO__Dossier_Mitweltgerechtigkeit_web_pdf)