Montag 30. Dezember 2024

Die Teuerungen machen keine Ferien

Die Sozialorganisationen Caritas, Diakonie und Volkshilfe berichten von einem dramatischen Anstieg bei um Unterstützung ansuchenden Familien.

 

Sie schlagen aufgrund der anhaltenden Teuerungen Alarm und fordern neben treffsicheren kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, auch die Einführung einer sozial gestaffelten finanziellen Absicherung aller Kinder in Österreich. 

 

Während die Inflationsrate für Juni bei 8,7% lag, hat sich der Miniwarenkorb, der vor allem für Menschen mit geringen Einkommen relevant ist, im Jahresabstand um satte 15,4% verteuert. Das macht klar: für armutsbetroffene Familien wiegt die persönliche Inflationsrate enorm schwer. Die Befürchtungen, dass sich die Situation im Herbst ohne weitere Maßnahmen für armutsbetroffene Haushalte, Familien und Kinder zuspitzt, eint die Organisationen.

 

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich sagt eingangs: „Menschen, die ohnehin im Supermarkt sehr genau mitrechnen müssen und abwägen, ob sich das Kilo Brot am Ende des Monats noch ausgeht – diese Menschen können sich das Alltäglichste schlichtweg nicht mehr leisten. Sie müssen massive Abstriche machen – bei Grundbedürfnissen wie bei der Bezahlung der Wohn- und Energiekosten, bei der Entwicklung und Förderung ihrer Kinder und schlichtweg der ausreichenden Ernährung.“ Caritas Sozialberatungsstellen in ganz Österreich melden eine starke Zunahme der Anfragen, so Parr: „Die Teuerung schlägt jeden Tag und bei jeder Zahlung zu und sie trifft armutsbetroffene bzw. Menschen mit geringen Einkommen und ihre Kinder ungleich härter. Und die Teuerung macht keine Ferien. Im Gegenteil wir erwarten für den Herbst und Winter eine weitere gravierende Verschlechterung. Daher braucht es jetzt dringend weitere Überbrückungshilfen – die bestehende Einmalzahlungen reichen nicht aus und kommen nicht schnell genug an. Die Bundesregierung muss dringend die Grundlage für ein Anti-Teuerungs-Paket gezielt für die jetzt am meisten betroffene Gruppe schaffen – und zwar jetzt.“

„Kinderarmut ist ein Teufelskreis von existenziellen Geldnöten - Bildungsbenachteiligung – chronischen Erkrankungen und Entwicklungsverzögerungen“, betont Maria Katharina Moser, Diakonie Direktorin. Deshalb brauche es neben der direkten finanziellen Unterstützung für die Familien und der Valorisierung der Sozialleistungen auch psychosoziale Unterstützung, Bildungsförderung und kassenfinanzierte Therapieplätze. „In die Gesundheit der Kinder zu investieren, muss es uns wert sein“, sagt Moser und fordert „1 Milliarde Euro für Kindergesundheit. Das rechnet sich und spart später Sozial- und Gesundheitsausgaben. Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen.“

 

Dass die Teuerung keine Ferien macht, bestätigt auch Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. In einer von der Volkshilfe im Juni und Juli durchgeführten österreichweiten Umfrage mit über 550 Sozialarbeiter*innen antworten fast Dreiviertel, dass die Teuerung die Planung von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen stark beeinflusst. Und das bei einer Zielgruppe, deren soziale Teilhabe ohnehin schon eingeschränkt ist. Noch schockierender sind die Daten aus einem anderen Projekt der Volkshilfe. Mit dem Projekt „Wohnraumveränderung“ werden armutsbetroffene Kinder mittels Wohngutscheinen unterstützt. „Die bittere Erkenntnis: 7 von 10 Kindern haben kein richtiges Bett. Im Projekt haben wir gesehen, dass mehr als 70 Prozent der unterstützten Familien Betten für ihre Kinder kaufen. Weil das Kind auf einer Matratze schläft, weil der Lattenrost kaputt ist, oder weil noch gar kein eigenes Bett vorhanden ist. Das muss man sich erst einmal vorstellen, in einem der reichsten Länder der Welt.“, so Fenninger.

 

Gemeinsam fordern die Hilfsorganisationen kurz- und langfristige Maßnehmen, die Menschen, Familien und deren Kinder vor Armut schützen und es betroffenen Familien nachhaltig ermöglichen, aus Armutssituationen zu entkommen.

 

Besonders dringend ist für Anna Parr ein Anti-Teuerungs-Paket, um die jetzt besonders betroffenen Menschen, Familien und Kinder in Österreich gezielt zu erreichen: „Solange die bereits beschlossenen strukturellen Maßnahmen für armutsbetroffene und einkommensarme Haushalte nicht greifen, braucht es erstens einen Anti-Teuerungs-Zuschlag für die einkommensärmsten 35% der Haushalte – und zwar für Empfänger*innen von Sozialleistungen ebenso wie für Erwerbstätige mit geringem Einkommen. Damit dieser schnell bei den Menschen ankommt muss der Sommer genutzt werden, um die notwendigen technischen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Zweitens braucht es in der aktuellen Ausnahmesituation des Energiemarkts eine entsprechende Ausnahmeregelung für Familien mit Kindern - konkret einen gesetzlich verankerten Abschaltestopp bei Strom und Gas im Winter. Und drittens muss die Regierung jetzt die Grundlage für die Anhebung aller Sozialleistungen auf ein armutsfestes Niveau mit Anfang nächsten Jahres schaffen. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe müssen valorisiert werden.“

„Genauso wichtig in unserem Forderungspaket an die Regierung ist uns auch der Ausbau öffentlicher Infrastruktur für Kinder und Jugendliche. Dieser Ausbau umfasst ganztätige Schulen, Nachmittagsbetreuung, Kindergarten- und Krippenplätze, kassenfinanzierte Therapieplätze, frühe Hilfen, hochwertige Elementarbildung und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr.“, so Maria Katharina Moser.

 

„Langfristig braucht es eine finanzielle Grundsicherung für Kinder. Für uns drei Sozialorganisationen ist von Bedeutung, dass eine Kindergrundsicherung gewisse Mindestanforderungen erfüllt. Konkret, dass es eine unbürokratisch ausbezahlte und sozial gestaffelte Geldleistung ist, die alle Kinder in Österreich vor Armut schützt und begleitet wird von Sachleistungen wie  einem Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz.“, Erich Fenninger.

„Noch ist die Regierung ihre angekündigte Halbierung der Armut schuldig. Unser Appell ist deswegen umso dringender. Es braucht jetzt rasch Planungen, um die soziale Krise, die sich im Herbst ankündigt, zu verhindern.“, so Anna Parr, Maria Katharina Moser und Erich Fenninger abschließend.

 

Quelle: Die Teuerungen machen keine Ferien: Caritas Österreich
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