Sie brauchen sichere Fluchtwege. Gleichzeitig dringen wir darauf, dass Zivilist*innen zu jeder Zeit geschützt werden müssen – nicht nur in für humanitäre Korridore ausgewiesenen Zeiten! Humanitäre Hilfe muss die Zivilbevölkerung zu jeder Zeit erreichen können, und humanitäre Helfer*innen sowie medizinische Einrichtungen müssen geschützt werden.
Unsere regulären Programme in der Ukraine haben wir ausgesetzt und leisten angesichts der aktuellen Lage nun Nothilfe. Unsere Notfallkoordinatorin Anja Wolz berichtet etwa aus Lwiw im Westen der Ukraine: "Hier erhalte ich zahlreiche Anrufe von Krankenhäusern mit dringenden Unterstützungsappellen. Wir befinden uns in einem drängenden Wettlauf gegen die Zeit, um die richtigen medizinischen Güter an die richtigen Orte zu bringen, bevor die Hilfe militärisch eingeschlossene Städte nicht mehr erreichen kann."
Auf Notfallhilfe spezialisierte Teams von uns sind auch in Polen, Ungarn, der Slowakei und der Republik Moldau präsent. Weitere Mitarbeiter*innen halten sich in Russland und Belarus bereit, um Hilfe zu leisten.
Der Mangel an Medikamenten und an anderem medizinischem Material ist in den ukrainischen Krankenhäusern zu spüren. Deshalb liegt eine unserer Priorität auf der Lieferung von Hilfsgütern zur Versorgung von Verletzten, genauso wie für chronisch erkrankte Menschen. Lastwagen mit Material zur chirurgischen Versorgung vieler Verletzter sind bereits in Kiew angekommen. In der ukrainischen Hauptstadt, in Mariupol und in Kramatorsk haben wir Krankenhäuser mit medizinischem Material beliefert. Weitere Hilfslieferungen werden vorbereitet. Im Westen des Landes richten wir Lagerräume ein. Die Priorität soll auf der Versorgung von Verletzten liegen.
Gleichzeitig ermitteln unsere Teams in der Ukraine den medizinischen Bedarf im Land. Außerdem stehen wir mit Kliniken in der Ostukraine in Kontakt, um sie durch Trainings für die Versorgung von Verletzten zu unterstützen. Mitarbeiter*innen sind in der Hauptstadt Kiew und in anderen Städten wie Schytomyr und Severodonetsk. Wir versuchen, weiteres Personal wie Chirurg*innen ins Land zu bringen. Da sich die Lage in den Kampfgebieten schnell ändert, beobachten wir kontinuierlich die Dynamiken, um unsere Mitarbeiter*innen zu schützen. Neben unseren Mitarbeiter*innen vor Ort unterstützt uns ein Netzwerk von Mediziner*innen aus medizinischen Einrichtungen an mehreren Orten der Ukraine dabei, zu ermitteln, wo der größte Handlungsbedarf besteht.
Wir wissen von unseren Mitarbeiter*innen in Mariupol, dass sie verzweifelt versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Währenddessen dauern die schweren Angriffe an und die Lebensmittelvorräte werden gefährlich knapp. Es gibt kein Wasser, keinen Strom und keine Heizung. Internet- und Telefondienste sind unterbrochen. Krankenhäuser, Supermärkte und Wohnhäuser wurden schwer beschädigt. Es ist nicht möglich, Hilfsgüter in die Stadt zu bringen.
Die Sicherheit und die Würde der Menschen muss geachtet werden. Wir haben an den Fronten so vieler Kriegsgebiete gearbeitet und dort unermessliches Leid gesehen. Wir haben gesehen, welche Folgen es hat, wenn Menschen zwischen den Fronten gefangen sind. Deshalb lautet unser Appell: Verschont das Leben der Zivilbevölkerung!
- Laurent Ligozat, Notfallkoordinator
Ein Mitarbeiter vor Ort berichtet am 12.03.2022 über die aktuelle humanitäre Lage in Mariupol.
Wir werden die Krankenhäuser in Odessa dabei unterstützen, Verwundete und Verletzte zu behandeln. Die Kliniken sind gut ausgestattet und modern, doch auf die Behandlung von Kriegsverletzten nicht vorbereitet. Der Krieg wirkt sich auch auf die Lieferung von Medikamenten und warmen Mahlzeiten für die Patient*innen aus. Am 6. März traf eine unserer ersten Lieferungen mit Medikamenten und medizinischem Material in Odessa ein.
Die Stadt bereitet sich auf einen Angriff und eine Belagerung vor. Mit fast einer Million Einwohner*innen ist Odessa die drittgrößte Stadt der Ukraine. Hier liegt ein strategisch wichtiger Hafen. Niemand macht sich also irgendwelche Illusionen darüber, was demnächst passieren wird. Alle bereiten sich auf das Schlimmste vor.
- Carla Melki, unsere Nothilfekoordinatorin zu Besuch in Odessa
Unsere früheren Programme in Sjewjerodonezk (HIV-Behandlung), in Schytomyr (Tuberkulose-Behandlung) und in Donezk (medizinische Gesundheitsversorgung für vom Konflikt betroffene Gemeinden) mussten wir vorerst einstellen. Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um eine gewisse Kontinuität in der Versorgung der Patient*innen zu gewährleisten. Der Bedarf war bereits vor den jüngsten Ereignissen hoch, da die Menschen in der Ostukraine seit acht Jahren in einem Konflikt leben. Wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen, die der Krieg in der jetzt erneut besonders betroffenen Ostukraine auf die Patient*innen hat, von denen viele älter sind und an chronischen Krankheiten leiden.
Auf beiden Seiten der Grenze haben wir Projekte gestartet. Zu Fuß, in Autos und Bussen überqueren Tausende Menschen die Grenze nach Polen. Einige sind mit Kindern und Babys unterwegs. Die Jüngsten sind nicht einmal 25 Tage alt. Die Menschen leiden unter den eisigen Temperaturen, sie sind müde und erschöpft.
Wir haben einem polnischen Empfangszentrum Hilfsgüter zum Bau von Notunterkünften zur Verfügung gestellt und arbeiten nun daran, die Unterstützung auszubauen. Wir kaufen vor Ort ein, planen die Verteilung von Decken und Hygienesets zu verstärken und spenden Hilfsgüter auch an andere Helfer*innen.
Wir planen auch, medizinische Hilfe zu leisten. Wir sehen die große lokale und internationale Solidarität mit den Geflüchteten, deren Bedürfnisse momentan gut gedeckt scheinen.
An der Grenze zu Moldawien haben wir ein medizinisches Zentrum eingerichtet und Orte zum Ausruhen für die geflüchteten Menschen.
Entlang der ukrainischen Grenze zu Russland und Belarus sowie im Süden Russlands nehmen unsere Teams eine Lagebeurteilung vor. Im Süden Russlands haben sie einige Spenden wie Lebensmittel, Hygienesets und Medikamente für Geflüchtete bereitgestellt.
Stand: 14.3.2022