Termine statt.
Termine statt.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!
In den heutigen Lesungen der Bibel begegnen wir Menschen, die ihr Ansehen verloren haben:
Jesus, als König verspottet (gegeißelt, mit Dornenkrone), geschlagen, ausgeliefert;
Dem „Gottesknecht“ – einem geschundenen, gemiedenen, von Krankheiten gezeichneten Menschen
Dem Beter aus dem Psalm – kummervoll, kraftlos, vergessen, verfolgt
Menschen, die uns auch heute begegnen: Menschen ohne Heimat und Zugehörigkeit. Dem Tod geweihte, „austherapierte“ Menschen, die einen nur zu sehr mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontieren. Menschen, die zu sehr vom Schönheitsideal abweichen. Menschen, die für die Fehler und Sünden anderer büßen müssen. Menschen, die ausbaden müssen, was andere aus Gedankenlosigkeit angerichtet haben. Menschen, die ungerechten Gerichten und Systemen ausgeliefert sind. Menschen, die um des Profits willen ausgenutzt und gefoltert werden.
BettlerInnen, Flüchtlinge, psychisch labile Menschen, Menschen in tiefen Lebenskrisen, Trauernde, Klimaflüchtlinge, Hungernde, Menschen mit Beeinträchtigung, politisch Verfolgte, Mobbingopfer, Geiseln, Kranke, KindersoldatInnen, LohnsklavInnen, Opfer des Menschenhandels, Süchtige, Einsame, Getötete.
So rückt der Karfreitag Menschen ins Zentrum, die sich unserem Blick längst entzogen haben. Möglicherweise fällt der Spot uns selber auf, die wir auch unglücklich mit uns selber sind. Es scheint, als ob es Gott nicht gut meint mit uns Menschen.
Der Karfreitag ist kein Tag des triumphierenden Gottes. Höchstens der Tag eines Menschen, der seinen Weg bis zum Ende geht. Es ist ein Tag des leidenden, aus der Gemeinschaft ausgestoßenen, verleumdeten und verkannten Gottes.
Durch diese gescheiterten Menschen spricht Gott, sie selbst sind es, die das Heil verkünden. Aus einer Ecke, aus der man das nie erwartet: Gott rettet, wenn einer für andere einsteht, wenn jemand nicht nur für sich selber kämpft. Gott rettet die Schwachen und Beladenen, nicht in erster Linie die Superhelden und Schönheitsköniginnen.
Aber oft reicht es nicht, dass ein Mensch es schlechter als andere erwischt hat im Leben. Nein, sein „Versagen“, seine Schuld, sein Vom-Pech-verfolgt-sein hilft den anderen, alles Versagen, Unglück und Leid der Welt auf diesen einen abzuladen und ihn für schuldig an so vielem zu erklären. Jede einfache Erklärung der Missstände dieser Welt, ob durch Meinungen im Internet, Leserbriefe, politische Parteien oder Medien verbreitet, benennt die „Schuldigen“ und braucht diese Sündenböcke, die nun als Ursache für alles Unglück herhalten müssen: Flüchtende aus anderen Ländern sind selbst Schuld an der Ausländerfeindlichkeit und der Arbeitslosigkeit, Kranke am Schwächeln des Sozialstaates, ChristInnen an der Überbevölkerung der Welt, die egoistischen Jungen am Aussterben Europas, Arbeitslose und Arme daran, dass die Gelder für die Mindestsicherung nicht ausreichen, mangelhaft deutsch sprechende Kinder an ihren schlechten Jobchancen und vieles mehr.
Wer zu den Schwachen, den Sündenbock-KandidatInnen gehört, dem oder der wird mehr und mehr aufgeladen (wofür sie angeblich verantwortlich zu machen sind – alles Übel der Welt) – und dann in die sprichwörtliche Wüste geschickt. Dann ist „das Volk“ wieder für eine kurze Zeit zufrieden und hat „Schuldige“ für die eigene Misere gefunden. Bis sich das ganze wiederholt und wiederholt.
Beim „Gottesknecht“, den Jesaja besingt, und bei Jesus Christus ist mit dem Sündenbock, der stellvertretend für alle verachtet wird, die Sünden aufgeladen bekommt und stirbt, nicht alles vorbei. Nein, Gott stellt sein Ansehen wieder her, er ruft ihn ins Leben zurück. Er wird zum Heil, auch für die, die ihn opfern wollten.
Das ist nicht nur unerhört und nicht vorhersehbar, das ist eine Revolution. Die Schwachen, die Beschädigten, die Ausgestoßenen – sie werden zum Heilszeichen und Licht der Menschen.
Das ist der Kern unseres Glaubens, gerade an einem Tag der Ausweglosigkeit wie dem Karfreitag.