Termine statt.
Termine statt.
Liebe Gemeinde,
Am 10. Dezember begeht die Welt alljährlich den „Tag der Menschenrechte“. Damit wird an die „Allgemeine Deklaration der Menschenrechte“ erinnert, die am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Die Menschenrechtserklärung besteht aus 30 Artikeln und enthält grundlegende Ansichten über die Rechte, die jedem Menschen zustehen, „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger
Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“
Beschlossen wurde die Deklaration der Menschenrechte drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem größten militärischen Konflikt der Menschheitsgeschichte mit 60-70 Millionen Toten war es offensichtlich ein Gebot der Stunde, festzuhalten, dass ALLE Menschen unverbrüchliche Rechte haben. Das Einhalten der Menschenrechte soll zu „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“ beitragen. Die Deklaration enthält so grundlegende Rechte wie das „Recht auf Leben“ oder den „Schutz vor Diskriminierung“, aber auch soziale Rechte wie das „Recht auf Arbeit“ oder das „Recht auf Erholung“.
Für uns als ChristInnen sollte es selbstverständlich sein, dass alle Menschen unverbrüchliche Rechte haben; denn schon in der Schöpfungsgeschichte steht, dass Gott die Menschen nach seinem Abbild schuf (Gen 1,26). Das bedeutet nichts Gen 1,26-27 anderes: Sie, ich und alle Menschen dieser Erde sind ein „Abbild Gottes“; oder
anders ausgedrückt: In jedem Menschen steckt etwas Göttliches. In der aktuellen Enzyklika „Laudato Si“ zitiert Papst Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI mit den Worten: „Wir wurden im Herzen Gottes „entworfen“, und darum gilt: „Jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.““ (aus: Papst Franziskus: Laudato Si) Das bedeutet auch: Wir sind als Menschen nicht nur die passiven Träger von Rechten, sondern es wird uns als Kinder Gottes verheißen, dass wir „das Leben haben und es in Fülle leben.“ (Joh 10,10)
Liebe Gemeinde,
wenn von Menschenrechten die Rede ist, so werden wir häufig daran erinnert, dass grundlegende Menschenrechte heute für viele Menschen noch immer nicht gelten: Menschen werden wegen ihrer politischen oder religiösen Meinung verfolgt. Menschen
müssen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Kriege und Diktaturen machen ein menschenwürdiges Leben unmöglich. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international, Christian Solidarity International oder Pax Christi erinnern uns immer wieder daran.
Weil diese Länder meist weit weg sind, ist der Einsatz für Menschenrechte oft etwas abstrakt: „Ja, leider gibt es auf der Welt noch so viel Unrecht“, denken wir dann: „Ja, die Welt sollte ein besserer Ort sein, aber was kann man denn selbst tun?“ Und
vielleicht auch: „Ja, über die Rechte von anderen machen wir uns Sorgen, aber was ist mit meinem Recht auf ein erfülltes Leben? Wer nimmt meine Nöte und Ängste wahr?“ Denn vermutlich kennen auch Sie die Sehnsucht nach einem Leben in Fülle. Vermutlich kennen auch Sie die Sehnsucht, von ganzem Herzen gewollt, geliebt
und gebraucht zu sein: Vielleicht fragen Sie sich auch: „Wenn ich ein „Abbild Gottes“ bin, wenn ich etwas Göttliches in mir trage, müsste ich mich dann nicht oft freier, besser, glücklicher fühlen?“
Denn vermutlich kennen Sie nicht nur die Sehnsucht, sondern auch die Sachzwänge, Ängste und Nöte, die unser Leben häufig bedrücken: Sie müssen in der Arbeit funktionieren. Sie müssen familiäre und private Verpflichtungen erfüllen. Sie müssen gesellschaftlichen Standards gerecht werden. Und dann sollten Sie vielleicht auch noch christliche Nächstenliebe üben: sich für Menschenrechte einsetzen, sich um Flüchtlinge und fremde Menschen kümmern.
Liebe Gemeinde,
der Tag der Menschenrechte kann für uns ChristInnen eine zweifache Erinnerung sein:
Erstens: dass wir – weil wir Mensch sind - das Recht auf Leben, ja auf ein erfülltes Leben haben. Wir tragen als „Abbild Gottes“ etwas Göttliches in uns: Das erscheint uns manchmal unglaublich, aber es ist so. Es bedarf wohl der Stille und dem Ruhig-Werden, dass wir gut in Kontakt mit dem göttlichen Funken in uns gelangen.
Der Mystiker Angelus Silesius hat schon im 17. Jahrhundert geschrieben: „Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir.“ In diesem Sinne lade ich Sie ein, sich in der sogenannten „stillsten Zeit des Jahres“ Zeit für sich selbst zu nehmen: Einmal am Tag ein paar Minuten, vielleicht eine viertel oder halbe Stunde innezuhalten
und in Kontakt mit dem Göttlichen in Ihnen zu kommen. Freilich ist das nicht so einfach, vermutlich werden Sie dabei auch auf Ängste und Sehnsüchte stoßen, aber tief drinnen in Ihnen ist das „Abbild Gottes“ zu entdecken. Damit können Sie in Kontakt kommen, wenn Sie innehalten. Daran glauben wir als ChristInnen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie diese Innenschau nicht nur für sich selbst machen. Ja, ich glaube, dass wir uns letztlich nur dann in christlicher Nächstenliebe üben können, wenn wir Frieden in uns selbst gefunden haben. Nur wenn wir immer wieder mit unserem göttlichen Funken in Berührung kommen, kann unser Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung authentisch und nachhaltig sein.
Zweitens erinnert der Tag der Menschenrechte daran, dass wir in gesellschaftlichen Systemzusammenhängen leben, die häufig von anderen Prioritäten als jenen der Menschenrechte bestimmt sind: Geld, Macht und materieller Wohlstand dominieren in unserer Welt. Die Interessen von Kapital, Wirtschaft und Militär gelten oft viel mehr als die Rechte von einzelnen Menschen: sowohl in unserem Land, als
global gesehen.
Als ChristInnen haben wir auch den Auftrag, uns – im Rahmen unserer Möglichkeiten – in die Welt einzubringen. Das kann ein nettes Wort sein. Das kann der Besuch bei Menschen sein, die sich allein fühlen. Das kann der konkrete Einsatz für sozial Schwache oder Flüchtlinge sein.
Es kann aber auch bedeuten, dass wir uns im weitesten Sinn politisch einbringen: Wir könnten uns – gestärkt durch den Zuspruch Gottes – dafür einsetzen, dass die politischen Systeme so verändert werden, dass die Menschenrechte aller Menschen eingehalten werden. Das ist zugegebener Weise noch ein langer Weg, aber als ChristInnen sind wir aufgerufen, alle Menschen als „Abbild Gottes“ zu betrachten
und uns daher dafür einsetzen, dass alle Menschen „das Leben haben und es in Fülle leben.“ (Joh 10,10)