Liebe Geschwister in Gott!
„Wer hoch steigt, fällt tief.“ Ist das das Sprichwort der neiderfüllten, „kleinen“ Menschen, die es zu wenig bringen? Eine Lebenserfahrung, eine Tatsache? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Dass Menschen als Stars, neue Erlöser und Hoffnungsträger:innen in den Himmel gelobt und auf ein Stockerl gestellt werden, das erleben wir immer wieder: Schauspieler:innen, Musiker:innen, Sänger:innen; Jungpolitiker:innen, Quereinsteiger:innen, Firmenchefs; Sporttalente, Börsegurus, Selfmade-Millionär:innen. Es rattert schon im Kopf, Sie haben da ein paar Namen parat.
Eine Zeit lang geht alles gut, diese Menschen feiern Erfolg um Erfolg, das Vertrauen in sie erscheint gerechtfertigt. Die Fangemeinde wächst, und mit ihr die Hoffnung auf anhaltende Erfolge, endgültige Lösungen, vielleicht auch auf Reichtum und Glanz, der auf uns selber als begeistert Zuschauende abfärbt.
Selten hält dieses Plateau, dieses Hoch des Erfolgs ein Leben lang an. Kein Mensch ist perfekt und vollkommen. Flecken in der Persönlichkeit, Risse und Schrammen im Image treten auf: Kleinigkeiten werden aufgebauscht, oder größere Fehltritte kommen ans Tageslicht: unbedachte Aussagen aus Vergangenheit oder Gegenwart, ein finanzieller Fehlgriff, moralische Schwäche, Krankheit oder Sucht, Beziehungen misslingen, eine falsche Einschätzung der Situation, des Problems oder des Lösungsversuchs, falsche Freundinnen und Freunde, unglückliche Allianzen. Der Abstieg kommt schleichend, oder er geht rasant. Auch dazu fallen Ihnen jetzt einige Namen ein.
Oft ist der Fall tief, und die mediale Öffentlichkeit tritt auf die am Boden Liegenden auch noch drauf, seziert ihre Fehler und nimmt alles unter die Lupe, beleuchtet unbarmherzig den letzten Winkel, zerrt alles ans Licht. Die Familie leidet mit. Wie man sich davon erholen kann, ist mir kaum vorstellbar. Da bin ich dann nur froh, nicht an ihrer Stelle zu sein, denn wer weiß, worüber in meinem Leben, in meinem Umfeld und Handeln sich andere auslassen könnten, was sie aus der Vergangenheit hervorholen und skandalisieren würden, ob berechtigt oder nicht. Zum Glück bin ich nicht so bekannt, so erfolgreich, so medial präsent!
Bei Jesus war es auch ein wenig so. Als unbekannter, aber charismatischer Mensch sammelt er eine Schar von Jüngerinnen und Jüngern um sich, die berührt und begeistert sind von seiner Botschaft, die ihren Alltag und ihre familiären Beziehungen hinter sich lassen und ihm folgen. Was er sagt, ist nicht immer angenehm, sondern radikal. Wie er seine Gottesbeziehung lebt, ist faszinierend und gibt Hoffnung. Und diese Hoffnung überträgt sich auf eine größere Menschenmenge, die die Person „Jesus aus Nazareth“ auch noch mit politisch gefärbter Hoffnung auflädt: Jesus, der neue König (- der mit der römischen Besatzung Schluss machen wird und die Freiheit zurückbringt). Jesus wird gefeiert, ob es ihm gefällt oder nicht. Die Eifersucht und besorgte Angst der religiösen, jüdischen Elite machen diesem Jubel ein Ende. Jesus wird hingerichtet, in Zusammenarbeit mit der politischen Verwaltung. Der tiefe Fall des Jesus von Nazareth, mit einer Hinrichtung als Verbrecher am Ende. So könnte es enden. Wenn Gott den Gesetzmäßigkeiten unter Menschen folgt, wenn es bei Gott nicht anders wäre als bei uns Menschen.
Aber es ist anders bei Gott: Er steigt ein ins Geschehen, wo Menschen am Boden liegen und gedemütigt sind. Denn auch da sind sie in seiner Hand, auch da hält er sie, allem Augenschein zum Trotz. Er ist bei Jesus in seinem Leiden – bei Jesus, der dieses „ganz unten Sein“ erträgt, der Spott und Hohn auf sich nimmt, ohne sich gewaltsam zu wehren. Der – von außen gesehen – das letzte Fünkchen Würde verliert in den Demütigungen seiner Peiniger.
Gott sagt nicht „das war´s jetzt!“, wenn Menschen am Tiefpunkt sind. Er führt sie durchs Leid hindurch und hilft ihnen, aufzustehen. Die Auferstehung Jesu vom Tod ist die mächtigste Art, aufzustehen. Dass Menschen wieder aufstehen, das ist in Gottes Sinn. Er hilft – oder er lässt uns helfen, dass Menschen den Kopf wieder heben, Boden unter den Füßen bekommen, dass wir aufbauende Worte sagen. Egal, was vorher an Schlimmem geschehen ist.
Wenn wir weitertun, was Jesus gelebt hat, und was Gott (mit Hilfe anderer Menschen) schon vor Jesus begonnen hat, dann ändert sich etwas am Aufstieg und Niedergang von Menschen, Leben und Karrieren.
Dann loben wir Menschen nicht in den Himmel – denn sie sind menschlich wie wir. Sie werden dann nicht überfrachtet mit Hoffnungen und Erwartungen, sondern sie können einfach das tun, was möglich ist. Das kann sie vor Positionen bewahren, die nicht gut für sie selbst und für die Gesellschaft sind.
Dann treten wir nicht auf Menschen, die am Boden liegen – denn sie sind menschlich wie wir. Ja, vielleicht haben sie Fehler gemacht, schwere Fehler, für die sie einstehen müssen. Aber auch ich könnte dort liegen, oder du, oder Sie. Niemand hat das verdient, von anderen zerstört zu werden.
Und dann helfen wir Menschen aufzustehen – denn sie sind menschlich wie wir. Im Unglück und Elend schon die Auferstehung, das Aufrichten zu üben, das ist „wie Gott zu handeln“. Einen Neubeginn, neues Leben zu ermöglichen, die Würde aller zu sehen.
Das alles ist die ganze Kar- und Osterwoche, an jedem Tag des Jahres. Amen.
Fürbitten
Gott, der du Jesus zu uns geschickt hast, damit du uns Menschen gleich wirst und nahe: Wir bitten dich
Gott – menschgeworden weißt du, was wir brauchen. Wir vertrauen uns deiner Hilfe und Begleitung an. Berühre uns mit deinem Segen. Amen.
Text am Schluss auf Anfrage