Wem gehört das Land?
Wenn man sich mit dem gefühlt schon ewig dauernden Konflikt zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk beschäftig, merkt man immer wieder, dass die eigentliche Wurzel des Konfliktes der Anspruch auf das Land, also das Territorium zwischen See Genezareth, Negevwüste, Westjordanland und Mittelmeer ist.
Wem gehört dieses Land?
Uns sagen jüdische Menschen, lest die Bibel.
Uns sagen palästinensische Menschen. Als der Staat Israel 1948 gegründet wurde, waren wir schon seit Jahrhunderten da. Das stimmt auch, denn von 135 n. Chr. bis 1948 hatte das jüdische Volk keinen eigenen Staat.
Was lesen wir also, wenn wir in die Bibel schauen?
Da steht in Gen. 12, 1-2, Gott sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Vaterhaus und von deiner Verwandtschaft in das Land, das ich dir zeigen werde. Abram zieht weh und lässt sich im Gebiet des heutigen Palästinas nieder. In Dtn. 5 lesen wir, dass Gott mit dem Volk einen Bund schließt, der es verpflichtet die Thora, zusammengefasst und zugespitzt in den 10 Geboten, zu halten. Und zwar in dem Land, dem heutigen Palästina, in das Gott es führen wird. Daraus geht klar hervor, dass das Land Gott gehört. Er gibt, „verleiht“ es sozusagen an das jüdische Volk. Aber die Gabe ist an die Bedingung des Haltens der 10 Gebote geknüpft. Israel hatte in seiner Geschichte immer wieder damit zu kämpfen diese Bedingung zu erfüllen.
So wurden auch die beiden Katastrophen des Landverlustes, die Deportation durch die Assyrer 722 v. Chr. und das Babylonische Exil ab 587 v. Chr. eindeutig als Strafe Gottes für das Brechen der 10 Gebote gedeutet und verstanden. Es stimmt also nicht, wenn jüdische Fundamentalisten und Fanatiker behaupten, dass ihnen das Land gehört. Es ist dem jüdischen Volk von Gott geliehen, wenn und solange es die Thora, die10 Gebote hält.
Auch wurde vorgebeugt, dass sich innerhalb des Volkes, reiche Bürger Großgrundbesitz aufbauen, indem sie sich das Land einverleiben, das Verschuldete verkaufen müssen. Nach 50 Jahren, also einer Generation, im sogenannten Jobeljahr, mussten die Grundstücke ihren früheren Eigentümern zurückgegeben werden lesen wir in Lev. 25. Bereicherung durch Erwerb von Grund und Boden der Verarmten sollte sich im von Gott geliehenen Land nicht lohnen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Bibel ist, dass immer schon nichtjüdische Menschen im Land gelebt haben. Als die Israeliten von Ägypten kommend in das Land eingesickert und sesshaft geworden sind, kam es weder zur berichteten Gewalt – das sind Metaphern – noch zu ethnischen Säuberungen an der ansässigen kanaanäischen Bevölkerung. Zum Leidwesen, besonders der Propheten, war dadurch das Volk ständig der Versuchung ausgesetzt fremde Götter zu verehren. Bezüglich des Umganges mit diesen Menschen
ist die Bibel wieder eindeutig: Mit dem Argument, dass Israel wissen müsste, wie es ist fremd und unterdrückt fern der Heimat zu leben, fordert die Bibel humane Behandlung und gleiche Rechte auch für nichtjüdische Menschen ein. Zum Beispiel die Arbeitsruhe am Sabbat.
Das bedeutet heute, dass es von der Bibel her gesehen geboten ist mit den
Palästinenser:innen respektvoll und unter Einhaltung der Menschenrechte umzugehen. Wenn andererseits von arabischen Ländern und Palästinenser:innen dem Volk Israel das Recht auf einen eigenen Staat abgesprochen wird und „from the river (Jordan) to the sea (Mittelmeer) ein Palästinenserstaat unter Vertreibung des jüdischen Volkes aus diesem Gebiet gefordert wird, so ist festzuhalten, dass Gott immer auf der Seite der Schwachen, Vertriebenen und Verfolgten steht. Also ist auch das Recht jüdischer Menschen auf Sicherheit in einem eigenen Staat berechtigt und anzuerkennen. Auch hier ist die Bibel eindeutig.
Jesus übrigens vertrat zur Frage wem das Land gehört keine eindeutige Position. Einerseits betont er, dass jeder Mensch das Recht hat in Sicherheit und Frieden zu leben, auf der anderen Seite hat er keinen festen Wohnsitz und betrachtet Grundbesitz nicht als Voraussetzung für ein gutes Leben. Jesus setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass Frieden durch Vertrauen, Teilen, Vergebungsbereitschaft und Nächstenliebe entsteht und nicht durch Abschottung und Verteidigung von Grund und Boden.
Wie können wir uns auf diesem Hintergrund gegenüber dem Konflikt im Nahen Osten positionieren?
Natürlich überfordert das uns Bürger und Bürgerinnen, aber was wir tun können und sollen ist an der Meinungsbildung mitzuwirken und das zwischenmenschliche Klima zu verbessern. Dazu können wir uns auf die Bibel berufen. Das erfordert auch entschiedenen Widerspruch, wenn gehetzt und verleumdet wird. Darüber hinaus können wir unseren Glauben an den liebenden Gott, vor dem alle Menschen gleich sind, weil er sie alle liebt, als
Ressource und Inspirationsquelle ins Spiel bringen.