Sonntag 24. November 2024

Von Abgründen und verpassten Chancen. Eine Mahn- und Aufwachgeschichte

Sozialpredigt 26. Sonntag im Jahreskreis, 29. September 2013

Lk 16,19-31

 

Autor: DSA Mag. Wilfried Scheidl, Caritas OÖ

Es war einmal ein reicher Mann, es war einmal ein armer Mann … Jesus erzählt uns heute eine Geschichte, in der Abgründe und trennende Türen eine Rolle spielen. Und in der am Ende nicht alle zusammenkommen in seliger Verbundenheit.

Der Reiche, ein Mann ohne Namen – fast ist man geneigt hier an eine modernere Geschichte aus der Neuzeit zu denken, die Geschichte vom Schauspiel des Jedermann, der ebenfalls namenlos prasst und protzt. Jeden Sommer zu besichtigen in Salzburg. Ein Namenloser, anhand dessen Beispiel offensichtlich ein Entwurf vom Leben dargestellt werden soll der es in sich hat, letztlich vollkommen danebenzugehen. Aber daneben - nur in der Perspektive von außen. In der Innenansicht geht es dem Mann prächtig. Er genießt in vollen Zügen, schwelgt im Überfluss.

Und dann der Arme – aber der hat einen Namen: Lazarus. Der Name passt. Denn der bedeutet so viel wie „Gott hilft“. Und wirklich, diesem armen Teufel kann anscheinend nur mehr Gott helfen, denn der hinter der Tür, der es auch könnte, der sieht ihn nicht, hört ihn nicht, riecht ihn nicht. Der Reiche ist zu eingetaucht in seine Fülle, hat dichtgemacht für den da draußen.

 

So gehen zwei äußerst ungleiche Leben dahin, hinter und vor der Tür - bis der Tod kommt. Aber dieser Tod ist kein großer Gleichmacher. Ganz im Gegenteil, er dreht das Spiel um. Jetzt sind die Rollen vertauscht.

 

Plötzlich ist der namenlose Reiche draußen vor der Tür, er sitzt in der Unterwelt. Gequält blickt er auf Lazarus, den armen Teufel, der sich plötzlich wiederfindet in Abrahams Schoß. Endlich geborgen, endlich aufgehoben, endlich getragen.

Und so sehr sich der Reiche auch müht, da führt kein Weg zusammen. Er hatte im Leben alles. Er genügte sich vollauf selbst. Jetzt ist die Geschichte gegessen, Abraham lässt sich nicht mehr erweichen.

Ich erspare mir Ausführungen, die Ihnen alle selber wohl rasch in den Sinn kommen werden zum Thema Reich und Arm.

Ein Blick in unsere Gemeinden und Städte, in die Zeitung, in den Bildschirm genügen.

1000fach sehen wir Reiche, die so leben: unbekümmert, ungerührt, unberührt. 1000fach sehen wir Lazarusse: Menschen mit einem Namen, die draußen liegen, hier bei uns und überall in der Welt. 1000fach der Abgrund, der Graben, die geschlossene Tür. Wir sehen Menschen, die sich dichtmachen durch den eigenen Krempel und Besitz, den sie ihr Eigen nennen.

Wohl geht es Jesus nicht darum, den Reichen zu verurteilen, weil er reich ist. Nein, das ist wohl nicht die Pointe dieser mahnenden Geschichte. Die Pointe sehe ich eher darin, dass wir (und im Weltmaßstab zählen auch viele von uns zu den Reichen!) aufgerufen werden, nicht vollkommen aufzugehen im Haben. So schön es ist zu genießen, zu besitzen, zu haben, so sehr sind der und die zu bedauern, die daraufhin alles andere wegblenden, die blind werden für die, die draußen stehen und liegen. Ein Lehrstück, wie wir nicht leben sollen. Schaut nicht vorbei, lasst euch nicht zumüllen mit dem ganzen Zeug, das ihr euch angehäuft habt! Nutz deine Zeit und dein Eigentum. Mach dich auf für andere, verkapsele dich nicht in deinem gut ausgestatteten Nest!

Denn irgendwann ist es zu spät, die Chance vertan, und niemand kann es ändern. Kein plötzlich von den Toten Auferstandener, auch kein Gespenst kann dann mehr helfen, um die Zurückgebliebenen in einen heilsamen Schock zu versetzen. Nein, worum es geht ist klar, steht geschrieben, ist abzulesen aus der Bibel, aus unseren Herzen, sofern wir sie nicht ersticken lassen, aus unseren Begegnungen, wenn wir uns einander zuwenden. Macht die Tür auf, geht über die Schwelle, gebt DEM und DER da draußen ein Ansehen! Wuchert mit dem, was euch gegeben worden ist! Vielleicht sitzt ja heute vor der Kirchentür gerade wieder ein Mensch, der die Hand aufhält, der bettelt. Draußen vor der Tür … was soll man da tun? Ich habe keine Handlungsanleitung zum richtigen Anpacken, aber klar ist: da ist ein Graben – den könnten, sollten wir laut Jesus auch überwinden. Wie genau, das ist an uns, zu entscheiden. Dazu braucht es unsere Phantasie, unseren Mut und unsere Kreativität. Wir dürfen es ausbuchstabieren in unserer täglichen Praxis!

Nur so kann es gelingen, dass diese traurige Geschichte von Lazarus und dem Reichen neu geschrieben werden kann. Als eine Geschichte von einem Reichen, der sich als Mit-Mensch erwiesen hat. Eine Geschichte vom überwundenen Abgrund.

 

 

 

Kontexte:

 

Kontext 1 aus alter Zeit…

„Dem Hungrigen gehört das Brot, das du zurück hältst, dem Nackten das Kleidungsstück, das du im Schrank verwahrst, dem Barfüßigen der Schuh, der bei dir verfault, dem Bedürftigen das Silber, das du vergraben hast. Aber du bist mürrisch und unzugänglich, du gehst jeder Begegnung mit einem Armen aus dem Weg, damit du nicht genötigt wirst, auch nur ein Weniges abzugeben. Du kennst nur die eine Rede: Ich habe nichts und kann nichts geben, denn ich bin arm. Ja, arm bist du wirklich: arm an Liebe, arm an Gottesglauben, arm an ewiger Hoffnung.“ (Basilius von Cäsarea, 4. Jhdt.)

 

 

 

 

DATENBANK: ALLES ÜBER ARMUT        

 

Kontext 2 von heute …

Anmerkungen zum Thema Armut, Quelle Homepage Armutskonferenz Österreich, www.armutskonferenz.at, abgerufen am 17.7.2013, :

 

Arm ist nicht nur, wer in Pappschachteln am Bahnhof übernachten oder die Tage auf Parkbänken verbringen muss, sondern arm ist, wer am Alltagsleben nicht teilnehmen kann.

Die Statistik spricht von Armut und sozialer Ausgrenzung, wenn geringes Einkommen auch mit Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen verbunden ist.
Als Einkommensarmutsschwelle werden 60% des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens definiert: das sind derzeit 1.031 Euro für einen Einpersonenhaushalt (Stand 2012). Die meisten Einkommen armer Menschen liegen allerdings weit unter dieser Schwelle, so haben 300.000 Menschen nicht mehr als 600 Euro zur Verfügung.
Einschränkung in zentralen Lebensbereichen heißt: Die Betroffenen können abgetragene Kleidung nicht ersetzen, die Wohnung nicht angemessen warm halten, geschweige denn unerwartete Ausgaben tätigen. Außerdem sind arme Menschen häufiger krank und leben oft in überbelegten, feuchten, schimmligen Wohnungen, weil beispielsweise das Geld für eine Wohnraumsanierung fehlt.

 

Armut:

… heißt zugewandert, erwerbslos, alleinerziehend, working poor
511 000 Menschen (ca. 6% der Wohnbevölkerung) in Österreich sind von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen (Stand 2012) – Sie sind manifest arm, haben neben einem niedrigen Einkommen auch Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen (z.B. Bildung, Wohnung, Begleitung).
Frauen sind dabei stärker als Männer betroffen. Ein Viertel der Armutsbetroffenen sind Kinder. Ihre Eltern sind zugewandert, erwerbslos, alleinerziehend oder haben Jobs, von denen sie nicht leben können.
Ein Drittel der Betroffenen schafft es nicht, den Teufelskreis von Armut und sozialer Ausgrenzung zu durchbrechen. Die Hälfte aller manifest armen Personen ist dieser Situation länger als ein Jahr ausgesetzt.

… kann jede/n von uns treffen
Das Risiko durch soziale Netze zu fallen ist gestiegen und wird auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise weiterhin ansteigen – Armut kann somit jede/n von uns treffen. Knapp 1.000.000 Menschen (12%) haben ein Einkommen unter der Armutsgrenze.

… macht krank

Menschen, die in Armut leben, sind doppelt so oft krank wie Nicht-Arme. Arme Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen. Von Armut betroffene Menschen können sich in vielen Fällen nicht dieselbe medizinische Versorgung leisten, wie Personen, die nicht in Armut leben.

... macht Stress
Die Miete nicht pünktlich zahlen zu können, nicht zu wissen wie das Geld für den Schulausflug der Kinder aufgetrieben werden kann, keinen oder einen schlecht bezahlten Job zu haben, macht Stress und führt auf die Dauer zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Magenbeschwerden, Herzproblemen, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Kopfschmerzen etc.

… macht einsam
Wer arm ist, hat weniger freundschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte. Arme Menschen leben oft in Isolation. Beispielsweise kann fast jede/r zehnte ÖsterreicherIn es sich nicht leisten, Freunde oder Verwandte einmal im Monat nach Hause zum Essen einzuladen.

… nimmt Zukunft
Menschen, die am Limit leben, haben geringere Aufstiegschancen. Ihre Zukunft wird von der sozialen Herkunft bestimmt. In Österreich haben Kinder armer Menschen eine schlechtere Chance auf eine gute Ausbildung – der soziale Status der Eltern beeinflusst in den meisten Fällen die Bildungs- und damit die Einkommenschancen der Kinder.


Konkret bedeutet Armut: kaum Möglichkeiten, in zentralen gesellschaftlichen Bereichen – wie Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Sozialkontakte, kulturelles Leben, Bildung – zumindest in einem Mindestmaß teilhaben zu können. Arme Menschen haben weniger Chancen im Leben.

 

 
Gesellschaft & Soziales
4020 Linz
Kapuzinerstraße 84
Telefon: 0732/7610-3251
Telefax: 0732/7610-3779
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Fachbereich Kommunikation
Herrenstraße 19
Postfach 251
4021 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: