Dienstag 16. Juli 2024

Voll tanken - Energie zum Leben

Vorschlag zur Predigt am Erntedanksonntag 2007

Evangelium: Lk 11,1-8
Lesung: Gen 41,39-57

 

Autor: Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder,

 

seit einiger Zeit geistert ein Zauberwort durch die Umweltdebatten, und das heißt „Nachwachsende Rohstoffe“. Rohstoffe zur Energieerzeugung, so die Idee, sollen nicht mehr aus den Tiefen der Erde gefördert werden, sondern auf unseren Feldern wachsen: Ölpflanzen, Mais, Energieweizen, Schilfgras und viele mehr. Mit ihrer Hilfe könnten wir dann CO2-neutral unsere Gebäude heizen, Strom erzeugen und Auto fahren. Es würde nicht mehr Kohlendioxid in die Umwelt geblasen als zuvor in den Pflanzen gebunden wurde. Eine verlockende Vorstellung. Denn für Verbraucherinnen und Verbraucher verbindet sich damit die Hoffnung, ihren bisherigen Lebensstil klimaverträglich weiterführen zu können und ökologisch ein gutes Gewissen zu haben. Und Landwirtinnen und Landwirten verheißen die nachwachsenden Rohstoffe angesichts stetig sinkender Lebensmittelpreise endlich eine neue, zukunftsträchtige Einnahmequelle. Zwei Fliegen werden hier also mit einer Klappe geschlagen. Sind nachwachsende Rohstoffe folglich die Lösung unserer Probleme und die Zukunft der Landwirtschaft wie der Energieversorgung?

 

1) Die Ambivalenz der Bio-Energie

 

Es verwundert, dass Fachleute keineswegs so euphorisch und optimistisch sind, wie es auf den ersten Blick zu erwarten wäre. Denn erstens könnten wir unseren heutigen Energieverbrauch in Mitteleuropa bei weitem nicht über nachwachsende Rohstoffe decken, selbst wenn wir dazu sämtliche Ackerflächen benutzen und keinerlei Lebens- und Futtermittelpflanzen mehr anbauen würden. Und zweitens brauchen wir den überwiegenden Teil unserer Ackerflächen zur Lebensmittelproduktion, wenn wir die immer noch wachsende Weltbevölkerung nur halbwegs gut ernähren wollen. Selbst bei Einsatz optimaler Anbaumethoden sind die Spielräume relativ gering, Ackerflächen der Erzeugung von Energiepflanzen zu widmen.

 

Was passiert, wenn man allzu sehr auf die Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen setzt, sehen wir bei einem Blick in andere Länder: In Brasilien und Indonesien zum Beispiel werden derzeit riesige Flächen des kostbaren Regenwaldes gerodet, um Energiepflanzen wie Zuckerrohr oder Ölpalmen anzubauen. Und als die USA Anfang diesen Jahres in großem Maßstab Mais aus Mexiko aufkaufte, um daraus Sprit für ihre Autos herzustellen, da explodierten in Mexiko die Maispreise, und die Armen konnten sich das in diesem Land wichtigste Grundnahrungsmittel nicht mehr kaufen. Massenhafter Hunger war die Folge, mehrere Großdemonstrationen zeigten die Wut und Empörung der Bevölkerung.

 

Trotzdem setzt auch die EU weiter auf die immer stärkere Beimischung von Biosprit in Benzin und Diesel und verpflichtet die Mineralölkonzerne zu gesetzlichen Mindestquoten. Ist das ethisch verantwortbar? Sieht so der Weg in die Zukunft aus?

 

2) Die Perspektive der Bibel

 

In der Lesung haben wir gehört, wie Josef als Stellvertreter des Pharao der Sorge um die Nahrungssicherheit höchste Priorität gibt. Als die sieben fetten Jahre in Ägypten herrschen, legt er aus den geernteten Überschüssen an Getreide große Vorräte an, um in Krisenzeiten gewappnet zu sein. Und so kann er in den sieben mageren Hungerjahren nicht nur das eigene Volk bestens ernähren, sondern selbst den Nachbarvölkern so viel verkaufen, dass sie satt werden. Wohlgemerkt: Er verkauft – er verschenkt nicht. Aber er verkauft offenkundig zu fairen, bezahlbaren Preisen. Die internationalen Hilfsorganisationen mussten in den letzten Jahrzehnten erst wieder lernen, dass die kostenlosen Lebensmittellieferungen in die Hungergebiete der Erde die Märkte in den Nachbarregionen zusammenbrechen lassen und zu mehr Hunger führen, als sie stillen können. Aber vor allem wird am Handeln Josefs klar, dass er eindeutige, humane Prioritäten setzt: Statt dass das satte Land USA noch Lebensmittel importiert, um seine Autos zu betreiben, verkauft das satte Ägypten Josefs mit großer Selbstverständlichkeit seine Überschüsse an die hungernden Nachbarn. Der Hunger der Menschen ist das erste, was gestillt werden muss.

So beten wir es auch im „Vater unser“, das wir im Evangelium gehört haben. Deutlicher als Matthäus betont Lukas, dass es um das lebensnotwendige Minimum geht, um die Grundbedürfnisse, nicht um den Komfort. Denn bei ihm heißt es wörtlich: „Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen.“ Man könnte auch deutlicher sagen: Gib uns täglich so viel Brot, wie wir brauchen – nicht mehr, das soll uns genügen, damit geben wir uns zufrieden. Sie spüren vielleicht, liebe Schwestern und Brüder: Es wäre schon viel, wenn wir das in den reichen Ländern ehrlich beten könnten. Denn wir alle genießen weit mehr materiellen Wohlstand als nur das notwendige Minimum zum Überleben. Die Bitte um das notwendige Brot wird Gott uns erfüllen, sagt Jesus. Von der Bitte um Reichtum und Luxus ist nicht die Rede.

 

3) Menschenhunger vor Autodurst. Praktische Konsequenzen

 

So gesehen legt uns die Bibel klare Prioritäten vor: Menschenhunger vor Autodurst. Es kann nicht angehen, dass wir unsere Äcker zur Energieproduktion benutzen, wenn dadurch Menschen hungern müssen. „Energie zum Leben“, so lautet das Motto der diesjährigen Schöpfungszeit der Kirchen, die wir in diesen Tagen begehen. Zum Leben, nicht zum Autofahren! Sich mit Lebensenergie voll tanken soll zuerst einmal der Mensch, nicht die Maschine. Und das hat sehr praktische Konsequenzen:

  • Der wichtigste Beitrag zur Lösung des Klimaproblems sind die „NegaWatt“, die nicht gebrauchten Energien. Alle seriösen Studien zeigen uns, dass wir vor allem eins tun müssen: Energie sparen, sparen, sparen. Durch sparsamere Technologien, die mit weniger Energie dasselbe produzieren. Aber auch und vor allem durch einen weniger aufwändigen Lebensstil, der das Glück nicht in materiellem Besitz und Konsum, sondern in heilsamen Beziehungen mit den Mitmenschen und der Umwelt sucht.
  • Nachwachsende Rohstoffe sind ein wichtiger Beitrag, um das Klimaproblem zu lösen. Aber sie dürfen nur dort angebaut werden, wo Flächen nicht für die Lebensmittelproduktion gebraucht werden (können). Darüber hinaus besteht ein erhebliches Potenzial in der Nutzung der pflanzlichen Reststoffe zur Energieerzeugung. Essen können wir nur die Körner von Getreide und Mais, der Rest ist wertvolle Energie. Essen können wir nur die Milch und das Fleisch der Kühe, ihre Gülle aber ist wertvoller Rohstoff. Hier liegt die wahre Chance der nachwachsenden Rohstoffe.
  • Die Landwirtschaft wird in Zukunft also sehr wohl einen Teil ihres Verdienstes aus dem Verkauf von Energierohstoffen oder gar fertiger Energie beziehen. In erster Linie aber sollen und müssen die Landwirtinnen und Landwirte das bleiben, was sie von jeher waren: Produzentinnen und Produzenten unserer Lebensmittel. Denn die brauchen wir mehr als alles andere.

 

Liebe Schwestern und Brüder, das Erntedankfest warnt uns vor einer allzu großen Euphorie im Blick auf die nachwachsenden Rohstoffe. Es erinnert uns an das, was die oberste Priorität all unseres menschlichen Sorgens sein muss: Das tägliche Brot, das wir zum Leben brauchen. Und Erntedank erinnert uns an den, der um diese oberste Priorität unseres Mühens weiß. Der uns so reichlich gibt, dass rein rechnerisch alle Menschen leben könnten, und dem wir daher heute voll Ehrfurcht danken.

 

Anmerkung: Das Motto des Erntedanksonntags wurde übernommen von der OeKU, der ökumenischen Arbeitsstelle Kirchen und Umwelt in der Schweiz. Bei dieser Stelle können auch weitere Materialien zum Thema und für die Schöpfungszeit vom 1.9. bis zum 4.10. bezogen werden.

 

Ergänzende Materialien:

 

Gebet zur Segnung der Erntegaben oder auch an einer anderen Stelle des Gottesdienstes:

 

Gott, unser Vater,

du sorgst für deine Geschöpfe.

Menschen, Tiere und Pflanzen schenkst du Nahrung im Überfluss

und Energie zu einem Leben in Fülle.

Wir danken dir für die Ernte des Jahres.

Nähre und stärke uns mit dem, was auf den Feldern gewachsen ist.

Lass uns allezeit dankbar sein vor dir, unserem Schöpfer,

und gib, dass wir deine Gaben mit allen teilen, die Hunger haben.

Texte der vorgeschlagenen Schriftlesungen

 

Lesung aus dem Buch Genesis

 

41 39 Dann sagte der Pharao zu Josef:

            Nachdem dich Gott all das hat wissen lassen,

            gibt es niemand, der so klug und weise wäre wie du.

40 Du sollst über meinem Hause stehen,

            und deinem Wort soll sich mein ganzes Volk beugen.

Nur um den Thron will ich höher sein als du.

41 Der Pharao sagte weiter zu Josef: Hiermit stelle ich dich über ganz Ägypten.

42 Der Pharao nahm den Siegelring von seiner Hand

            und steckte ihn Josef an die Hand.

Er bekleidete ihn mit Byssusgewändern

            und legte ihm die goldene Kette um den Hals.

43 Dann ließ er ihn seinen zweiten Wagen besteigen.

            Man rief vor ihm aus: Achtung!

So stellte er ihn über ganz Ägypten.

 

47 Das Land brachte in den sieben Jahren des Überflusses überreichen Ertrag.

48 Josef ließ während der sieben Jahre, in denen es Überfluss gab,

            alles Brotgetreide in Ägypten sammeln und in die Städte schaffen.

Das Getreide der Felder rings um jede Stadt ließ er dort hineinbringen.

49 So speicherte Josef Getreide in sehr großer Menge auf, wie Sand am Meer,

            bis man aufhören musste, es zu messen,

            weil man es nicht mehr messen konnte.

53 Die sieben Jahre des Überflusses in Ägypten gingen zu Ende,

54 und es begannen die sieben Jahre der Hungersnot,

            wie es Josef vorausgesagt hatte.

Eine Hungersnot brach über alle Länder herein,

in ganz Ägypten aber gab es Brot.

55 Da ganz Ägypten Hunger hatte, schrie das Volk zum Pharao nach Brot.

Der Pharao aber sagte zu den Ägyptern: Geht zu Josef! Tut, was er euch sagt.

56 Als die Hungersnot über das ganze Land gekommen war,

            öffnete Josef alle Speicher und verkaufte Getreide an die Ägypter.

Aber der Hunger wurde immer drückender in Ägypten.

57 Auch alle Welt kam nach Ägypten, um bei Josef Getreide zu kaufen;

            denn der Hunger wurde immer drückender auf der ganzen Erde.

Und Josef verkaufte ihnen allen Getreide.

 


Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

 

 

11 1 Jesus betete einmal an einem Ort;

und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm:

Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.

2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht:

Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.

3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen.

4 Und erlass uns unsere Sünden;

            denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.

Und führe uns nicht in Versuchung.

5 Dann sagte er zu ihnen:

Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht

            und sagt: Freund, leih mir drei Brote;

6 denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen,

            und ich habe ihm nichts anzubieten!,

7 wird dann etwa der Mann drinnen antworten:

            Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen,

                        und meine Kinder schlafen bei mir;

            ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben?

8 Ich sage euch:

Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt,

            weil er sein Freund ist,

so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen

            und ihm geben, was er braucht.


 

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