Donnerstag 28. November 2024

Der Ruf zum radikalen Leben. Achtung für die ganze Schöpfung

Sozialpredigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis, 26. August 2007

 

Im Rahmen der Sommer-Predigtreihe (18. bis 21. Sonntag im Jahreskreis) zu den Anliegen der Europäischen ökumenischen Versammlung in SIBIU/Hermannstadt von 3. bis 9. September

 

2007: Europa, Frieden/Versöhnung, Islam/Integration, Schöpfung bewahren und zu den Themen der Charta oecumenica.

 

Evangelium: Lk 13,22-30

Lesung: Jes 66,18-21

 

Autorin: Univ.-Ass.in MMag.a Dr.in Edeltraud Koller, Kath.-Theolog. Privatuniversität Linz

Einleitung

 

Wir kommen zusammen zu einem Fest – dem wöchentlichen Fest.

Im stetigen Rhythmus der sieben Tage kommen wir zusammen.

Immer neu klingt Gottes Wort.

Immer neu ist Gott unter uns.

 

Und wir schöpfen Mut für unser Leben daraus.

Die Hoffnung, dass unser Leben gelingt.

Die Überzeugung, dass unser Tun die Welt prägen wird.

Wir sind getragen von der Hoffnung und der Gewissheit,

dass unser Leben Sinn hat,

dass wir beschenkt sind und

dass die Welt gerechter werden soll.

Wenn wir uns getragen wissen von dieser Hoffnung,

gelingt unser Leben und

können wir die Welt ein Stück weit gerechter machen.

 

Kyrie

 

An Jesus, der uns dieses Leben vorgelebt hat, wenden wir uns:

 

Jesus Christus,

mit dir haben wir einen Gott gemeinsam, der uns nach seinem Bild geschaffen und zu Großem berufen hat. Wenn wir aber klein reden und handeln, rufen wir:

Herr, erbarme dich unser.

 

An dir haben sich die Geister geschieden: Menschen, die sich so sicher in Glaubens- und Lebensdingen waren, haben deinen Weg des Lebens verfehlt.

Christus, erbarme dich unser

 

Du warst erfüllt vom Heiligen Geist, der die Kraft gibt, den eigenen Weg und den Weg der Gerechtigkeit zu gehen.

Herr, erbarme dich unser.

 

Vergebungsbitte

Der barmherzige und treue Gott erbarme sich unser, er nehme uns an, er wandle unsere Dunkelheiten und mache unser Leben hell. Amen.

 

Tagesgebet

Guter Gott, wir danken dir für das Geschenk dieser Zusammenkunft. Sie hält in uns lebendig, was wir allein vergessen und verlieren würden. Zeig uns heute neu, worauf es in unserem Leben ankommt. Festige unsere Gemeinschaft mit dir und untereinander. Schenk uns den Geist deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, der in der Einheit des Hl. Geistes mit dir lebt und uns liebt in alle Ewigkeit. Amen.

 

Predigtgedanken

 

Wir wollen etwas vom Leben haben

In diesen Tagen und Wochen erleben wir besonders deutlich, dass wir Menschen etwas vom Leben haben wollen. Denn der Sommer eignet sich in besonderer Weise dazu, das Leben zu spüren. Natürlich: wir gestalten diese Zeit sehr unterschiedlich. Die einen fahren in Urlaub: Sie wollen ausspannen und andere Kulturen, Orte und Menschen kennen lernen. Für die anderen ist der Sommer voll von Arbeit: Die Arbeit in der Landwirtschaft erreicht im Sommer einen Höhepunkt. Viele arbeiten, bringen das Futter für ihre Tiere ein, ernten die Früchte der Felder. Aber zumindest eines ist vielen von uns gemeinsam in dieser Zeit:

  • Wir wollen, dass wir das Leben spüren.
  • Wir wollen, dass unser Arbeiten Frucht bringt und dass wir den Lohn für unsere Mühe sehen.
  • Oder wir wünschen uns, dass die freie Zeit des Sommers Gelegenheit bietet, ich selbst sein zu können, neue Eindrücke und Begegnungen zu gewinnen, die uns zeigen, wie reich das Leben und die Welt ist.
  • Wir wünschen uns, dass wir mehr Zeit mit uns lieben Menschen verbringen können.

Es gehört zu uns Menschen, dass wir erleben wollen, dass unser Leben sich entfaltet. Wir wollen nicht nur wissen, sondern auch spüren und erfahren, worauf es im Leben ankommt und wie reich unser Leben ist.

 

Leben inmitten der Schöpfung

Vielleicht spüren wir im Sommer mehr als sonst: Wenn wir uns lebendig fühlen, erfahren wir uns als Teil der Schöpfung. Im Sommer fühlen sich viele der Schöpfung besonders nahe: Viele verbringen lange Nächte bei Gesprächen im Garten; oder wandern auf Berge; oder mühen sich eben bei den Erntearbeiten. Auf unterschiedliche Weise lädt diese Zeit gerade besonders ein, die Schöpfung zu erleben und uns als Teil der Schöpfung zu erleben. Aber es geht um mehr, als bloß etwas zu erleben. Als Christinnen und Christen erkennen wir in der Schöpfung das Wirken des Schöpfers. Das ist nicht einfach nur ein schöner Gedanke, sondern ist ein Kern unseres Glaubens und unserer christlichen Lebensgestaltung. Und das hat Konsequenzen. Unser Glaube an den Schöpfer führt zur Verantwortung für diese Schöpfung. Schöpfungsverantwortung ist für die Kirche nicht einfach eine neue Mode; nicht einfach ein politischer Zug, auf den sie halt auch aufspringen will. Die Bewahrung der Schöpfung gehört so sehr zum Christlichen, dass sich von da her auch einiges entscheidet.

 

Sorgsam mit der Schöpfung umgehen – ein Kriterium christlichen Lebens

Denn christliches Leben zeigt sich auch daran, dass wir sorgsam mit der Schöpfung umgehen. Auf einer Spruchkarte bekam ich kürzlich zu lesen: „Angenommen, du würdest verhaftet, weil du ein Christ/eine Christin bist: Gäbe es genügend Beweise, dich zu überführen?“ Oder in der Diktion des Jesuswortes im heutigen Evangelium heißt das: Kann uns Jesus als eine oder einen der Seinen erkennen?

Sich als ChristIn erkennbar zu machen, braucht etwas anderes, als wir sonst gewöhnt sind. Es ist anders als bei Berufen: Bauern/Bäuerinnen sind im Sommer gut sichtbar, und jeder kann sehen, was sie sind. Es ist anders als bei Staatszugehörigkeiten: Wer im Sommer verreist, sieht sich häufig mit der Frage konfrontiert, woher man komme und wer man sei. Meistens lässt sich diese Frage relativ leicht beantworten. Und es ist leicht, nachzuweisen, dass die Antwort stimmt. Wir brauchen nur den Reisepass oder Ausweis zu zücken, und wir haben bewiesen: Österreicher/in.

Aber sind wir auch als Christinnen und Christen so leicht zu identifizieren?

Ein unverzichtbares Zeichen für unser Christ/in-Sein besteht in unserem Tun: Wofür wir uns einsetzen, was uns am Herzen liegt, zeigt, wer wir sind. Christliches Tun ist aber nie bloß privat, so als ob es nur eine Sache zwischen mir und „meinem Herrgott“ wäre. Vielmehr ist das Christliche Tun immer auch bewegt vom sozialen Bemühen. Gerechtigkeit – Friede – Bewahrung der Schöpfung. Das sind die Schlüsselwörter, die die Kirchen einen. Gerade nun, wenige Tage vor der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu / Hermannstadt, sollten wir uns vor Augen führen: Gerechtigkeit – Friede – Bewahrung der Schöpfung gehören zum christlichen Leben. Sie zeigen uns einen Weg, zu einem guten Leben für alle Menschen der Welt und für mich selbst.

 

Schöpfungsverantwortung – der Weg zum reicheren Leben

Gerade in einer Zeit, in der sich viele gern und viel in der Natur aufhalten, liegt es nahe, die „Bewahrung der Schöpfung“ etwas genauer anzuschauen. Denn sie gehört nicht nur zum christlichen Leben; wir müssen sie auch beachten, wenn wir den Weg zum reicheren, volleren Leben suchen:

  • Schöpfungsverantwortung heißt, in der Umwelt den Schöpfer zu erfahren. Vielleicht erleben Sie auch hin und wieder Kinder oder Erwachsene, wie sie staunend vor einer Blume oder einem Käfer knien; wie sie erschaudern vor dem lauten Knall eines Donnerschlags und innehalten vor der Schönheit eines Regenbogens; oder wie sie Dankbarkeit lernen für das gemeinsame Essen; wie sie dankbar wahrnehmen, was uns der Boden an Früchten bringt und wie wohltuend Sonne und Regen auf unserer Haut sind. Das macht uns dankbar für das, was uns geschenkt ist. Und wer sich beschenkt weiß, kann das Leben in seiner Fülle wahrnehmen.
  • Schöpfungsverantwortung heißt auch, hellsichtig und hellhörig zu sein. Viele erkennen, dass wir wohl Teil der Schöpfung sind, mit unserem Leben aber auch vieles ruinieren können. Hellsichtig und hellhörig zu sein, heißt achtsam zu sein: aufmerksam für die Belastungen, die wir mit unseren Handlungen der Umwelt zufügen; aber auch aufmerksam für die Möglichkeiten, die Schädigung der Schöpfung zu verringern. So macht uns diese Achtsamkeit auch bereit, das Unsere zu tun und der Hoffnung zu trauen, dass unser sorgsamer Umgang mit der Schöpfung manches verändern und andere motivieren kann.
  • Schöpfungsverantwortung heißt schließlich auch, uns bei unserer Lebensgestaltung an dem zu orientieren, was uns trägt. So kann uns unser Glaube an den Schöpfer helfen, neue und reichere Wege zu finden, wie wir unser Leben gestalten. Getragen vom Wissen, dass uns Gott täglich reich beschenkt, werden wir fähig, nicht alles mögliche Zeug haben zu müssen. Wir werden fähig, mit anderen Menschen – denen in entfernten, armen Ländern und denen, die nach uns kommen – zu teilen. Wir werden fähig, neue Erfahrungen zu machen: die wohltuende Langsamkeit, wenn wir das Auto stehen lassen, und einen Weg zu Fuß zurücklegen; die Begegnungen, wenn wir Lebensmittel beim Bauernhof kaufen; die Dankbarkeit und Stille, wenn wir bei einer Wanderung beim Betrachten der Natur erleben; der Genuss, wenn wir Lebensmittel essen, die gesund sind und von denen wir wissen, wer sie mit Arbeit produziert hat.

Von den Letzten und den Ersten

Schöpfungsverantwortung kann uns so zu einem reicheren Leben führen. Allerdings können das viele nicht so recht glauben. Jene, die darauf hinweisen, dass die christliche Pflicht zur Schöpfungsverantwortung notwendig ist und uns tiefere Erfahrungen bringen kann, treffen gar nicht so selten auf Unverständnis: Unrealistisch sei es, dass ich durch weniger Autofahren etwas zum Klimaschutz betragen könne; unfrei mache es mich, wenn ich weitgehend auf Flüge verzichten müsse; unbequem sei es, wenn ich bei meinem Einkauf regionale, biologische und faire Produkte suchen solle. Schöpfungsverantwortung gehe mit einem entbehrungsreichen, unmodernen Leben einher.

Aber auch hier gilt das Jesus-Wort: „Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.“ Viele von denen, die in Achtung für die Schöpfung ihr Leben zu gestalten trachten, gewinnen an Lebensqualität, an Dankbarkeit, an Aufmerksamkeit und an solidarischer Verbundenheit mit den Ärmeren dieser Welt. Es ist eine glaubwürdige Verheißung: Ihr Weg wird sich – wie bei allen zentralen Botschaften und Aufgaben des Christentums – als der gute Weg für sich selbst, für die Menschheit und für die Schöpfung herausstellen. So gesehen beginnen sie schon jetzt, nicht mehr die Letzten, die Verlierer, jene zu sein, die sich alles Mögliche verbieten müssen. Sie beginnen schon jetzt, die Ersten zu sein, jene, die etwas Wesentliches für ihr Leben gewinnen.

So ruft Jesus im heutigen Evangelium auch uns dazu auf, uns nicht täuschen zu lassen und das wirkliche Leben zu wählen. Es ist die Fülle des Lebens, die uns verheißen ist und mit einem großen Fest zu vergleichen ist: „Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.“

 

Fürbitten

 

Jesus Christus, du bist Wegweiser und Quelle des Lebens zugleich. Du hast das menschliche Leben mit uns geteilt und weißt, wessen wir wirklich bedürfen. So bitten wir dich:

  • Für die Menschen, die an Krankheit, Ausgrenzung oder Einsamkeit schwer zu tragen haben.
  • Für die Menschen, die sich in der Landwirtschaft hier und in fernen Ländern darum mühen, das tägliche Brot für alle zu sichern.
  • Für die Menschen, die in aller Welt Alternativen zu unserer verschwenderischen Lebensart einüben.
  • Für die Verantwortlichen in Technik, Industrie und Politik, die von der Anwendung alles Machbaren fasziniert sind und die Natur ausschließlich als Mittel für uns Menschen sehen.
  • Für die Menschen, denen unser derzeitiger Hunger nach Ressourcen Krieg bringt.
  • Für die Erde, die uns und alles Leben trägt und die unter den Schadstoffen und der Ausbeutung ihrer Ressourcen stöhnt.

Jesus Christus, du hast uns gezeigt, wer Gott ist: nämlich der Gott des Lebens. In der Kraft des Hl. Geistes setzen wir unsere Hoffnung auf Gott und sein Reich. Denn wir sehnen uns nach einem Leben in Fülle, heute und in Ewigkeit. Amen.

Schlussgebet

 

Guter Gott, du beschenkst uns in der Mahlfeier immer wieder mit deinen Gaben. Halte in uns den Wunsch nach dieser Zusammenkunft und dem gemeinsamen Feiern wach. Lass uns mit dir in den kommenden Tagen in Verbindung bleiben, und schenke uns die Gewissheit, dass du immer bei uns und in deiner Schöpfung bist. So können wir wahrhaft als Christinnen und Christen leben. Darauf vertrauen wir. Amen.

 

Lieder

  • Gott liebt diese Welt. GL 297
  • Erde singe, dass es klinge. GL 808
  • Solang es Menschen gibt auf Erden. GL 300
  • Erfreue dich, Himmel. GL 259

 

Gesellschaft & Soziales
4020 Linz
Kapuzinerstraße 84
Telefon: 0732/7610-3251
Telefax: 0732/7610-3779
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Fachbereich Kommunikation
Herrenstraße 19
Postfach 251
4021 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: