Sonntag 1. Dezember 2024

... ich will den Boden um den Baum herum aufgraben und düngen (Lk 13,9)

3. Fastensonntag

Autorin:

 

Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt

 

Lk 13,1-9 - eine Predigt zum Prinzip der Subsidiarität der kath. Soziallehre

Zur Besinnung

 

Am Beginn dieses Gottesdienstes wollen wir uns besinnen, wie wir mit der Spannung zwischen schwach und stark, mächtig und ohnmächtig, über- und untergeordnet umgehen.

 

  • “Die da oben“ können sich`s immer richten und die letzten beißen die Hunde, sagen wir voll Verbitterung und Zorn, anstatt Wege zu suchen, unseren Anliegen Gehör zu verschaffen.

 

  • Ich will versorgt werden, ich will mich nicht anstrengen müssen und keine Verantwortung tragen: Vater Staat muss es schon richten, trotzen wir und machen uns klein und unmündig

 

  • „Selber schuld“, sagen wir zu Mitmenschen, die im Leben nicht so erfolgreich und weit gekommen sind, wie wir. Wir fragen uns nicht, warum sie so sind und ob wir nicht selbst hätten helfen müssen.

 

Wegen dieser Versuchungen, denen wir immer wieder einmal erliegen, rufen wir Gottes Erbarmen an: Herr, erbarme dich unser......

 

 

Schriftstellen: Exodus 3,1ff

                       Lk 13,1-9 oder Kurzfassung 6-9

  

PREDIGT

 

Schauen wir uns dieses Gleichnis vom Weingartenbesitzer, vom Weingärtner und vom Feigenbaum einmal genau an. Was geschieht da? Im Weingarten eines Mannes wächst ein Feigenbaum. Ob er wild aufgegangen ist oder gepflanzt wurde, erfahren wir nicht. Und der Weingartenbesitzer denkt nüchtern: Fruchtbäume sind dazu da, um Früchte zu bringen. Aber dieser Baum trägt keine. Dabei hat der Gartenbesitzer ja schon Geduld gezeigt und drei Jahre lang gewartet, ob es Früchte geben wird. Er hat dem Baum ohnehin schon Zeit gelassen. Es ist nur zu

 

 

verständlich, dass er den unfruchtbaren Baum weghaben will. Er entzieht schließlich dem Boden Nährstoffe für Nichts, die den umliegenden Weinstöcken dann fehlen.

 

Aber der Weingärtner nimmt den Baum in Schutz und erwirkt ihm noch eine weitere Frist. Warum tut er das? Im Unterschied zum Gutsbesitzer, der nur zur Ernte kommt, lebt der Gärtner im Weinberg. Er kennt alle Gegebenheiten und weiß um die Wachstumsbedingungen auf diesem Stück Land. Deshalb vermutet er, dass der Baum vielleicht nicht wirklich unfruchtbar ist, sondern dass es Gründe - verborgene Gründe - für seine Fruchtlosigkeit gibt. Weil der Gärtner die Situation kennt, urteilt er nicht nach dem Augenschein, sondern denkt auch an mögliche Hintergründe für die Situation. Nicht zufällig vermutet er die Defizite unsichtbar im Boden (Nährstoffmangel und zu wenig Luft). Und er ist motiviert und Willens, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dem Baum doch noch zur Fruchtbarkeit zu verhelfen.

 

Dieses Gleichnis ist ein gutes Beispiel für die Spannung, die entsteht, wenn der Blick auf das große Ganze (den Weingarten) und der Blick auf das konkrete Detail (den Feigenbaum) zu verschiedenen Interpretationen der Situation führen und daher unterschiedliche Maßnahmen nahe legen.

Diese Spannung durchzieht unser ganzes Leben. Sie prägt vor allem den Bereich der Arbeitswelt, der Wirtschaft und der Politik. Überall dort gibt es Personen, die dazu bestimmt und beauftragt sind, das Ganze im Blick zu haben, sozusagen „von oben“ auf eine Gemeinde, einen Betrieb, ein Land zu schauen und Maßnahmen und Perspektiven, auch Forderungen aus dem Überblick heraus zu entwickeln.

Und dann gibt es die Vielen, die die konkrete Arbeit vor Ort tun, die diese Situation im Detail kennen und aus dieser Perspektive wissen und fordern, was zu tun ist.

Beide Pole sind für gutes Zusammenleben wichtig und deshalb ist es kein Ausweg, die Spannung aufzulösen, indem man einen Pol aufwertet und den anderen abwertet oder ausklammert.

Um diese Spannung fruchtbar zu machen, hat die katholische Soziallehre das Unterstützungsprinzip (lateinisch Subsidiaritätsprinzip) entwickelt.

Es besagt, dass grundsätzlich jeder Mensch und damit auch jede kleine Einheit menschlichen Zusammenlebens (Familie, Schule, Betrieb, Gemeinde) fähig ist, die Belange ihres miteinander Umgehens selbst und eigenverantwortlich zu regeln. Diese Tatsache und die daraus folgende Autonomie zur Selbstorganisation darf nicht von größeren gesellschaftlichen Institutionen und Einheiten an sich gezogen und eingeschränkt werden. Menschliches Leben ist zu verschieden und Situationen zu einmalig, um von einem allgemeinen Standpunkt aus sinnvoll geregelt werden zu können.

 

 

Wo die kleine Einheit aber an ihre Grenzen stößt, ist die größere Institution in der Gesellschaft gefragt, fördernd und unterstützend einzugreifen. Die größeren Einrichtungen des Staates, der Wirtschaft und Politik sind verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die kleineren Einrichtungen vor Ort ihre Aufgaben erfüllen können.

Dazu zwei Beispiele:

 

Eine Alleinerzieherin ist fähig ihr Leben selbst zu regeln und für sich und ihre Kinder zu sorgen. Wenn es für sie aber keine Arbeitsmöglichkeit in der Zeit gibt, wo ihre Kinder kostengünstig betreut werden können (Kindergarten, Schule, Hort), stößt sie an ihre Grenzen, weil sie nicht die Kompetenz hat, Arbeitszeit und Betreuungspflichten aufeinander abzustimmen. Hier sind Gemeinde und Politik gefordert.

 

Ein anderer Fall: Jemand kennt eine Flüchtlingsfamilie, der er oder sie einen bestimmten Lebensstandard, der über die allgemeine Grundversorgung hinausgeht, vergönnt ist, so kann man das auf privater Basis gerne und gut machen. Eine Flüchtlingsberatungsstelle jedoch muss dafür sorgen, dass nicht nur jene, die am lautesten schreien oder wohlhabende Bekannte haben, unterstützt werden, sondern dass die Steuer- und Spendengelder gerecht nach für alle gültigen Regeln vergeben werden.

 

Zurück zum Gleichnis: Für den Weingarten schaut das Beste heraus, wenn Gärtner und Gutsbesitzer miteinander reden und aufeinander hören. Dann können sie ihre Maßnahmen so aufeinander abstimmen, dass schließlich alle zufrieden gestellt werden: Der Baum bringt Früchte, der Gutsbesitzer kann ernten und der Gärtner ist in seiner Einschätzung der Lage bestätigt und erfolgreich in seinen Handlungen.

Im Miteinander-Reden und Aufeinander-Hören können die großen und kleinen Einheiten in der Gesellschaft das Beste für das Zusammenleben der Menschen erreichen.

Dieses Grundprinzip ist auch im ökumenischen Sozialwort der Kirchen enthalten, weil es ein Schlüssel für das Bewältigen der Spannung zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen im gesellschaftlichen Zusammenleben der Menschen ist.

 

Fürbitten

 

Gott, du willst Leben in Fülle für uns, deshalb bitten wir:

 

  • Für die Politiker, Firmenchefs, Schuldirektorinnen und alle in gesellschaftlichen Machpositionen Tätigen, dass sie ihre Maßnahmen am Wohl jeder einzelnen Person ausrichten.

 

  • Für die Menschen, die nur versorgt werden wollen, dass sie erfahren, wie beglückend es ist, eigenständig und verantwortungsbewusst zu leben.

 

  • Für alle, denen der Dialog zwischen Groß und Klein, Unten und Oben zu mühselig erscheint. Zeige ihnen, dass er der einzige Weg zu gutem Leben für alle ist.

 

  • Bestärke in unserer Gesellschaft jene, die wie der Gärtner nach den verborgenen Ursachen von Leid suchen und sich engagieren, es zu lindern.

 

  • Gib uns den Mut, uns und Anderen immer wieder Gnadenfristen zu gewähren, und gleichzeitig die Kraft, sie nicht ungenützt verstreichen zu lassen.

 

Gott, wir vertrauen darauf, dass du uns hörst und erhörst.

 
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