Termine statt.
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Vorwort zur Idee einer Dialogpredigt:
Unsere Gesellschaft differenziert sich immer mehr aus. Menschen leben nach Werten und haben Gedanken und Ansichten, die immer stärker voneinander abweichen oder sich sogar widersprechen. Parallel dazu kann man beobachten, dass die Leute immer weniger miteinander reden, einander zuhören und andere, abweichende Meinungen tolerieren und respektieren können oder wollen.
Viele umgeben sich, nicht nur in den sozialen Netzwerken mit Personen, die dieselben Ansichten haben wie sie und meiden den Kontakt zu Leuten, die anders denken oder handeln. Das geht bis in die Familien hinein und führt zu Entfremdung und der Entstehung von Vorurteilen.
In Deutschland wurde daher eine Initiative im Bereich der Politik gestartet, bei der Menschen aus unterschiedlichen Parteien eingeladen wurden mit einer Person aus einer anderen Partei ein strukturiertes Gespräch zu führen. Dabei wurde zuerst eine festgelegte Zeit lang der jeweilige Standpunkt dargelegt und die andere Person hörte zu ohne zu unterbrechen. Nach dem Rollentausch war noch Gelegenheit über das Gehörte zu diskutieren. Alle Leute, die sich darauf eingelassen hatten sagten nach der Veranstaltung, dass es sich gelohnt hätte zu kommen und sie es sehr interessant und bereichernd gefunden haben sich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen.
Diese Idee liegt der vorliegenden Predigt zu Grunde. Auch sie soll die Besucher und Besucherinnen des Gottesdienstes animieren verschiedene Ansichten zum Thema Nächstenliebe anzuhören und zuzulassen und darüber ins Gespräch zu kommen.
Ablauf:
Es wäre gut, wenn die Predigt von zwei Sprechenden vorgetragen würde. Jeweils ein Absatz sollte von einer Person gelesen werden.
Danach kann man die Gottesdienstbesuchenden bitten sich mit ihrem Banknachbarn oder der Nachbarin über das Gehörte auszutauschen. Wichtig dabei ist klare Zeitvorgaben zu machen, damit das Gespräch den Rahmen des Gottesdienstes nicht sprengt.
Wahrscheinlich wird es sinnvoll sein nach der Feier noch Gelegenheit zum Weiterreden anzubieten als Pfarrkaffee, Frühschoppen oder Ähnliches.
Kurze Einführung zu 2 Thessaloniker
Im neuen Testament sind 2 Briefe an die Gemeinde Thessalonich. Verfasser sind Paulus und seine MitarbeiterInnen. Während der erste Brief von den WissenschafterInnen recht früh (ca. 50 Jahre nach Christus) in Korinth datiert wird, gilt der zweite als „spät“ und etwas rätselhaft, weil er sich in Sachen der nahen Erwartung des Reiches Gottes immer wieder von den frühen Schriften unterscheidet. In dem heute gehörten Abschnitt beziehen sich die Briefe allerdings aufeinander. Er bezieht sich auf die Ordnung des Zusammenlebens in den Christengemeinden.
Lesung aus dem zweiten Thessalonicherbrief.
Schwestern und Brüder! 7 Ihr wisst, wie man uns nachahmen soll.
Wir haben bei euch kein unordentliches Leben geführt 8 und bei niemand unser Brot umsonst gegessen; wir haben uns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen.
9 Nicht als hätten wir keinen Anspruch auf Unterhalt; wir wollten euch aber ein Beispiel geben, damit ihr uns nachahmen könnt. 10 Denn als wir bei euch waren, haben wir euch die Regel eingeprägt: wer nicht arbeiten will; soll auch nicht essen. 11 Wir hören aber, dass einige von euch ein unordentliches Leben führen und alles Mögliche treiben, nur nicht arbeiten.
12 Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbst verdientes Brot zu essen.
Liebe Gemeinde!
Was war denn das? Die Tonart der Lesung erinnert an hetzerische Stimmen, die auch hierzulande im Moment oft genug zu hören sind. „Jeder soll für sich selber sorgen!“ (Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen, meint Paulus). „Da gibt es welche, die auf Kosten der anderen leben wollen und unser Sozialsystem ausnutzen“ (Paulus erwähnt jene, die unordentlich leben). Bevor hier zu schnelle Rückschlüsse gezogen werden, wollen wir uns noch mal dem Text aus der Lesung zuwenden und die Hintergründe beleuchten. Was ist wirklich gemeint, wem gilt die Botschaft dieses Briefes?
Der Brief ist an die Gemeindemitglieder adressiert. Die Vorstellung, dass die Welt bald zu Ende geht und das Reich Gottes, das verkündet wurde, in Kürze anbricht, war präsent. Nichtsdestotrotz gab es eine klare Vorstellung vom Leben in den jungen christlichen Gemeinden. Sie sollten aufeinander schauen, sich gegenseitig unterstützen, teilen, was sie hatten. Wer missionierte - das Reich Gottes verkündete - sollte Unterstützung von der Gemeinde erhalten. Diese Regel ist im ersten Thessalonicher Brief zu finden (1Thess 2, 7).
Neben diesen Regeln des Zusammenlebens gab es allerdings auch klar das Vorbild der ersten Apostel Paulus, Silvanus und Timotheus, die bei der Gründung der Gemeinde beides unter einen Hut brachten: Das Reich Gottes zu verkünden und einer Arbeit nachzugehen. Ja, es ist anzunehmen, dass diese Ideal auch „Sinn“ machte und so zur Ordnung in den christlichen Gemeinden wurde. Unordentliche Missionare waren demnach jene, die „nur“ missionierten und sich dadurch einen Sonderstatus erhofften, auf Arbeit gänzlich verzichteten und die Gemeinde nötigten, sie zu erhalten.
Ganz deutlich ist hier noch mal festzuhalten. Als „unordentlich“ werden nicht jene bezeichnet, die - aus welchen Gründen auch immer - keine Arbeit gefunden haben oder nicht arbeiten konnten, sondern jene, die aufgrund ihres Glaubens an die nahe Ankunft des Reiches Gottes oder ihrer Predigertätigkeit auf Arbeit verzichtet haben.
Arbeit hat mehrere Dimensionen. Arbeit ist Lebensunterhalt und stellt das tägliche Brot sicher. Arbeit bedeutet Teilhabe an der Schöpfung und das Einbringen der individuellen Fähigkeiten. Arbeit bedeutet auch Anstrengung, Schweiß und Plage. Arbeit stiftet Sinn, Arbeit stiftet auch Gemeinschaft und bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft.
Dieser letzte Aspekt wird in diese Lesungsstelle unmittelbar in Verbindung gebracht mit der Verkündigung. Wer den Menschen vom Reich Gottes erzählen will, wer über Leid und Freude, über Leben und Hoffnung spricht, soll auch Teil dieser Gesellschaft sein. Wer in der Arbeitswelt steht, wer die Sorgen und Nöte der Kolleglnnen sieht und das Ringen der Menschen um gerechte Verhältnisse kennt, kann die Menschen mit der Botschaft vom guten Leben für alle erreichen.
Arbeit, ob bezahlt oder unbezahlt, ist die Erdung der jungen christlichen Missionarlnnen. Das tägliche Brot selber zu verdienen, bedeutet wohl auch, auf Augenhöhe mit den Menschen in der Gemeinde zu leben. Sich als „Prediger“ nicht abzuheben, sondern Teil der Gemeinschaft zu bleiben, das ist das „Vorbild“ der christlichen Gemeinde und auch das Leitbild für unsere Gemeinden und Pfarren.
Hier sehe ich wohl auch die Herausforderung für uns und unsere Pfarre. Gelingt es uns in unseren Feiern und Predigten, nahe bei dem zu sein, was die Menschen in unserer Gemeinde bewegt und beschäftigt? Sind wir auf Augenhöhe mit denen, die ungerecht behandelt werden, die am Rand leben, Einsamkeit und Isolation spüren?
Eine zweite Herausforderung spricht uns dann noch persönlich an. Ich höre sie mehr noch als Ermutigung für uns als Getaufte:
Was sehe / erlebe ich in den Arbeitswelten, in denen ich unterwegs bin? Wo kann ich die Spuren Gottes lesen? Welche Botschaft habe ich als Christ/in dadurch für meine Gemeinde?
Nehmen wir diese Herausforderung und die Ermutigung an? Was denken Sie dazu?
(Einladung zum Gespräch mit den Nachbarin in den Bänken, anschließend beim Pfarrcafè / Stammtisch,...)
Text An jenem Tag, der kein Tag mehr ist — vielleicht wird er sagen
Was tretet ihr an mit euren Körbchen voller Verdienste, die klein sind wie Haselnüsse und meistens hohl? Was wollt ihr mit euren Taschen voller Tugenden, zu denen ihr gekommen seid aus Mangel an Mut, weil euch die Gelegenheit fehlte oder durch fast perfekte Dressur?
Habe ich euch davon nicht befreit?
Wissen will ich: Habt ihr die anderen angesteckt mit Leben so wie ich?
Joachim Dachsel
Literatur: Roose, Hanna, der erste und zweite Thessalonikerbrief, Neukirchen-Vluyn, 2016 Quellenangabe Text: An jenem Tage, Joachim Dachsel, Das Wort setzt über, EVA Berlin 1968, S. 59