Eine Gruppe von Frauen und Männern, versammelt, hinter ihnen die Erfahrungen mit Jesus von Nazareth: das Desaster seines gewaltsamen Todes, dann die verwirrenden aber beglückenden Nachrichten vom leeren Grab, einzelne Begegnungen mit dem Auferstandenen. Oft noch nicht einzuordnen, verstörend, für viele am Anfang kaum glaubhaft. Dann die Gewissheit: Jesus lebt! Es geht weiter, aber anders als zuvor: Er ist nicht mehr leibhaftig da – aber die Seinen versammeln sich. Noch bleiben sie unter sich…
Dann die Initialzündung beim Pfingstfest: Plötzlich kommt von außen, vom Himmel ein Brausen; auf jede und jeden kommt eine Gabe, die sie und ihn befähigt, in anderen Sprachen zu reden.
Der Geist wird laut, er wird öffentlich, er macht aufmerksam, er lässt die Leute zusammenkommen. Kommunikation entsteht, Begegnung, Austausch: gemeinsam trotz aller Verschiedenheit. So beginnt es mit der Kirche, sagt die Tradition.
Heute im Jahr 2018 ein Blick in unsere gesellschaftliche und politische Realität: kein Hauch von Pfingsten zu spüren. Es zählt die Differenz, der Unterschied. Die Herkunft von Menschen, seine und ihre Muttersprache setzt ihn und sie fest, definiert, begrenzt und fixiert. Wir und Ihr – die Unsrigen und die anderen – die Heimischen und die Fremden. Im öffentlichen Gespräch, in den Schlagzeilen und Slogans überwiegt: Grenzen hoch, mehr Schutz, kein Kontakt, weil der gefährlich wäre.
Deutlich drückt es der österreichische Innenminister aus, wenn er darüber nachdenkt, wie man Asylsuchende, geflüchtete Menschen zukünftig betreuen will: Er will sie konzentriert an einem Ort halten laut seiner Pressekonferenz vom 11. Jänner 2018. Man will die gemeindennahen Quartiere für geflüchtete Menschen auflösen, wenn man dem Regierungsprogramm Glauben schenken darf: Die individuelle Unterbringung soll abgeschafft werden.
Dahinter steckt eine Sprache und Logik der Angst. Das/der Fremde ist gefährlich, es/er gehört weggeschafft aus unseren alltäglichen Bezügen, mit dieser Haltung lässt sich anscheinend gut politisches Kleingeld verdienen.
Nun, die PolitikerInnen wird man schwerlich bitten können, mehr gemäß dem Geist von Pfingsten zu handeln. Es herrscht hier eine andere Logik vor: so wie auch damals im römischen Reich. Es zählt der Stärkere, Differenzen werden niedergebügelt, man bewaffnet sich und schützt sich – lokal und national mit Worten und entsprechenden Gesetzen, global mit Aufrüstung und Vergeltungsphantasien.
Aber diese Schilderung aus der Apostelgeschichte lädt uns als Kirche ein, eine Widerstandsbewegung gegen diese vorherrschende Logik zu sein: Der Heilige Geist spaltet nicht, trennt nicht unwiderruflich in Wir und Ihr. Er, sein Atem, seine belebende und spürbare Luftveränderung stiftet Kontakt, Begegnung, Gemeinschaft.
Nein, kein Einheitsbrei entsteht (wie so manche, ums Abendland besorgte Menschen befürchten): Es bleiben die Unterschiede bestehen. Die Sprachen und Dialekte werden nicht einfach aufgegeben, aber es gelingt die Überbrückung des zwischenmenschlichen Grabens – der Funke springt über.
Nicht, weil wir so gut wären, weil wir es selber einfach bewerkstelligen können. Sondern weil wir uns öffnen zum Himmel hin. Man könnte auch sagen: Weil wir versuchen unsere Antennen auszufahren. Wenn wir empfangsbereit werden, dann wird möglich, was in der Welt oft so schwer erscheint. Versöhnte Differenz, Einheit bei und trotz aller Unterschiedenheit. Was getrennt ist, tritt in Kontakt und Berührung.
Das geschieht auch heute in Oberösterreich in zahlreichen Pfarrgemeinden und anderen Orten von Kirche: So sind zum Beispiel weiterhin zahlreiche Menschen engagiert bei der Unterstützung von geflüchteten Menschen. Jedes Gespräch, jede Einladung, jedes gemeinsame Zusammensitzen und Reden ist ein kleines Pfingsten im Alltag. Es ist eine gewaltige Kraft, die daran arbeitet – im Kleinen und oft auch Verborgenen. Unbeirrbar wirkt hier das Feuer des Geistes.
Diese Erzählung sei hineingeschrieben in die Stammbücher der Ängstlichen. In die Stammbücher derer, die aus dem Spalten und Trennen politisches Kleingeld schlagen möchten. Sie möge beharrlich mitgeteilt werden im Reden und im konkreten Tun vor Ort als Gegengift zum herrschenden Ungeist.
Für uns, die wir der Botschaft von Jesus Christus trauen, die wir ihm vertrauen, ist sie eine gute Nachricht, ein wirkliches Evangelium: Am Ende müssen wir einander vor lauter Differenz weder den Schädel einschlagen noch die Raketen schicken. Am Ende steht ein geschenkter Frieden, weil wir offen sind für die Inspiration des Heiligen Geistes, weil wir ihm trauen und es wagen: wir machen auf, wir gehen hinaus, wir teilen und überwinden so Grenzen. Wir lösen nicht die Unterschiede auf, sondern kommen ins Gespräch. So wächst im Kleinen Gemeinschaft, so wächst Vertrautheit untereinander, so sind wir im Verbund mit dem Hauch von oben eine Widerstandsbewegung gegen den Ungeist von heute.
Pfingsten – eine Vision? Mag sein…
Pfingsten – eine Notwendigkeit für die kleine und große Welt im Mai 2018? Auf jeden Fall…