Freitag 31. Januar 2025

Ein guter Lohn fällt nicht vom Himmel

Sozialpredigt zum 26. Sonntag (29.09.2024) im Jahreskreis, Lesejahr B

Autor: Fritz Käferböck-Stelzer, Betriebsseelsorger

 

Brief des Jakobus 5, 1-6 und das Evangelium nach Markus 9, 38-48

Liebe Gemeinde! Liebe Schwestern und Brüder im gemeinsamen Glauben!

 

GUTE LÖHNE FÜR GUTES LEBEN – die Frage nach dem gerechten Lohn, der monetäre Dank für geleistete Arbeit, stellt sich alle Jahre neu, wenn die Herbstlohnrunde startet. Ebenfalls im Herbst feiern wir Erntedank. Was hat nun das eine mit dem anderen zu tun? Wir wollen heute eine Verbindung zwischen den beiden Anlässen herstellen.

 

Wofür wollen wir danken? Welchen Früchten unseres Lebens schenken wir Aufmerksamkeit? Erntedank gibt uns alljährlich die Möglichkeit, Dankbarkeit in den Mittelpunkt unseres Lebens zu rücken. Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Leben, bringt es Bruder David Steindl-Rast auf den Punkt. „Alles im Leben ist ein Geschenk. Und die passende Antwort darauf ist ‚Danke‘ “, so Steindl-Rast. Im Blick auf die Verhältnisse dieser Welt und in Bezug auf Erntedank soll Dankbarkeit genauer beleuchtet werden.

 

Man könnte Erntedank erweitern, indem man zu dem bäuerlichen Symbol der Erntekrone, dass auf die Arbeit der Landwirtschaft und die Güter des Lebens Bezug nimmt, auch die realen Arbeitsverhältnisse vieler Menschen mit in den Blick nimmt und mit Arbeitshandschuhen, Laptop, Rollator, Einkaufswagen, Mullbinden, Mülltonnen usw. Symbole aus Arbeitswelten ergänzt. Erntedank lädt uns ein, über die Früchte der Arbeit in ihrer Vielfalt nachzudenken. Für viele ist der Monatslohn das Maß der Arbeit. Was kommt am Ende der Arbeit für mich raus? Und wie kann ich davon leben?

 

Die Frage nach gerechten Löhnen, die zum Leben reichen, stellt sich auch im biblischen Denken immer wieder. Das Weinberggleichnis verhandelt die Frage eines Lohnes zum Leben für alle, wo jeder Arbeiter 1 Denar erhält, den Lohn, den eine vierköpfige Familie damals zum Leben brauchte. Jene, die den ganzen Tag gearbeitet haben bekommen ihn genauso wie die, die eine Stunde gearbeitet haben, aber den ganzen Tag auf Arbeit gewartet haben. „Und wo wird da die Leistung miteinbezogen?“, möchte man aus heutiger Sicht zwischenrufen. Von der Bibel her gedachtes Leben ist so ein Zeugnis des Widerstandes gegen den Status quo der politischen und ökonomischen Verhältnisse. Güte ist eine Kategorie Gottes.

 

Der Auszug aus den versklavenden Arbeitsverhältnissen aus Ägypten ist das Grundmoment unseres Glaubens. Ein Gott, der die Schreie der Arbeiter:innen hört und der mit den Menschen mitlebt, weist darauf hin, dass Arbeit in unserer Glaubenstradition eine wesentliche Rolle spielt und Arbeitsverhältnisse gut gestaltet sein müssen. Wo sie es nicht sind, empfiehlt die Bibel, daraus auszubrechen. Die Ausbeutung durch die Pharaonen hat ein Ende.

 

Alljährlich im Herbst startet die Metallindustrie mit ihren Kollektivvertragsverhandlungen, die wegweisend für die anderen Branchen sind. Auch viele von uns sind dadurch betroffen. Hier entscheidet sich für ein weiteres Jahr, ob die Gewerkschaften gemeinsam mit den Arbeitnehmer:innen einen Lohnzuwachs erkämpfen können oder am Ende des Jahres real wieder weniger geblieben ist, weil das Leben und die Energiepreise, die Mietkosten, die Lebensmittel mehr verteuert werden als die Löhne wachsen. Von Seiten der Wirtschaft wird dann immer die Lohn-Preis-Spirale bemüht. Dass es sich letztlich um eine Lohn-Profit Spirale handelt, wird von dieser Seite, die die Gewinne einstreifen, tunlichst nicht gesagt. In Österreich gibt es über 800 Kollektivverträge. Jährlich verhandeln die Gewerkschaften über 450 Kollektivverträge. Auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist im Kollektivvertrag geregelt und will immer neu mitverhandelt werden. Lohnerhöhungen fallen also nicht vom Himmel.

 

Gott gibt unserem Glauben zu tun. Erntedank stellt die Verteilungsfrage: Wer hat Anteil an den Gaben Gottes, die allen gegeben sind. Und wer hat Anteil am Land, das ja eigentlich auch nur geliehen ist, weil es nur einen Eigentümer gibt, Jahwe. Wer profitiert von den Gütern dieser Erde, indem sie nicht allen zur Verfügung stehen, sondern manche besitzen und andere des Allgemeineigentums beraubt werden.

 

Am Ende der hebräischen Bibel ist von der ersehnten „Sonne der Gerechtigkeit“ die Rede, die alles Unrecht wegbrennt und überall erleuchtet (Maleachi 3,19f.)

Der biblische Blick ist der Blick der Menschenfreundlichkeit. Bevorzugt in den Blick genommen werden Arme, Benachteiligte, Ausgebeutete. Das irritiert unser gewohntes Denken. Die Welt, wie wir sie eingeteilt haben wird im biblischen Denken auf den Kopf gestellt, durcheinandergewirbelt, was bisher war, verliert seine Gültigkeit. Reinigungskräfte, Pflegekräfte, Müllmänner und Gärtnerinnen verdienen so viel wie Managerinnen und Geschäftsführer. Solche Bilder bestärken, sich für gerechte Verteilung der Güter dieser Welt einzusetzen.

 

Eine wesentliche Verteilung passiert in der Arbeitswelt bei den Kollektivvertragsverhandlungen. Hier wird ausverhandelt, was Arbeitnehmer:innen und Arbeiter:innen im kommenden Jahr an Lohn zum Leben zur Verfügung steht. Aus Sicht der Gewerkschaften ist das zumindest die rollierende Inflation plus die zu erwartende Wirtschaftssteigerung. Eine wirkliche Umverteilung der Einkommen würde eine deutliche Anhebung der unteren Lohngruppen brauchen. Das fordert heraus, ist schier unvorstellbar, kratzt an der neoliberalen Leistungsgesellschaft. Biblisches Denken setzt jedoch Menschen gleich, denkt Menschen gleichwertig und gleichwürdig.

 

Der Anteil am gemeinsam Erarbeiteten soll gleich verteilt sein an alle. Her mit dem ganzen Leben, Brot und Rosen, lautete die Forderung nach deutlich höheren Löhnen 1912 beim Streik der Textilarbeiterinnen. Dieser Streik war sehr erfolgreich. Weil die Besitzenden freiwillig nicht bereit sind, die Gaben der Erde und der menschlichen Arbeit zu teilen, braucht es immer wieder Widerstand und Kämpfe. Das ist nicht neu, davon berichten uns auch immer Erzählungen der Bibel.

 

„Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel. Die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben, sind bis zu den Ohren des Herrn Zebaoth gedrungen.“ (Jak 5,4) Die Verhältnisse, in denen Arbeiterinnen ihren Lohn verdienen müssen, spielt auch bei Jakobus offensichtlich eine wesentliche Rolle. Die Frage sei erlaubt, ob sich seit damals wirklich so viel in den Arbeitswelten verändert hat. Sind nicht immer noch, die mit ihren Händen Arbeitenden, benachteiligter, verdienen weniger, sind bei Provisionen und Boni, die sich andere zuschanzen, außen vor? Umgelegt auf die Kollektivvertragsverhandlungen: Müssen sie, obwohl sie am Gesamtprodukt wesentlichen Anteil haben, ungleich schwerer um einen gerechten Anteil am Erwirtschafteten kämpfen? Und reißen sich nicht die Gewinne, den Mehrwert, dann wieder andere unter den Nagel? Jakobus formuliert es drastisch: „Ihr (die Reichen) habt auf Erden geschwelgt und geprasst und noch am Schlachttag habt ihr eure Herzen gemästet. Verurteilt und umgebracht habt ihr den Gerechten.“ (Jak 5, 5-6)

Es stellt sich also in der Bibel, wie bei den KV-Verhandlungen, die Frage nach der Verteilung der Anteile und auch nach der Höhe, die es braucht, um ein gutes Leben zu garantieren. Die Vision, dass allen alles gehört, ist noch weit entfernte Utopie, ein Nicht-Ort, der aber zum Ort werden kann und soll. Dann nämlich, wenn geteilt wird und die Spaltung, in die einen, die sich nehmen, und die anderen, denen zugeteilt wird, aufgehoben wird, dann kann eine neue Gesellschaft des Reiches Gottes entstehen.

 

Bis dahin gilt es jährlich zu verhandeln, zu erkämpfen, sich nicht abspeisen zu lassen mit Reallohnverlusten und das Gejammere der Unternehmen und Geldbesitzenden und Aktionär:innen, die im Nichtstun verdienen wollen an der Arbeit anderer, zu verscheuchen.

 

Erntedank soll uns alljährlich an unser Arbeiten erinnern und daran, dass Arbeit und Menschenwürde Hand in Hand gehen. 

 

Danken wollen wir jenen, die noch vor Jahren als Systemrelevant bezeichnet wurden und ohne die unsere Gesellschaft zusammenbrechen würde. Ein Rollator als Symbol für jene, die unsere Alten und Kranken 24 Stunden am Tag pflegen, mit wenig Freizeit und fernab ihrer Heimat. Ein Einkaufswagen für die im Handel Tätigen, gering auch ihr Lohn, wiewohl sie für das Lebensnotwendige sorgen. Eine Mülltonne, ein gelber Sack für jene, die unseren Wohlstandsmüll schier unbemerkt entsorgen und uns so ein gutes Leben ermöglichen. Jene, die in Heimen und Spitälern sich um unsere Gesundheit sorgen, vielfach an der Grenze ihrer Kräfte arbeiten, auch ihr Einsatz ist in Geld nicht aufzuwiegen.

 

Eine Möglichkeit des Dankens von Seiten der Wirtschaft wäre, gute Löhne zu zahlen. Unverständlich ist, wenn man Jahr für Jahr über Inflationsabgeltung auf der einen Seite diskutiert und auf der anderen Seite die Reichen und Besitzenden, die, die sich die Produktionsmittel angeeignet haben, reicher und reicher werden und schon nicht mehr wissen, wie und wo sie ihr, von anderen Menschen verdientes Geld, anlegen sollen.

 

„Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,42) Drastisch klingt auch der Evangeliums Text. Klar ist, mit einem Mühlstein um den Hals im Meer wird man sterben. Markus macht deutlich, dass ein Leben auf Kosten anderer aus biblischer Sicht nicht geht. Gottes Maßstab ist die Menschenfreundlichkeit, in seinem Reich sollen alle leben können und in Fülle leben können. Das geht sich nur aus, wenn die Güter dieser Welt, auch der Arbeitswelt gerecht geteilt werden, alle den Anteil bekommen, der zum guten Leben reicht. Wenn bei Kollektivvertragsverhandlungen um Prozent gefeilscht wird, während Gewinne ausgeschüttet und Boni verteilt werden, wird deutlich, dass im Sinne der biblischen Botschaften noch weite Wege vor uns liegen. Der Auftrag, einander Nächste zu werden ist uns gegeben. Das beinhaltet auch gerechte und gute Löhne. Erntedank kann in Anlehnung an Jakobus und Markus mehr in den Blick nehmen als eine immer weniger werdende bäuerliche Lebenswelt. Nutzen wir die Anregungen biblischer Texte für eine Neuausrichtung auf dem Weg zu einer Gesellschaft der Umverteilung und der Gerechtigkeit, zum Reich Gottes, das mitten unter uns anbrechen soll.

 

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