30 Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? 31 Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. 32 Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten
können.
Liebe Mitfeiernde,
im Gleichnis vom Senfkorn spricht Jesus von etwas, das im Kleinen beginnt und doch zu etwas Großem wird; von einem Senfkorn, dass zu einem mächtigen Baum heranwächst, in dessen Zweigen Vögel nistend Schutz finden. Auch Graswurzelbewegungen beginnen klein und erreichen am Ende, im besten und erfolgreichen Fall, eine große Gruppe von Menschen – dann nämlich, wenn ihre Saat aufgeht. Unsere Kirche war in ihren Anfängen eine Graswurzelbewegung – könnte sie zukünftig wieder eine sein? Und können wir uns dabei vom Senfkorn und seiner Geschichte anleiten lassen?
Graswurzelbewegungen sind vor allem im Zusammenhang mit umwelt- und gesellschaftspolitischen Themen in aller Munde, doch was versteht man eigentlich darunter? Diese basisdemokratischen Initiativen entstehen unmittelbar aus der Bevölkerung oder kleinen Gruppen, zum Beispiel innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens.
Graswurzelbewegungen versuchen, Veränderungen durch direkte Beteiligung zu bewirken und umgehen dabei eingefahrene Prozesse, stets, um im Interesse der Menschen Wandel zu erreichen. Sie setzen sich für gesellschaftliche Alternativen ein – durch den langfristigen Aufbau von Netzwerken, durch aufsehenerregende Einzelaktionen und durch zivilen Ungehorsam.
Graswurzelbewegungen entstehen oft lokal, doch wenn sie wachsen, erreichen sie mitunter nationales oder gar globales Ausmaß. Sie kämpfen gegen soziale Ungerechtigkeit, Umweltprobleme, Menschenrechtsverletzungen, Armut und wirtschaftliche Ungleichheit. Das Fundament sind immer Gemeinschaft und kollektives Handeln, aber auch der Mut einzelner. Jesus erzählt in seinem Gleichnis von der Aussaat des vermeintlich kleinsten aller Samenkörner – dem Senfkorn; es reift zu einem mächtigen Baum heran und überragt alle anderen Gewächse. In seinen Zweigen lassen sich die Vögel des Himmels nieder, um Schutz zu finden. Jesus zeigt uns, dass selbst Unscheinbares zu etwas Bedeutendem werden kann – wie unsere Kirche, die klein begonnen hat und zu einer großen, manchmal mehr, manchmal weniger stabilen Gemeinschaft gewachsen ist; wie Graswurzelbewegungen, die bescheiden anfangen, um durch kollektive Aktionen oder den Einsatz einzelner Veränderung zu bewirken.
Wenn wir genau hinsehen, sehen wir Parallelen zwischen der Kirche und Graswurzelbewegungen. In vielen Gemeinden gibt es eine starke Basis leidenschaftlicher Christinnen und Christen; ein wirksames Engagement von Menschen, die für ihre Kirche als Ort der Gemeinschaft und des Zusammenhalts kämpfen, für ihre Kirche als Ort der gelebten Nächstenliebe, zum Beispiel im Umgang mit geflüchteten Menschen. Diese Basis kann wachsen und erstarken, wenn wir gemeinsam handeln und uns von der Vision einer lebendigen, aktiven Kirche anstecken lassen. Die Kirche, vielmehr die, die in ihr wirken, hat das Potential einer Graswurzelbewegung, die sich aktiv und direkt für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Menschenrechte einsetzt, wie zum Beispiel auch Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si“, in der er auf die brennenden ökologischen Fragen unserer Zeit eingeht.
In einer Welt, die von großen, oft übermächtigen Strukturen dominiert wird, können wir als Kirche auf eine andere Weise wirken – durch Gemeinschaft und das Engagement jedes Einzelnen. Gott arbeitet oft mit kleinen Anfängen, die große Kraft haben. Das Gleichnis erinnert uns daran, uns nicht entmutigen zu lassen, wenn unserer Anstrengungen unbedeutend erscheinen. Sehen wir es als Inspiration und werden aktiv, unsere Kirche zu einer Bewegung zu machen, die wirklich in der Welt wirkt und die Menschen verbindet; wenn wir zusammenstehen, fällt es leichter, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen.
Gleichzeitig sollten wir auch die Macht der „weltlichen“ Graswurzelbewegungen erkennen unterstützen und mit ihnen kooperieren. Sie sind ein Zeichen dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt bereit sind, sich für Friede, Gerechtigkeit und das Wohl ihrer Mitmenschen einzusetzen.
Handeln wir im Geist der Graswurzelbewegungen – lokal beginnen, aber mit der Vision und der Hoffnung, dass unsere Taten größere Auswirkungen haben können. So wie das Senfkorn zu einem großen Baum heranwächst, können auch unsere Bemühungen zu etwas Bedeutendem werden!