Termine statt.
Termine statt.
35 Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst. 36 Er antwortete: Was soll ich für euch tun? 37 Sie sagten zu ihm: Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!
38 Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde? 39 Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde. 40 Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die es bestimmt ist. 41 Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes. 42 Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. 43 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, 44 und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. 45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Liebe Pfarrgemeinde!
Manche Jesus-Worte haben wir schon so oft gehört, dass wir die Sprengkraft, die in ihnen liegt, gar nicht mehr wirklich erkennen. So ergeht es uns vermutlich auch beim heutigen Evangelium. Wir kennen das Wort: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Und weil wir es so gut kennen, gehen wir gerne zur Tagesordnung über. Doch schauen wir da etwas genauer hin: Wie wir lebte Jesus in einer Gesellschaft, die geprägt war von Herrschaft und Reichtum. Zur Zeit Jesu war es so, dass zwei Prozent der Bevölkerung
die Hälfte des Reichtums kontrollierten1. Heute besitzen – global gesehen – die reichsten 26 Personen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also 3,7 Milliarden Menschen. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt heutzutage 44 Prozent des Vermögens. Damals wie heute bestimmen die reichen Menschen die Geschicke der Welt. Wer in unserer Welt groß sein will, der muss viel haben. Das war die Logik der Mächtigen zur Zeit Jesu; und es ist die Logik unserer modernen Welt. In diese erdrückende, himmelschreiende Ungerechtigkeit seiner Zeit hinein erzählt Jesus seine große Vision vom „Reich Gottes“, die Jesus im Markus-Evangelium entfaltet. Darin ist überhaupt kein Platz für Herrschaft. Der Logik der Herrschenden stellt Jesus seine Logik der Liebe entgegen. Wer in Jesu Logik wirklich groß sein will, der kann gar nicht anders, als Diener zu sein. Botschaft der Liebe verträgt sich nicht mit Herrschaft Das Faszinierende an der Jesuanischen Logik ist, dass sie kein technisch-ökonomisches Programm ist: Jesus erstellt kein politisches Programm für mehr Gleichheit und Schöpfungsverantwortung.
Er geht viel tiefer, er ist viel radikaler. Seine Logik ist die Logik der Liebe. Darin hat Herrschaft ganz selbstverständlich keinen Platz. Am Beginn des Markus-Evangeliums, aus dem wir die Worte des heutigen Evangeliums gehört haben, steht die zentrale Erfahrung Jesu, dass er sich von Gott als dessen geliebter Sohn fühlt. Jesus weiß sich in seinem ganzen Wesen geliebt. Für den Evangelisten Markus ist das die Grunderfahrung Jesus. Weil er sich völlig von Gott geliebt weiß, wendet er sich den Nächsten und der Welt in voller Liebe zu. Und will in dieser Haltung die Welt von Grund auf verändern.
In der Logik der Liebe haben Reichtum und Herrschaft einfach keinen Platz. Jesus sagt: Dort, wo Reichtum und Herrschaft der Logik der Liebe im Weg stehen, da sollen sie beseitigt werden. Nicht zufällig wiederholt Jesus an anderen Stellen die zentralen Sozialbotschaften der Thora, also seiner Vorfahren, die da zum Beispiel sind: Zinsverbot, Schuldenstreichung, Jobeljahr. Nicht zufällig vertreibt er die Geldwechsler aus dem Tempel, usw.
Überwindung der Herrschaft fällt schwer Wie schwer sich die Menschen allerdings mit der Vorstellung der radikalen Liebe tun, sehen wir im heutigen Evangelium. Es zeigt sich exemplarisch an den beiden Jüngern Jakobus und Johannes. Diese beiden waren ja mit Jesus schon einige Zeit unterwegs. Sie haben wohl schon oft von der Jesuanischen Vision vom Reich Gottes gehört. Sie waren von Jesus und seiner Botschaft offenbar so angetan, dass sie Haus und Hof verlassen haben und sich der Jüngergemeinde Jesu angeschlossen haben. Und dennoch: Mit ihrem Wunsch, einen exklusiven Platz in der Herrlichkeit haben zu wollen, zeigen sie, dass sie noch immer nicht verstanden haben, worum es Jesus in seiner Radikalität geht. Doch vielleicht will der Evangelist Markus gerade mit dieser Geschichte zeigen, dass es nicht einfach ist, der Radikalität Jesu zu folgen. Der Evangelist Markus zeigt in dieser Geschichte ja sehr anschaulich, was passiert, wenn Menschen der Logik der Konkurrenz und der Herrschaft folgen. Die anderen Jünger reagieren ärgerlich. Warum sollen die zwei die besseren Plätze bekommen? Das scheint eine normale Reaktion zu sein: Wenn Menschen egoistisch auf ihren eigenen Vorteil schauen, dann erzeugt das Ärger und Unmut. Es trennt Menschen voneinander. Es ist das Gegenteil der Logik der Liebe.
Der Evangelist Markus will mit dieser Geschichte offenbar auch sagen: Dieses Denken in Konkurrenz und Herrschaft ist sehr tief in uns verankert. Über Generationen wurde diese Logik der Herrschaft weitergegeben. Das zeigt sich auch an Jakobus und Johannes. Wie Jakobus und Johannes kennen wir alle die Logik von Herrschaft und Konkurrenz, denn sie ist selbstverständlicher Teil auch unserer Gesellschaft. Sie ist fast so etwas wie die DNA unserer kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft. Erfolgreich ist man auch in unserer Gesellschaft vor allem dann, wenn man sich gegen andere durchsetzt, die besseren Plätze für sich beansprucht oder einfach nur reich ist.
Doch das Evangelium sagt: Wer in dieser Logik verhaftet bleibt, hat nichts von der faszinierenden Vision vom Reich Gottes verstanden.
Jesu Botschaft erst für das Ende der Welt? Häufig wird die Botschaft Jesu entschärft, indem man sagt, dass Jesus eine Endzeit-Erwartung gehabt hätte. Er hätte geglaubt, dass das Ende der Welt nahe sei und sich erst nach einem Machteingriff Gottes seine Vision vom Reich Gottes verwirklichen lässt. – Doch das ist überhaupt nicht der Fall.
Ja, Jesus hat fest damit gerechnet, dass diese Welt von Herrschaft und Konkurrenz zu einem Ende kommen kann. Das kann schon im „Hier und Jetzt“ Wirklichkeit werden. Wenn Menschen beginnen, von der Liebe Gottes ergriffen zu werden, sich selbst lieben und diesen Geist der Liebe ausstrahlen, dann hat Herrschaft keinen Platz mehr, dann hat Konkurrenz keinen Platz mehr. Dann beginnt das Reich Gottes schon im „Hier und Jetzt“ Wirklichkeit zu werden. Dann erleben Herrschaft und Konkurrenz schon ihre Endzeit. Jesus hat sein ganzes Leben auf die Kraft der Liebe gesetzt und darauf vertraut. Freilich hat er gewusst bzw. geahnt, dass das den Mächtigen nicht gefallen wird. Er hat geahnt, dass das ihm und seinen Freund:innen auch das Leben kosten wird. Doch er hat sich aufgehoben gewusst von einer Liebe Gottes, die über den Tod hinausgeht. Und weil diese Botschaft der Liebe die Sehnsucht von Menschen auch noch 2000 Jahre später berührt, wird sie offenbar noch immer weitererzählt.
Neue Dringlichkeit für die Botschaft Jesu Freilich könnten wir auch sagen: Die Logik von Herrschaft und Konkurrenz scheint sich in unserer Welt festgesetzt zu haben. Sie scheint gewonnen zu haben. Es scheint jedoch so zu sein, dass wir heutzutage an einem besonderen Punkt in der Menschheitsgeschichte angekommen sind. Der Benediktinermönch David Steindl-Rast meint: „Wir haben seit 5000 Jahren eine Kultur, die sich als Machtpyramide verwirklicht. Wir haben noch nie eine Kultur gekannt, die nicht eine Machtpyramide war. Diese ist im Augenblick am Zusammenbrechen. Das ist gerade der Umbruch, der läuft. Man braucht nur die zu fragen, die ganz oben auf der Pyramide stehen: Top-Manager, Top-Entrepreneurs, Top-Politiker. Ich habe in meinem Leben das Glück gehabt, vielen Menschen zu begegnen, die hoch oben stehen auf den verschiedenen Leitern. Und die sagen alle: „So geht es nicht weiter!“. Ich habe keine Ausnahme gefunden. Diese Pyramide ist nun im Zusammenbrechen. Denn die einzige Alternative ist nicht eine neue Pyramide – das sehen jedoch nicht alle –, sondern ein Netzwerk.“
Steindl-Rast meint also, dass es unserer Gesellschaft – des Überlebens willens – gelingen muss, diese Machtpyramide durch ein Netzwerk zu ersetzen. Es scheint also so zu sein, dass es die historische Aufgabe unserer Generation ist, die Logik der Herrschaft durch die Logik der Liebe zu ersetzen. Da ist dann schon einiges von uns gefordert: keine Ungleichheit, kein Kapitalismus, kein Überfluss, keine Naturzerstörung.
Wir können schon heute im Kleinen damit beginnen und wir können schon heute damit beginnen, eine ganz andere Welt zu denken.