Samstag 20. Juli 2024

Leben in Widersprüchen.

Sozialpredigt zum Aschermittwoch 01.03.2017

 

Autorin: Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer

 

 

Liebe Brüder und Schwestern!

 

Leben wir nicht in einer eigenartigen Welt? Volle Regale, unglaubliche Auswahl, Absicherungen ohne Ende hier – und einen Schritt, einen Mausklick weiter Mangel, Hunger, Zerstörung, Gewalt. Wellness, Liebesglück und berufliche Erfüllung – und im Gegensatz dazu Sinnlosigkeit, Krankheit, Arbeitslosigkeit. Wohnen im Eigentum mit Zentralheizung, Kreditkarte, Pakete vor der Haustür – kontrastieren mit Obdachlosigkeit, Überschuldung und zerstörter Umwelt.

 

Und es ist nicht einmal so, dass alle guten Dinge bei uns, in den wohlhabenden Ländern, zu finden wären, und alles Übel im Süden der Erde, weit weg. Widersprüche weltweit, Widersprüche hier. Freilich hat unser Wohlstand auch damit zu tun, dass wir auf Kosten anderer leben. Aber unser materieller Wohlstand schützt nicht vor Sinnlosigkeit, Krankheit oder Schicksalsschlägen.

 

Die österliche Bußzeit steht unter dem Vorzeichen der Umkehr. Ein Begriff, der mir persönlich nicht so leicht „hineingeht“ – denn, auch bei näherer Besinnung, finde ich nicht alles schlecht, was ich tue oder wie ich lebe. In einigen Bereichen bin ich auf dem richtigen Weg, hab mir manches gut überlegt, und vorangegangene Phasen der Besinnung haben schon Wirkung gezeigt. Ich möchte nicht mit meiner ganzen Lebensführung „umkehren“. Dennoch möchte ich die Einladung annehmen, meine Lebensführung abzuklopfen auf Haltungen wie Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit oder Gerechtigkeit. Der Blick auf die Widersprüchlichkeiten der Welt hat Ähnlichkeiten mit dem Blick auf mich: Gutes, Erfreuliches ist da zu finden, Gelungenes und Erfolge, aber auch einiges, das ich verstecken möchte, für das ich mich schäme, wo ich noch nicht zu Ende gekommen bin.

 

Statt des religiösen Fachworts „Umkehr“ verwende ich gern das Wort „Korrektur“ – SekretärInnen kennen das gut, LehrerInnen sowieso, auch andere FacharbeiterInnen. Korrigieren bedeutet, etwas auf Fehler hin durchzulesen und zu verbessern; das Fehlerhafte oder Ungenügende durch das Richtige, Bessere zu ersetzen.

 

Ich denke, das ist ein gutes Wort für einen Blick auf mein Leben: Wo finde ich Gutes, Gelungenes – und wo kann ich Ungenügendes, Fehlerhaftes zum Positiven verändern, meine Handlungen und Haltungen verbessern?

 

Leben ereignet sich hauptsächlich im Alltag, jeden Tag, und weniger in bedeutenden Würfen und Sprüngen. Dieses Bemühen im Alltag, in den kleinen und größeren Dingen des Lebens, das spricht der heutige Lesungstext aus dem 2. Korintherbrief an: Der Tag der Rettung, die Zeit der Gnade ist da. In allem sollen wir uns als DienerInnen, als Kinder Gottes erweisen – nein, nicht dieser Appell ist zu lesen, sondern diese Aussage kommt gleichzeitig als Zusage daher: wir erweisen uns als DienerInnen Gottes – durch unsere Standhaftigkeit in verschiedenen Situationen, in der Arbeit, durch Güte, ungeheuchelte (wahrhaftige) Liebe und viele andere Momente des Alltags, die wir gut kennen. Ebenso schwere Situationen der Bedrängnis, wie sie den ChristInnen der Urkirche widerfahren sind – und die wir aus anderen Zusammenhängen kennen: bei übler Nachrede, in Not, in Zeiten der Unruhe, in durchwachten Nächten.

 

Hier erzählt uns der Korintherbrief auch von den Paradoxien, den unterschiedlichen Beurteilungen ein und derselben Situation: Wir gelten als BetrügerInnen und sind doch wahrhaftig; wir sind arm und machen doch viele reich; wir haben nichts und haben doch alles. Es liegt am Blick, den wir darauf werfen, der hinter das Oberflächliche schaut und Christus in allen Dingen zu finden weiß.

Eine Heimat im Glauben zu haben, gehalten und bestätigt durch die Liebe zu sein, an der Hoffnung festhalten zu können – das sind die Reichtümer und Anker, die uns Halt im Leben geben.

Wer so leben kann, zu leben vermag, braucht nicht mehr so viel Anerkennung von außen: kann auf um Anerkennung heischendes Beten, „bewundernswertes“ Fasten und Spenden verzichten. Wer so lebt, wird immer öfter von innen heraus leuchten und fröhlich sein.

 

Ja, die Zeit ist wieder da, die unsere Rettung in den Mittelpunkt stellt, jetzt wird uns Hilfe versprochen. Gnade, Erhörung, Rettung, Hilfe – diese Zusagen aus dem Korintherbrief erleichtern es ungemein, dass wir uns um Korrektur bemühen: Ein Geschenk macht den Anfang, und wir geben das unsere.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen das Geschenk der Wandlung, wie sie der Religionskritiker Friedrich Nietzsche von den ChristInnen erwartet – „Erlöster müssten mir die Christen ausschauen!“


Texte zur Besinnung

 

Ein umgekehrtes Schuldbekenntnis
Gibt es nicht manchmal andere Sünden zu bekennen,
als die, welche wir den Menschen aufgeschwätzt haben?
Christus, ich bekenne vor dir,
dass ich keinen Glauben an meine Möglichkeiten gehabt habe.
Dass ich in Gedanken, Worten und Taten
Verachtung für mich und mein Können gezeigt habe.
Ich habe mich selbst nicht gleichviel geliebt wie die anderen,
nicht meinen Körper, nicht mein Aussehen,
nicht meine Talente, nicht meine eigene Art zu sein.
Ich habe andere mein Leben steuern lassen.
Ich habe mich verachten und misshandeln lassen.
Ich habe mehr auf das Urteil anderer vertraut als auf mein eigenes
Und habe zugelassen, dass Menschen gleichgültig und bösartig mir gegenüber gewesen sind,
ohne ihnen Einhalt zu gebieten.
Ich bekenne, dass ich mich nicht im Maße meiner vollen Fähigkeiten entwickelt habe,
dass ich zu feige gewesen bin,
um in einer gerechten Sache Streit zu wagen,
dass ich mich gewunden habe,
um Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Ich bekenne, dass ich nicht gewagt habe zu zeigen, wie tüchtig ich bin,
nicht gewagt habe, so tüchtig zu sein, wie ich wirklich sein kann.
Gott, unser Vater und Schöpfer,
Jesus, unser Bruder und Erlöser,
Geist, unsere Mutter und Trösterin,
vergib mir meine Selbstverachtung,
richte mich auf,
gib mir Glauben an mich selbst
und Liebe zu mir selbst.

 

Heidi Rosenstock/Hanna Köhler, Gebetsmappe der Burg Altpernstein

 

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