Mittwoch 21. August 2024

Der Friede sei mit Euch

Gipfelkreuz am Woising (Aussee) im Toten Gebirge. © Stefanie Petelin

zum Weißen Sonntag (23. April 2017)

 

Autor: DDr. Severin Renoldner, 

             Leiter des Sozialreferates, Diözese Linz

Papst Franziskus hat den Gedanken an die Barmherzigkeit zu einem Motto seines Wirkens gemacht. Er erinnert uns unermüdlich an die soziale Ungerechtigkeit, die ungleiche Verteilung der Chancen, aber auch an unsere Möglichkeiten, den Lauf der Geschichte zu ändern. Er ermutigt ständig zu einem Engagement für Flüchtlinge, gegen den Hunger, für eine ökologische Neugestaltung unserer Wirtschaft und unserer Lebensgewohnheiten.

 

„There is no alternative“ (es gibt keine Alternative) – dieser resignative Satz kommt von liberalen Wirtschaftswissenschaftern. Christinnen und Christen sollten gerade das nicht glauben! Es gibt immer Alternativen, sie sind manchmal schwer zu entdecken oder es fällt uns schwer zu glauben, dass es sie gibt. Die Auferstehung Jesu Christi ist eine Ermutigung dafür, dass nicht nur der Leib Jesu Christi – wie für den heiligen Thomas – „fühlbar“ geworden ist, sondern sein ganzes Leben, seine Botschaft, seine Wirklichkeit aus dem Tod auferstanden ist. Sie gehört nicht ins Grab, sie soll nicht totgeredet werden, sondern sie hat Zukunft!

 

Wer sich heute für eine gerechtere Welt einsetzt, muss  viel Verständnis aufbringen für die vielen Müden und Zweifler, die es gar nicht für möglich halten, dass unser Schicksal sich zum Guten wenden könnte. An allen Ecken und Enden wird uns das Ende der Welt herbeigepredigt. Und das Irritierende ist: es ist ja wahr, dass wir viele große Schwierigkeiten erleben, nicht wissen, wie wir z.B. die Klimakatastrophe in den nächsten 50 oder 100 Jahren überleben werden, wie wir den Hunger bekämpfen und den Materialismus unserer Kultur zurückdrängen bzw. eine echte Menschlichkeit zur Kultur machen sollen.


So viele Sorgen, so viele Ängste, und dann noch die Hassprediger und Verstärker aller Botschaften, die in Massenmedien oder Facebook, Twitter u.a. auf uns einreden. Da ists kein Wunder, dass jene Menschen, die immer sagen, man könne nichts machen, es müsse alles immer so weiter gehen, scheinbar die Oberhand gewinnen. Aber diese Menschen sind trübe, hoffnungslos und eigentlich selbst tragische Personen. Wir sollten sie – obwohl sie ganz und gar unrecht haben – nicht verachten, sondern ihnen und ihrer Hoffnungslosigkeit gegenüber barmherzig sein. Der Gedanke genau dieser Barmherzigkeit kommt im heutigen österlichen Evangelium vom sogenannten „ungläubigen Thomas“ auf eigentümliche Weise zum Ausdruck.

 

Thomas macht ja nur etwas, das fast jeder von uns tun würde: er glaubt eine höchst unwahrscheinliche Erzählung nicht, der zufolge da Einer objektiv gestorben ist und nun bei lebendigem Leib wieder gesehen wurde. Thomas ist nicht viel ungläubiger als die meisten Menschen unter uns es vielleicht auch gewesen wären.

 

Ja mehr noch: Thomas drückt auch einen Wunsch aus: er würde gern die Wunden berühren, mit denen Jesus grausam zu Tode gekommen ist, er deutet also an, dass er sich sehr wohl diesen starken Wunsch vorstellen kann, dass Jesus, dessen vertrauter und Schüler er war und an dessen Botschaft er glaubt, wieder da sein soll. Thomas lehnt Jesus nicht ab, er sehnt ihn vielmehr herbei, er glaubt, dass Jesus recht hatte. Jesus sollte wieder da sein! Aber Thomas ist mutlos und glaubt nicht, dass sein Wunsch in Erfüllung gehen könnte. Es ist eigentlich auch eine verborgene Zuneigung darin enthalten, wenn er zu den anderen sagt: So wie ihr mir das erzählt, kann es nicht stimmen. Das wäre doch zu schön um wahr zu sein. Ich würde es selbst anfassen, angreifen wollen!

 

Vergessen wir nicht: vor der Kreuzigung Jesu haben sich die anderen elf Jünger nicht mit Ruhm bekleckert. Haben sie nicht Jesus verleugnet, sind sie nicht am Ölberg davon gelaufen? Wer ist schon mit ihm bis unter das Kreuz mitgegangen? Der Tradition nach soll das von den Zwölf nur Johannes gewesen sein, dafür aber mehrere der Frauen, jene auch, die dann als erste die Auferstehung wahrnehmen und an sie glauben. Die Frauen haben in diesem Fall eindeutig länger durchgehalten, und sie haben gleich das getan, was Jesus wollte. Sie taten es früher als die sogenannten Auserwählten, Apostel und Jünger Jesu. Die Frauen, und Johannes, waren in gewisser Weise die „eigentlichen“ Apostel, während die sogenannten Apostel in Apathie erstarrt sind.


Nun sitzen sie also wieder da, die Jünger – alle bis auf Thomas – , und fürchten sich, als plötzlich Jesus vor ihnen steht. Keiner von ihnen, oder fast keiner hat sich zu Jesus bekannt, als er verhaftet und umgebracht wurde. Aber jetzt erfahren sie noch einmal seine Barmherzigkeit. Ihre Furcht ist wie weg geblasen. Und dann haben sie noch den einen, der nicht dabei ist. Über ihn können sie triumphieren: sie, die Gläubigen und er, der Ungläubige. Denn wirklich, er glaubt ihnen nicht (so wie sie es zuvor ja auch nicht getan haben, bis sie selbst Jesus sehen konnten).

 

Gerade weil der arme Thomas hier so schlecht wegkommt, möchte ich ein paar Gedanken an seinen Zweifel verwenden, die ihm gerecht werden sollen. Die Zweifler und Unsicheren haben ja in der Welt gewiss nicht immer unrecht! Sie warnen uns manchmal vor Leichtgläubigkeit, Aberglauben, Schicksalsdeuterei, vor billigen Geschäften und scheinheiligem Getue. In vielen Situationen des Lebens gibt es das, was wir „eine gesunde Portion Skepsis“ nennen. Oder sollte ich wirklich alles glauben, was so daher erzählt wird? Die Folgen wären doch katastrophal!

 

Aber im heutigen wunderbaren österlichen Sonntagsevangelium kommt etwas sehr Grundsätzliches zur Sprache, wo der Zweifel wirklich nicht angebracht ist. Das Existenzielle, das Wesentliche, das ganz Gute, den Willen Gottes zum Guten – den sollten wir nicht in Frage stellen. Die existenzielle Erfahrung eines Menschen, der sich für das Gute, für die Liebe, für das Wichtige im Leben entscheidet – auch sie könnte man leicht in Zweifel ziehen: Hast du dir das wirklich überlegt? Ist es nicht sinnlos, in einer so schlechten Welt an den Frieden, die Liebe, das Gute zu glauben? Kann es wirklich sein, dass über den Tod hinaus ein Sinn in deiner Existenz gegeben ist? War die Kreuzigung Jesu eine Dummheit? Hat sie sein Wirken beendet? Oder war sein Eintreten für den Menschen und gegen die angemaßte Macht der Schriftgelehrten das einzig Richtige?

 

Mit dieser Möglichkeit müssen wir immer rechnen: Der Auferstandene ist plötzlich da, unerwartet und „unrealistisch“ steht er vor uns und sagt: seid nicht ungläubig! An dieser Möglichkeit sollten wir grundsätzlich nicht zweifeln.

 

Freilich: die Jünger brauchen sich nicht besser zu fühlen als der arme Thomas. Zweifle nicht an den wesentlichen Dingen des Lebens! Vertraue darauf, dass das Gute oft ganz unerwartet und ganz unwahrscheinlich doch vortritt und einfach da ist.


Unser Zweifeln ist menschlich. Barmherzigkeit bedeutet, dass Jesus ja durchaus Verständnis für den zweifelnden Thomas hat. Er lässt sich spüren – hier kommt das Bedürfnis des Thomas, Jesus „angreifen“ zu dürfen, zum Zug. Sei jetzt nicht mehr ungläubig, sondern gläubig – das heißt auch: mit dem Sterben Jesu ist der Sinn seiner Botschaft nicht aufgehoben. Der Zweifler braucht jetzt nicht nachzudenken, ob alles falsch war. (Das würde er nach seinem Naturell sonst wohl tun.)

Wichtig ist am Ende nicht die Kritik an den Zweifelnden, sondern die Aufhebung des Zweifels: Habt keine Angst (so wie es im Weihnachtsevangelium, aber auch an vielen anderen Bibelstellen zum Ausdruck kommt)! Die Barmherzigkeit Gottes ist stärker als unser Zweifel, und so soll es auch mit unserer Barmherzigkeit, Nachsicht und Bereitschaft zur Geduld und Nächstenliebe sein.


Lieder: grundsätzlich alle Osterlieder.

Im speziellen: Das könnte den Herren der Welt ja so passen.


Christliches Gebet mit der Schöpfung:
(von Papst Franziskus am Ende der Enzyklika Laudato Si‘ eingefügt)

Wir preisen dich, Vater, mit allen Geschöpfen,
die aus deiner machtvollen Hand
hervorgegangen sind.
Dein sind sie
und erfüllt von deiner Gegenwart und Zärtlichkeit.
Gelobt seist du.
Sohn Gottes, Jesus,
durch dich wurde alles erschaffen.
In Marias Mutterschoß
nahmst du menschliche Gestalt an;
du wurdest Teil dieser Erde
und sahst diese Welt mit menschlichen Augen.
Jetzt lebst du in jedem Geschöpf
mit deiner Herrlichkeit als Auferstandener.
Gelobt seist du.
Heiliger Geist, mit deinem Licht
wendest du diese Welt der Liebe des Vaters zu
und begleitest die Wehklage der Schöpfung;
du lebst auch in unseren Herzen,
um uns zum Guten anzutreiben.
Gelobt seist du.
O Gott, dreifaltig Einer,
du kostbare Gemeinschaft unendlicher Liebe,
lehre uns, dich zu betrachten
in der Schönheit des Universums,
wo uns alles von dir spricht.
Erwecke unseren Lobpreis und unseren Dank
für jedes Wesen, das du erschaffen hast.
Schenke uns die Gnade, uns innig vereint zu fühlen
mit allem, was ist.
Gott der Liebe,
zeige uns unseren Platz in dieser Welt
als Werkzeuge deiner Liebe
zu allen Wesen dieser Erde,
denn keines von ihnen wird von dir vergessen.
Erleuchte, die Macht und Reichtum besitzen,
damit sie sich hüten vor der Sünde der Gleichgültigkeit,
das Gemeinwohl lieben, die Schwachen fördern
und für diese Welt sorgen, die wir bewohnen.
Die Armen und die Erde flehen,
Herr, ergreife uns mit deiner Macht
und deinem Licht,
um alles Leben zu schützen,
um eine bessere Zukunft vorzubereiten,
damit dein Reich komme,
das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens,
der Liebe und der Schönheit.
Gelobt seist du.
Amen.

 

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