Mittwoch 21. August 2024

Die Geduld Gottes - eine Provokation oder: "... Gut wie eine Sommernacht?"

Die Geduld Gottes - eine Provokation oder: '... Gut wie eine Sommernacht'

Gottesdienstvorschlag zum 16. Sonntag im Jahreskreis (20.7.2014), Lesejahr A,

Evangelium: Mt 13,24-30

Autor: Dr. Ferdinand Reisinger

Predigt
1.
Was erwarten wir uns, wenn wir die Worte Jesu lesen, hören, sie „an die Brust nehmen“? Vielleicht die Bestätigung der Annahme: Da redet einer prophetisch, d.h. er liest den Leuten, dem Volk die Leviten.
Oder: Da ist einer, der auch die Ärmsten versteht… Oder: Da entwirft einer einen ethischen Lehrpfad in eine bessere Welt…
Solche Vermutungen haben alle ihren Grund und ihre Berechtigung, wenigstens teilweise. Und doch ist es so: Wir müssen immer wieder sagen: Jesu Wort und Botschaft verblüfft uns, läuft unseren Erwartungen quer… Bei den Gleichnissen Jesus stutze ich und sage in der ersten Reaktion: „Das macht kein Mensch so!“
Beim heutigen Evangelium geht es mir genau so: Jesus provoziert, aber in die andere Richtung als ich meinte oder erwartete: In diesem Gleichnis provoziert er – zur Geduld!
Was soll das bedeuten?
2.
Wirklichkeitsfremd ist Jesu Bildrede keineswegs. Wer von uns hat sich nicht schon mächtig geärgert, wenn etwas anders gekommen ist als er oder sie erwartet hatte?
Da haben wir guten Samen ausgesät, und auf einmal kommt etwas anderes zum Vorschein! Da geht es nicht mit rechten Dingen zu… Da muss jemand drein gepfuscht haben, da hat jemand meine gute Absicht sabotiert… Das war ein böser Feind, der alles ruinieren will… Das kann einen schon in Rage bringen. Und in einem Wutanfall möchte man dementsprechend antworten und reagieren: „Wenn sowieso das Gute verdorben ist, dann gleich alles ausreißen, mit Stumpf und Stängel…“ oder mit einer Ladung von bestem Unkrautvertilgungsmittel drüberfahren…
In solcher Logik, bei solchen Konsequenzen wächst freilich nichts Gutes mehr, sondern nur noch das Misstrauen und der Argwohn. Man sieht überall nur mehr den „bösen Feind“… Man fragt nicht mehr nach dem Grund und den Wurzeln, man sieht nur noch das Hier und Heute, man möchte alles kurz und klein schlagen… Das vernünftige Denken und Abwägen bleibt auf der Strecke, die Unterscheidung (zwischen gut und nicht so gut, zwischen Kraut und Unkraut) ist obsolet… In der Haltung der „egoistischen Trägheit“ und des „sterilen Pessimismus“ (Papst Franziskus, Evangeli Gaudium 81 und 84) bleibt nur noch der negative Schatten dominant; alles wird unterschiedslos heruntergemacht. Anlässlich des diesjährigen pfingstlichen Friedensgebetes im Vatikan war es in Blogs genau so zu diagnostizieren: „Es melden sich Leute, die das Stänkern nicht lassen können, und die der zartesten Pflanze der Versöhnung sofort den Garaus machen wollen“….
Ja, so ist es leider; nein: so sind wir: leider (…vielleicht auch ich).
3.
Was Jesus als Alternative zu dieser Mentalität zur Sprache bringt, beginnt mit einem deutlichen Einwand: „Halt, Leute! Nicht so. Nicht dreinlatschen und herumzupfen – und dabei das Gute mit dem Bösen zunichtemachen… Das Böse ist bei Nacht unters Gute gekommen; so wartet einmal eine Nacht und einen Tag; lasst beides wachsen…“
Jesus verwendet gerne Wachstumsgleichnisse, wenn er vom Reich Gottes predigt, ja schwärmt! Es gilt die Wirklichkeit wahrzunehmen: Nicht jede Voraussetzung und Rahmenbedingung für das Wachsen ist ideal (Mk 4).
Da gibt es steinigen Boden, da wachsen auch Dornen und Disteln, da gibt es eine unbarmherzig versengende Sonnenhitze. Aber es gibt auch gute Konditionen, optimale Böden. Und da wächst dann das gute Korn und bringt dreißigfach, sechzigfach, ja hundertfach Frucht! Müssen wir angesichts dieser Produktivität knausrig kalkulieren…?
Der Herr vertraut auf die Kraft des Wachstums, er kann einmal zuschauen und zuwarten, was denn wirklich herauskommt. Denn bisweilen zeigt sich erst später, was wirklich Kraut und was Unkraut ist. Abwarten und die Zeit der Reife kommen lassen…
4.
Kann es wahr sein, dass Jesus so denkt und rät? Wäre das – wenns wahr sein sollte - nicht Anleitung zur Eselsgeduld, zum faulen Zuschauen und zum „Alles-geschehen-lassen“? Da würde man Jesu Absicht falsch verstehen. Nicht umsonst mahnt er gerade an den entscheidenden Stellen (Mt 24,37ff) zur Wachsamkeit und zur Radikalität. Er will uns deutlich machen, dass Radikalsein (an die Wurzeln gehen) und Geduld keine sich ausschließenden Widersprüche sind. Der wachsamen und entschiedenen Geduld entgegengesetzt wäre der „unerleuchtete Eifer“ (Oswald von Nell-Breuning), also das unbesonnene Ausreißen und Zerstören, „ohne Rücksicht auf Verluste“. Das ist aber nicht nur unklug, sondern auch unbarmherzig.
Gott den Part überlassen, der der seine und nicht der unsrige ist, das ist der Weg, der uns menschlich reifen lässt. Oder können/wollen wir uns vorstellen, dass Gott ein wirklich so „eifernder Gott“ ist, dem das Zerstören lieber ist als Zuwarten, das „Eine-neue-Chance-Geben“ (vgl. die Geschichte vom unfruchtbaren Feigenbaum, Lk 13,1-9). Das ist Teil seiner Barmherzigkeit, die schlussendlich (auch) die Gerechtigkeit aufs Humane zurückbiegt. Und davon sollten wir – trotz manchen ärgerlichen Wildwuchses von Unkraut – lernen…
5.
Wir kennen die Absichten und die Thesen der Glaubens- und ReligionskritikerInnen. Sie haben den Kirchen und den Gläubigen vorgeworfen, alles zu tun, damit sich an den herrschenden Verhältnissen nichts wirklich ändert. In seiner Abrechnung über die „Sozialen Prinzipien des Christentums“ schlussfolgerte Karl Marx (1948): „Die sozialen Prinzipien des Christentums sind duckmäuserig, und das Proletariat ist revolutionär“. In seiner dialektischen, schwarz-weiß-malenden Logik gibt es keinen Platz für ein besonnenes Differenzieren, bei ihm gibt es nur das „so (schlecht) ist es, drum muss es/alles total anders werden“.
„Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen“, schreibt der Religionskritiker an anderer Stelle; und das ist durchaus auch im Sinn der jesuanischen Zukunftsansage. Muss das aber bedeuten, die guten Wurzeln zu kappen und zu eliminieren?
6.
Die modernen TechnikkritikerInnen und die ökologischen MahnerInnen weisen uns darauf hin, dass es ein blindwütiges Agieren und Ausbeuten, letztlich sogar ein Zerstören der Lebensgrundlagen und von uns selber ist, wenn wir uns als willkürlich tobende Herren von allem und jedem aufspielen.
Es braucht ein Innewerden dessen, was gesundes Wachstum (bei Tag wie bei Nacht!) ist; es gilt, den Wachstumskräften mit Respekt und Dankbarkeit zu begegnen. Spirituell gesprochen bedeutet das auch: Dem lieben Gott seinen Platz und seine Rolle zu überlassen, der dann, wenn die Zeit dafür gekommen ist („die Ernte reif ist“) den Anstoß gibt, den Weizen zu sammeln und das Unkraut zu entsorgen…
Das ist kein Aufruf zur Untätigkeit und keine Anleitung zu Verdummung und zur Unaufmerksamkeit. Wenn wir gelernt haben zu unterscheiden, dann wird sich das Dringliche nicht vordrängen vor das Notwendige… Jene Geduld, die wir bei Gott (im Gleichnis: beim Herrn der Felder und der Ente) lernen können und sollen, ist gerade nicht verantwortungslos, sondern verantwortungsvoll: „Prüft alles, das Gute behaltet!“ (1 Thess 5,21). Nur dann können wir auch das Schöne und Gute, die reifen Früchte und die kostbaren Körner zufrieden genießen.
Fürbitten:
Gott,
 Du Herr über unser Leben und über das Wachstum unserer Natur.
Du schenkst Sonnenschein und Regen, Du sorgst Dich um das Gedeihen von allem was wächst. Uns Menschen hast Du zu GebieterInnen und HüterInnen über die Reichtümer bestellt; hilf, dass wir unsere Verantwortung erkennen und zu nützen wissen:
 Lehre uns Dankbarkeit und Respekt vor dem, was ohne unser Zutun wachsen kann.
 Hilf uns zu einer zweckdienlichen Kritik, wenn die Erdengüter bedenkenlos ausgebeutet und verschwendet werden.
 Schenk uns Wachsamkeit, wenn um uns Dinge passieren, welche die Zukunftsfähigkeit unserer Erde behindern.
 Schenk den VerantwortungsträgerInnen und uns allen die wachsame Geduld, auch wenn die Öffentlichkeit nervös nach Umsturz schreit.
 Gedenke der Opfer, die im Bemühen um eine Überlebenschance unserer Welt Leib und Leben eingesetzt haben.
 Erbarme Dich der Verstorbenen, die namenlos und unbeachtet aus dem Leben scheiden mussten.
Herr über Leben und Tod: Lass die Menschheit begreifen, was sie von Deinem Einsatz für diese Welt lernen kann, aber auch von Deiner barmherzigen Geduld. Dir sei Dank und Lobpreis. Amen.
Liedvorschlag
GL (neu) 186, 1-3: Was uns die Erde Gutes spendet
411: Erde singe
Psalm 104

 

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