Samstag 20. Juli 2024

Jesus trennt Glauben und Staat.

Sozialpredigt

zum 29. Sonntag im Jahreskreis A (22. Oktober 2023)
Autorin: Dorothea Schwarzbauer-Haupt

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

 

Dieses Evangelium aus dem Abschnitt der sogenannten Streitgespräche zeigt Jesus schlagfertig und schlau und hat doch eine bedenkenswerte Aussage.
Eifrig und verschlagen marschieren Jünger der Pharisäer und des Herodes auf und stellen Jesus eine Frage, auf die er nur falsch reagieren kann. „Ist es erlaubt dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht?“ Gemeint war die Kopfsteuer, welche die römische Besatzungsmacht für jeden jüdischen Bürger eingehoben hat. Wenn Jesus jetzt sagt: JA, dann hat er sogleich die versammelte Menge gegen sich. Er würde als Volksverräter beschimpft, im Extremfall gelyncht. Sagt er hingegen NEIN, so haben sie die Anzeige bei der römischen Behörde schon im Hosensack dabei.


Jesus lässt sich aber nicht aufs Glatteis führen. Um die süffisante Ironie seiner Aufforderung, die Steuermünze zu zeigen, verstehen zu können, muss man wissen, dass römisches Geld für die Juden unrein war. Wer es berührte oder sogar bei sich trug wurde unrein und durfte erst nach Reinigungsritualen wieder den Tempel betreten oder an religiösen Zeremonien teilnehmen. Und arglos und naiv zieht tatsächlich einer so eine Steuermünze heraus. Das Raunen der Menge „Oh! Der hat ja einen Denar bei sich“ entlarvt und beschämt ihn als Heuchler und bringt Jesus sofort in die Offensive.
Und dann sagt Jesus den berühmten Satz: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.


Was diese Aussage Jesu bedeutet, hängt auch von der Staatsform, in der man lebt, und ihrer Beziehung zur Religion ab. Das Verhältnis von Staat und religiösen Institutionen ist komplex und kann sehr verschieden sein. Er reicht vom Gottesstaat, in dem religiöse Gewalt und Staatsgewalt eines sind, bis zum atheistischen Staat, indem öffentliche Religionsausübung verboten ist und bestraft wird. Wir leben heute in einer Demokratie, einem weltanschaulich neutralen Rechtsstaat. Was kann Jesu Wort für uns heute bedeuten?
Zunächst einmal sicher, dass Jesus anerkennt, dass die Menschen die Fähigkeit haben sich in einem profanen Staatswesen zu organisieren. Dieses Staatswesen muss von allen getragen werden und beinhaltet auch Pflichten des Staatsbürgers und der Staatsbürgerin. Mit Beiträgen den Staat zu finanzieren gehört dazu. Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, meint also: Die Notwendigkeit eines Staatswesens, das autonom gegenüber der Religion ist, ist anzuerkennen. Den damit verbundenen Pflichten ist nach zu kommen.

Interessant ist aber, dass Jesus dem Kaiser und dem Staat, den er repräsentiert, nicht den Tempel oder den Hohenpriester gegenüberstellt, also die religiöse Institution, heute würden wir sagen, die Kirche. Jesus sagt: Gebt Gott, was Gott gehört. Damit stellt er Gott heraus, als die Instanz unter deren Kritik und Urteil jedes Staatswesen steht. Was gehört denn Gott? Die Menschen gehören Gott, ihr Wohl und Wehe ist sein Anliegen. Gott will Leben in Fülle für alle, Frieden, Freiheit und Wohlergehen. Unter diesem Willen steht die staatliche Gewalt, an diesen Maßstäben Gottes muss sie gemessen werden.

 

Das bedeutet aber, dass die Forderungen und Pflichten gegenüber dem Staatswesen nicht unkritisch und blind befolgt und erfüllt werden können und dürfen. Bei der Frage ob das, was der Kaiser, die Staatsgewalt fordern, zu erfüllen ist, ist immer der Maßstab Gottes – und nicht der Kirchen mit ihren Interessen und ihrem Machtstreben – anzulegen.

 

So gesehen ist zum Beispiel die Entscheidung eines Franz Jägerstätters, sich dem Kriegsdienst für die Nationalsozialisten zu verweigern, mit Jesu Worten vereinbar. Dieser Krieg hat das Leben und die Würde von Millionen Menschen missachtet und mit Füßen getreten. Gott geben, was Gott gehört im Sinne der Kriegsdienstverweigerung war also eine Verwirklichung dieses Jesuswortes.

Das gilt auch für uns im Kleinen. Obwohl es klar ist, dass wir den Staat unterstützen und staatsbürgerliche Pflichten erfüllen müssen, ist es notwendig kritisch und wachsam zu bleiben, um der Absicht Gottes zu wider laufende staatliche Forderungen aufzudecken und bewusst zu machen. Auch das ist Christenpflicht in unserer heutigen Umbruchszeit vielleicht mehr denn je. Anders gesagt eine Wertediskussion bezüglich politischer Maßnahmen und Vorschriften ist gerade auch heute zu führen. Und sie ist von Christen und Christinnen zu führen im Namen der Gottheit, die das Heil aller Menschen will. Wir als Kirche sind gefordert den Mund auf zu machen und Widerstand gegen Gesetze und Vorschriften zu leisten, die Schwache und Benachteiligte ausgrenzen und hilflos machen. Gerade weil wir gute Staatsbürger:innen sein wollen.
 

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