Samstag 20. Juli 2024

Erntedank

SOZIALPREDIGT

zum Erntedankfest

Autorin: Eva Bauernfeind-Schimek,

Fachbereich Gesellschaft und Soziales

 

Psalm 104, 10 - 15

Du lässt Quellen sprudeln in Bäche, sie eilen zwischen den Bergen dahin. Sie tränken alle Tiere des Feldes, die Wildesel stillen ihren Durst. Darüber wohnen die Vögel des Himmels, aus den Zweigen erklingt ihr Gesang. Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, von der Frucht deiner Werke wird die Erde satt. Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Pflanzen für den Ackerbau des Menschen, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit er das Angesicht erglänzen lässt mit Öl und Brot das Herz des Menschen stärkt.

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Liebe Schwestern und Brüder,

 

"Danke für gar nichts", hört man Menschen mittlerweile immer öfter sagen. Wenn sie zum Beispiel ihrem Gegenüber mitteilen wollen: "Dein Rat war schlecht“, wenn sie nach einer enttäuschenden Beziehung ihrem Frust freien Lauf lassen, oder wenn sie sich über politische Entscheidungen ärgern. Es scheint oft einfacher, seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen als seiner Dankbarkeit.

 

Dass das Danken als anstrengend oder unangenehm erlebt wird, merkt man sehr unmittelbar, wenn man Kindern das „Danke-Sagen“ vermitteln möchte: „Wie sagt man?“ ist ein wirklich häufig gesprochener, aber auch gehörter Satz in diesem Zusammenhang. Egal ob das Gegenüber fremd ist oder ob man es gut kennt – das Wort „Danke“ kommt oft nur zaghaft und mit Verspätung, weil man für ein „Danke“ aus sich heraus und auf den anderen zugehen muss.

Mit dem Erntedankfest gibt es sowas wie einen kirchenjährlich verordneten Dankestag –einen, den alle mögen, auch Menschen, die sonst wenig mit der Kirche zu tun haben. Das Erntedankfest als offizielles Dankeschön an Gott für die Ernte, auch wenn man sie nicht selbst erledigt hat, hat seinen festen Platz in der Kirche und in unseren Herzen.

 

Wann bin ich dankbar? Dann, wenn ich mehr bekomme, als ich zurückgeben kann. Jedes Mal knüpft sich in diesem ungleichen Geben und Nehmen ein Band zu anderen Menschen. Es entsteht eine Beziehung, in der beide etwas geben und bekommen. Dankbarkeit schafft ein Gefühl der Verbundenheit und hilft, Beziehungen aufzubauen.

 

Im Gegensatz zu Schuldgefühlen, die meist nur dafür sorgen, dass man etwa so viel zurückgibt, wie man bekommen hat, scheint Dankbarkeit die allgemeine Bereitschaft zu erhöhen, anderen Gutes zu tun. Studien zeigen: Menschen, die auch für vermeintliche Kleinigkeiten wie einen neuen Tag oder die Musik ihrer Lieblingsband dankbar sind, sind zufriedener, sehen optimistischer in die Zukunft und haben oft sogar weniger körperliche Beschwerden.

 

Uns Erwachsenen fällt das Annehmen aber oft ebenso schwer wie das Danken. Rasch hat man die Befürchtung, das, was man erhalten hat, nicht in gleicher Weise zurück geben zu können. Kinder haben damit weniger Schwierigkeiten: Gibt man einem Kind 20 Euro, wird es diese bestimmt begeistert annehmen, im besten Fall hört man sogar ein „Danke“. Ein Erwachsener wird sich eher skeptisch fragen, ob da noch eine Schuld zu begleichen war. Als Erwachsene haben wir verlernt, mit Freude anzunehmen, aber auch mit Freude dankbar zu sein – dabei haben gibt es für die meisten von uns sogar an einem schlechten Tag vieles, wofür wir dankbar sein können.

Dankbarkeit lernen wir als Erwachsene häufig erst wieder, wenn es Tiefschläge gibt im Leben: eine Erkrankung, Unfälle, ein verlorener Job, Situationen, in denen sich unser Alltag von einer Minute auf die andere verändert. All das kann uns dankbar machen für Dinge, die uns vorher selbstverständlich erschienen sind oder für Menschen, die uns Halt geben.

"Ich bekomme so viel zurück", erzählen oft Menschen, die sich für andere engagieren. Oft nennen sie als Motivation die eigene Dankbarkeit dafür, dass das Leben es gut mit ihnen gemeint hat, dass ihnen selbst geholfen wurde oder dass sie eine Krise überstanden haben. Dankbarkeit verändert. Aus der Dankbarkeit wächst Empathie und Mut.

 

Der Segen Gottes wird eben nicht nur für die Arbeit auf den Feldern benötigt. Wir sind auf vieles angewiesen, und wir spüren am Erntedankfest vielleicht stärker als sonst, dass wir das alles nicht allein uns selbst verdanken. Es reicht oft nicht, sich selbst auf die Schulter zu klopfen für das, was uns an Gutem widerfährt. Das Leben ist und bleibt auch ein Geschenk.

 

Die Dankbarkeit hält das Leben offen für Gott als Geber aller guten Gabe. Ich habe nicht nur etwas, sondern in dem, was ich habe, zeigt sich Gott, der es gut mit mir meint. Ihm können wir danken für das, was unser Leben ausmacht.

Ihm können wir auch unser Leid klagen, wenn es uns schlecht geht. Der Glaube an Gott garantiert nicht, dass uns kein Leid geschieht, aber im Leid Trost zu erfahren. Auch das kann dankbar stimmen.

 

Und so kann man das Erntedankfest verstehen als eine Erinnerung daran, danke zu sagen, auch wenn es Momente gibt, in denen man am liebsten "Danke für gar nichts" sagen möchte. Gründe, um unzufrieden zu sein finden wir alle genug. Beim Erntedankfest begeben wir uns auf die Suche nach dem, was uns dankbar macht. Dankbarkeit hat mit dem Bewusstsein zu tun, dass mir etwas Gutes widerfahren ist. Insofern gehört eine gewisse Wertschätzung zur Dankbarkeit. Denn das Gute muss auch wahrgenommen und gewürdigt werden.

Amen.

 

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