Mittwoch 21. August 2024

Mit Gelassenheit und Hoffnung zur Problemlösung

Sozialpredigt zum 16. Sonntag im JK, Lesejahr A (23. Juli 2023)

 

Autorin: Lucia Göbesberger, Leiterin Fachbereich Gesellschaft und Soziales

 

Mt 13,24-43

 

 

Das Gleichnis im heutigen Evangelium bietet wieder keine To-do-Liste, die abgearbeitet werden kann, und schwups schon ist alles gut oder wird alles gut. Nein, es ist aufwändiger: Und hier wird gar gefordert abzuwarten und das schon Verdächtige vorerst bestehen zu lassen.

 

Werfen wir einen genauen Blick auf das Gleichnis: Dem Gutsherrn, der gute Samen, Weizenkörner, ausgebracht hat, wird berichtet, dass nicht nur Weizen, sondern auch Unkraut am Acker aufgeht. Am besten gleich ausreißen, lautet der Vorschlag seiner Knechte. Das erscheint doch eine gute - wenn auch heute kaum mehr vorstellbare, weil äußerst arbeitsintensive – Vorgehensweise. Doch der Gutsherr befindet, dass es reicht, wenn am Tag der Ernte das Unkraut vom Weizen getrennt wird – bestimmt ebenso viel Arbeit. Der Besitzer begründet das damit, dass er sicher gehen will, dass bestimmt kein Keimblatt eines Weizenkornes versehentlich ausgerissen wird. Er hat die Gelassenheit zu warten und die Hoffnung, dass das Unkraut der guten Ernte keinen Abbruch tun wird. 

 

Hoffnung und Gelassenheit als Grundhaltung angesichts der Situationen, die uns Sorgen machen, durch die wir uns bedroht fühlen, das kann man sich nur wünschen. Dabei ist die Gelassenheit, des Mannes, auf dessen Feld der Weizen genauso gedeiht wie das Unkraut nicht als Untätigkeit oder Schicksalsergebenheit zu verstehen. Er gibt jedem Keimblatt eine Chance und zum Erntezeitpunkt wird ganz klar sein, was wohin gehört und das Unkraut wird verbrannt werden. Die Kunst ist die Zwischenzeit auszuhalten, die nötige Gelassenheit zu haben und die Hoffnung nicht aufzugeben. Eine Gabe, finde ich. Allen Pflänzchen eine Chance zu geben, nicht gleich das vielleicht Schlechte zu entfernen, sondern die langfristige Perspektive einzunehmen und zu warten, was sich entwickelt. Eine Herausforderung auch für die Knechte – es ginge wohl vielen von uns genauso wie ihnen – denn der Wunsch ist, dass das Verdächtige, das schon absehbar Schlechte gar nicht erst aufkommen kann: Dem Guten allein soll das Feld überlassen werden. Im Gleichnis findet sich aber dieser andere Zugang, nämlich dass für beides Platz ist und das bedeutet, sich mit den unterschiedlichsten Positionen auseinanderzusetzen zu müssen. Die Herausforderung ist dann zum Beispiel, sich kontroversen Gesprächssituationen auszusetzen und Gegenpositionen zu akzeptieren oder sie nur auszuhalten, sie am Ende eines Gespräches „stehen zu lassen“, wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt. 

 

Selbst wenn eine Kontroverse schon absehbar ist, glaube ich, dass es wichtig ist, sich immer wieder solchen Auseinandersetzungen zu stellen. Denn es geht darum einander nicht aus der Pflicht zu lassen, einander ernst zu nehmen, zu ziehen und zu ringen, einen Kompromiss zu finden. Gediegenes Streiten und Diskutieren sind Tugenden unserer demokratischen Gesellschaft. Es ist der einzig mögliche Weg wie wir unser Miteinander in einem ständig fortlaufenden demokratischen Prozess, also immer wieder aufs Neue aushandeln können. Das ist das anstrengende an Demokratie und auch die Chance. Nicht die Idee einer kleinen Gruppe oder gar nur einer Person wird umgesetzt, sondern alle sind gefordert und das ständig, auch wenn das mühsam ist. Der Rahmen dabei ist klar, allen stehen gute Lebensmöglichkeiten zu, die Menschenrechte gelten bedingungslos! 

Sicher, manchmal fehlt einfach die Energie für ein Streitgespräch oder die Motivation zum wiederholten Male denselben Streitpunkt zu besprechen, hier ist es schon mal ein Weg, das strittige Thema zu meiden. Da hilft es dann, in der eigenen „bubble“ (Blase) die nötige Selbstbestätigung zu erhalten. Aber für gelingende gesellschaftliches Miteinander müssen wir uns immer wieder aus der Komfortzone herausbegeben und die Stimme erheben und mitgestalten.

Es sind aber nicht nur Gespräche über verschiedene Standpunkte, bei denen es nicht immer leicht ist, das Nebeneinander auszuhalten. Manchmal sind es Lebensweisen, die den eigenen Vorstellungen widersprechen und als irritierend, wenn nicht gar als anstößig beurteilt werden. Ein Beispiel, dass bei jungen Erwachsenen im Trend liegt (ganz unabhängig von politischen Parteien): Freiwillige Teilzeit, also keine 40-Stunden-Woche mehr und das nicht nur bei Frauen, weil sie Betreuungsaufgaben übernehmen, sondern ganz unabhängig von Care-Fragen. Männer wie Frauen tun das im Wissen, dass sich das schlecht mit den zukünftigen Pensionsansprüchen verträgt. Work-life-Balance ist wichtiger und steht hoch im Kurs. Aber für manch andere ist das ein Affront, wenn nicht mehr die Erwerbsarbeit im Lebensmittelpunkt steht. Darf denn das sein? Diese vorwiegend jungen Menschen würden die Frage vielleicht gar nicht verstehen und vielleicht Rückfragen, was die Fragenden unter gutem Leben und Arbeiten verstehen.

 

Mal angenommen der Trend setzt sich durch, was wäre zu tun: Es stünde dann genauso ein demokratischer Aushandlungsprozess bevor. Die Fragen wären zu klären, wie kann Gesellschaft, wie kann das Miteinander funktionieren, wie kann die Arbeitsaufteilung aussehen, wie kann soziale Sicherheit gewährleistet werden, wenn 30 oder 32 Stunden oder so die neue Vollzeit sind? Bei den Verhandlungen müssten besonders jene in den Blick genommen werden, die bereits jetzt nicht von ihrem Vollzeitjob oder den mehreren Teilzeitjobs leben können. Vom Entgelt leben zu können ist Voraussetzung, das heißt, ein bestimmtes Mindesteinkommen würde es vermutlich brauchen. Wichtig wird es sein, verschiedene Modelle gegeneinander abzuwägen und einen Weg zu finden, der gutes Leben und gutes Arbeiten möglich macht.  Bis dahin bräuchte es die Zuversicht, dass ein gutes Ergebnis gefunden werden wird, das auch die nötige soziale Absicherung für jene, bei denen es nicht reicht, garantiert. Sollte sich dieses Arbeitszeitmodell durchsetzen, bräuchte es langen Atem und die Zuversicht und Gelassenheit, dass es letztlich gelingen wird. 

 

Nicht in Fällen wird es der richtige Weg sein zu warten, manchmal wird es notwendig sein sofort zu handeln und Maßnahmen zu setzen. Wir brauchen die Gabe des Gutsherrn das eine vom anderen zu unterscheiden und bei den langwierigen Fragen die nötige Gelassenheit und Hoffnung zu haben.

 

Download: Sozialpredigt
 

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