Montag 25. November 2024

Heilige Familie als Sacra Conversatione: Gelingende Gemeinschaft um und mit Gott

Sozialpredigt zum Fest der heiligen Familie (31. Dezember 2017), Lesejahr B

 

LK 2,22-40

 

Autor: Univ.-Prof. Dr. theol. Christian Spieß,

             Professor an der KU, Linz

 

In der Wiener Albertina findet gerade eine außergewöhnliche Ausstellung statt. Viele der Zeichnungen und Gemälde des Renaissancemalers Raffael, die dort gezeigt werden, kreisen um das Thema des heutigen Sonntags, um das Thema dieser Weihnachtstage: Maria und Jesus, zu zweit, ergänzt um den Johannesknaben, um Josef, um Elisabeth, oder um die Mutter Anna.


Auch das heutige Evangelium – wie die ersten Kapitel des Lukasevangeliums insgesamt – stellt die Heilige Familie in ein reichhaltiges Beziehungsgeflecht. Dieses Beziehungsgeflecht ist geprägt von Kommunikation, von Verständigung zwischen Menschen, von Gesprächen, von Wegen zueinander, von Begegnungen, von gemeinsam vollzogenen Riten und gemeinsam befolgten religiösen Normen. Mit den großen Dichtungen des Lukasevangeliums, mit dem Magnifikat, dem Benedictus (Lobgesang des Zacharias) und dem Nunc dimittis (Lobgesang des Simeon), prägen diese im Wortsinn „dramatischen“ Darstellungen bis heute die katholische Liturgie wie nur wenige andere Passagen der Heiligen Schrift.
Der Text betont den Bezug zum religiösen Gesetz und zur religiösen Praxis von Beginn an. Die jüdische Familie nimmt den Weg zum Tempel. Sie findet dort nicht nur den rechten Ort, um zu tun, was die gläubige Konvention gebietet, sondern auch Menschen, deren Leben vom Glauben bestimmt ist, die ihren Glauben bezeugen, bis in den Tod hinein. Es sind die beiden Alten – Simeon und Hanna –, die im Zentrum der Dramaturgie stehen, ehe die Familie wieder nach Galiläa zurückkehrt.


Dieser Text verführt kaum dazu, Klischees der bürgerlichen Familie mit der Heiligen Familie in Verbindung zu bringen. Es geht in dem Text nicht um ein „Wesen“ der Familie, sondern um die Familie als Kommunikationsgeschehen. Dieses Kommunikationsgeschehen dreht sich nicht um die Familie selbst, sondern um Gott – und wird dadurch zum heiligen, zum heilenden Geschehen. Nicht die Wohnstube ist der Ort dieses Beziehungsgeschehens, sondern der Tempel. Eine solche „sacra conversatione“ – also: heilige Verständigung – ist auch auf einigen Bildern Raffaels dargestellt. Zwar ist kunsthistorisch umstritten, was genau mit solchen Darstellungen ausgedrückt wird. Auffallend ist aber jedenfalls die Ausweitung der Darstellung auf Personen, die Maria und das Jesuskind in einen größeren Zusammenhang stellen, wie dies eben auch das heutige Evangelium tut.


Es geht also um eine bestimmte Form des Miteinanderlebens, dessen Mitte Gott ist. Die Frage, wer mit wem eine Familie bilden kann, darf oder nicht darf, tritt völlig in den Hintergrund gegenüber der Frage, wie wir handeln können, dürfen oder sollen, damit eine „sacra conversatione“, ein Heil bringendes Kommunikationsgeschehen entstehen kann. Wenn wir dann – wie es das Tagesgebet formuliert – die Heilige Familie als leuchtendes Vorbild annehmen, werden wir diese Heilige Familie sehr viel weiter fassen müssen als die spätmoderne „Kernfamilie“ und an alle möglichen Lebensgemeinschaften und Lebensformen denken, an die ganze Vielfalt der Möglichkeiten, das private Leben zu teilen.
Worauf es ankommt, ist, dass in diesen Lebensgemeinschaften heilendes Zusammenleben verwirklicht wird. Und ein Problem tritt nicht dann auf, wenn die formal „falschen Leute“ an diesem Zusammenleben beteiligt sind, sondern wenn heilendes Zusammenleben misslingt oder scheitert. Das Evangelium macht deutlich, dass familiales Leben und religiöses Leben in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, gewissermaßen ineinander verwoben sind. Die Teilhabe an der religiösen Praxis ist Bestandteil des Heil bringenden Zusammenlebens einer Lebensgemeinschaft. Wenn wir dies ernst nehmen, erscheint es abseitig, dass Menschen, dass Familien, dass Lebensgemeinschaften die religiöse Teilhabe versagt oder beschränkt wird, weil ihr Zusammenleben misslungen ist oder die „falschen Leute“ zusammenleben.

 

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