Dienstag 18. Februar 2025

"Die Heilige Familie - keine heile Familie ..."

Ein starker Kontrast: Vor ein paar Tagen noch das Weihnachtsfest, das in unseren Breiten oft heimelig dargestellt wird, die Heilige Familie geborgen im Stall bei Ochs und Esel. Und verknüpft mit der Zusage: „... auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner [Gottes] Gnade.“
Und ein paar Tage später wie zum Hohn der Einbruch einer brutalen Wirklichkeit. Das Neugeborene wird von König Herodes mit dem Tod bedroht. Und die Familie beschließt die Zelte abzubrechen: Aufbruch, hastige Flucht nach Ägypten, Neustart in eine ungewisse Zukunft.

Historisch ist das wohl nicht, es finden sich in der Geschichtsforschung keine Belege, dass es den Kindermord zu Bethlehem wirklich gegeben hat. Aber stimmig ist Folgendes: Das Schlachthaus hat König Herodes schon inszeniert, nur eben in seinem eigenen Haushalt statt in Bethlehem. Mord und Totschlag, Intrigen, die Herrschaft, die Angst sie zu verlieren und die daraus resultierende Gewalt sind historisch verbürgt für diesen König von Roms Gnaden. Der Evangelist greift wohl auf, wofür dieser Herrscher landläufig bekannt ist.
Daher nehme ich den Text doch beim Wort, da er eine tiefere Wahrheit ausdrückt, die auch heute noch aktuell ist …

Mit Herodes dem Großen haben wir einen Herrscher vor uns, der versucht zu überleben, seine Macht zu erhalten und für sich und die Seinen das Maximum herausholt. Dass er dabei über Leichen geht, gehört zum Tagesgeschäft, und ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich auf diese Logik einlässt. Dann führt eben eines zum anderen…koste es, was es wolle…
Wir kennen das heute auch von anderen Gewaltherrschern, Diktatoren, Potentaten. Man erinnere sich dabei an das, was in den letzten Jahren in Syrien passiert ist. Ein Familienclan (das langjährige Herrscherhaus) und etliche andere Mächte kämpfen miteinander, einfache Menschen, zigtausende Familien mit ihren Kindern geraten in den Strudel der Mächte und sterben oder schaffen es gerade noch, zu flüchten. In Europa haben wir hunderttausende von Menschen, die uns das heute noch erzählen könnten: Wie es ist, wenn die Welt zusammenbricht, das eigene Leben und noch wichtiger das Leben der eigenen Kinder bedroht ist. Und einem nur noch die Flucht bleibt; sogar, wenn man sich dafür mit einem Schlauchboot über die Ägäis wagen muss.

Der Familie des Herodes, in der man einander zurecht nicht über den Weg getraut hat, steht die kleine Gemeinschaft von Maria, Josef und ihrem Neugeborenen als Kontrastfolie gegenüber.
Sie halten zusammen, machen sich gemeinsam auf dem Weg und wenn sie in Ägypten überleben wollen, sind sie auch angewiesen auf solidarische Menschen vor Ort. In dem Evangelium von heute tauchen zwei Mal Engel auf, die hilfreich zuflüstern, was nun angesagt ist. Überleben in der Fremde bedarf vieler solcher „Engel“, die Familie kann und muss das nicht allein meistern.

Daher an diese Stelle auch der Hinweis auf zahllose andere Familien, die ebenfalls versuchen, als kleine solidarische Zelle zu überleben im Spiel der Mächte und Gewalten von heute. Sie schaffen es auch nicht alleine, sie benötigen ebenfalls Beistand. Auch wenn sie in unseren Breiten nicht gleich von Mord und Totschlag bedroht sind, es gibt mehr als genug Kräfte, die Druck ausüben auf die Familien und ihren Zusammenhalt.

Nur ein paar wenige Stichworte zu den Mächten und Gewalten, die heute einwirken:

Die Arbeitswelt fordert flexible Menschen, der Leistungsanspruch wird laufend erhöht, man soll gut funktionieren und daneben im Privaten all das gut leben, was man so unter heilem Familienleben versteht.
Der Anspruch auf das Glück in der eigenen kleinen Welt kommt dazu, da man „draußen“ oft dieses Glück nur mehr sehr bruchstückhaft erfahren kann.
Die Kinder sollen ebenfalls gut funktionieren, der Freiraum für Störungen wird geringer, weil alles angespannter wird. Zumal für diejenigen, die nicht den materiellen Wohlstand haben und sich diverse entlastende Unterstützungssysteme einfach  nicht kaufen können.
Und später dann kommt dazu, dass man/oder eher Frau die Pflege der älter werdenden Angehörigen ebenfalls übernehmen soll.
Dazu der materielle Druck, Familien mit mehr Kindern sind überdurchschnittlich von Armut bedroht. Zudem die politischen Maßnahmen in Österreich, wo im April 2019 leider gerade im Rahmen der neuen Sozialhilfe die Gelder für Familien mit mehreren Kindern massiv gekürzt wurden.

Veränderte soziale Netze, die größer werdende Mobilität machen es heute schwerer, Solidarität zu erfahren. Familie vor zweitausend Jahren war aber immer mehr als nur Vater, Mutter und Kinder. Heute schrumpft das oft zusammen auf eine kleine Zelle von vielleicht nur zwei Menschen.

Andere Mächte, aber ähnliche Probleme: Wie überleben wir als Familie heute gut? Wie halten wir die Balance zwischen den zahlreichen Anforderungen von außen und dem Versuch, miteinander gut und liebevoll umzugehen?
Wer kann da schon sagen: Wir sind eine heile Familie, bei uns ist alles in Ordnung?

Das Entlastende aber ist: Wir müssen es gar nicht sagen oder gar vorspielen. Das Evangelium erzählt uns von der Heiligen Familie, die ebenfalls hineingeworfen ist in eine unruhige, oft raue Welt. Ihr bleibt das genau so wenig erspart wie uns allen.

Kirche heute kann auch heißen: Wir verzichten auf die kitschig schönen Geschichten der heilen Familie, sondern ermutigen dazu, ehrlich zu sein. Und wenn wir sehen, da braucht es Hilfe, Unterstützung, dann zeigen wir uns solidarisch. „It takes a village to raise a child“, so ein afrikanisches Sprichwort.

Man könnte auch sagen: Familie schaffen wir nur gemeinsam. Und ja, niemand von uns meistert das einfach so alleine, und das Heile, Makellose ist kein Anspruch, dem wir uns stellen müssen. Wir dürfen Hilfe in Anspruch nehmen, ob nachbarschaftlich, ehrenamtlich oder auch mal professionell. Auch die katholische Kirche in OÖ hat hierzu einige sehr gute Hilfsangebote, z.B. die „Caritas Familienhilfe“ oder die Beratungsstellen von „Beziehungleben“. Wir dürfen aber auch Hilfe anbieten und es ist kein Fehler, da auch mal einen Schritt zu machen, wenn uns Familien begegnen, die gerade ins Strudeln kommen.

Als Kirche können wir uns bewusst machen, wie schwer das oft ist, wie herausfordernd, wie Scheitern und Glück oft nebeneinanderliegen und ineinander übergehen. Heil ist da manchmal wenig, aber heilig sind unsere Versuche in allen Widrigkeiten einander beizustehen und miteinander zu leben, was eben in unserer Macht steht. Und heilig sind dann natürlich auch all diejenigen, die uns als „Engel“ begegnen.

Linktipps:

https://www.caritas-linz.at/hilfe-angebote/familien/mobile-familiendienste/

http://www.beziehungleben.at/
 

Download:
 

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