Am 9. Juni 2022 kamen die Politologin Dr.in Tamara Ehs, die Historikerin Dr.in Marion Wisinger und der Referent für Weltanschauungsfragen Mag. Herbert Mühringer miteinander ins Gespräch, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie es gelingen kann, unterschiedlichen Positionen und Meinungen zu respektieren und immer wieder auch den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Der Theologe Mag. Martin Kranzl-Greinecker moderierte die Veranstaltung. Dieser Abend wurde in Kooperation des Sozialreferates der Diözese Linz, Pax Christi OÖ, VHS Linz und dem Katholische Bildungswerk OÖ durchgeführt.
Tamara Ehs betont, dass das Zusammentreffen mit Freund*innen wichtig für eine demokratische Gesellschaft ist. In den letzten zwei, durch die Pandemie geprägten Jahre, sind wir allerdings aus der Übung gekommen. In dieser Zeit waren wir viel mehr im privaten Bereich und daher müssen wir uns nun den öffentlichen Raum wieder aneignen, wieder lernen sich in einer Gruppe zurechtzufinden und einander zuzuhören. Das hatte zumindest zum Teil zur Folge, dass wir nur mit Menschen zusammentrafen, die eher die eigene Meinung vertraten und mit denen wir gut vertraut sind. Eine qualitätvolle Demokratie braucht aber viele Diskussionen, um politische Entscheidungen auszuhandeln.
Soziale Frage als Grundlage der Demokratiequalität
Im besten Fall können alle in einem Staat lebenden Menschen mitgestalten. Das Problem derzeit ist die zunehmende soziale Ungleichheit. Nicht nur, dass diese Menschen weniger mitgestalten können, sondern auch die Polarisierung nimmt mit der Ungleichverteilung zu. Die soziale Frage ist die Grundlage der Demokratiequalität, streicht Tamara Ehs hervor. Das heißt, die Teuerungswelle hat direkte demokratische Auswirkungen, da die Mitgestaltungsbereitschaft und -möglichkeit abnimmt bzw. eingeschränkt wird und daher ihre Probleme in politischen Debatten und Entscheidungen wenig Berücksichtigung finden. Dass durch Digitalisierung die Demokratiequalität zunimmt, bezweifelt Ehs. Dort schließt man sich vor allem Gruppen an, die ähnliche Ansichten vertreten, jene oder das, was die eigene Sicht in Frage stellt fehlt.
Marion Wisinger beschrieb, warum sich manche Menschen nicht beteiligen: Sie halten sich für unpolitisch, unwissend, machtlos, und fühlen sich sprachlos, weil sie nicht gehört werden.
Wie kann man dieser Tatsache entgegenwirken? Oft wird dabei auf die Lehrer*innen verwiesen. Doch im Unterricht bleibt oft nicht viel Zeit für politische Bildung und ein eigenes Unterrichtsfach für politische Grundbildung ist auch nicht vorgesehen. Aus den vielen Workshops, die Wisinger in Schulen hält, weiß sie, dass die Schüler*innen sehr wohl die Probleme erkennen, aber nicht wissen, was sie tun können, um das zu ändern. Die politische Landschaft ist ihnen zum Teil völlig fremd. Aber das ist nicht nur bei Jugendlichen so, sondern genauso bei Menschen, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind - ihre Informiertheit nimmt ab, so Wisingers Beobachtungen.
Zuhören und ehrliches Interesse zeigen
Marion Wisinger gab konkrete Ratschläge, was in einer kontroversen Diskussion wichtig ist. Sie rät nicht zu schnell zu reagieren und Gegenargumente zu bringen, denn es ist wichtig sich zuerst zu orientieren. Also zuzuhören und nachzufragen, wie etwas gemeint ist, auf welche Quelle sie sich berufen und wie das Gegenüber diese Informationen beurteilt. Es geht darum sich für die Inhalte ernsthaft zu interessieren und bei einem Thema zu bleiben.
Herbert Mühringer schließt sich der Meinungen seiner Vorrednerinnen an. Es geht immer zuerst darum, den Menschen zu sehen und nachzufragen, warum ihr*ihm das wichtig ist. Aber im Falle von Verschwörungstheorien ist zusätzlich wichtig nachzufragen, was diese Thesen mit der Person machen, was es für sie*ihn heißt, anzunehmen, dass es andere Personen gibt, die ihr*ihm schaden wollen. Kennzeichen solcher Verschwörungstheorien ist, dass ein ausgeprägtes schwarz-weiß Denken vorherrscht und dass mit der Schlussfolgerung angefangen und die Theorie daraus abgeleitet wird. Mühringer empfiehlt sich in Gelassenheit zu üben, sich zu positionieren und auf jeden Fall den Kontakt aufrecht zu halten.
Eine der Schlussfolgerungen dieser Veranstaltung ist, dass es für eine gute Demokratie, einen offenen, ehrlichen und korruptionsfreien Diskurs braucht. Im Großen und im Kleinen. Um einen solchen zu fördern und Menschen für solche Gespräche zu befähigen, bietet das Katholische Bildungswerk OÖ gemeinsam mit dem Sozialreferat der Diözese Linz ab Herbst 2022 Kurzworkshops an, um Argumente gegen „Stammtischparolen“ zu finden und Strategien für gute Gespräche zu erfahren und im geschützten Rahmen konkret zu üben.
Bei Interesse melden Sie sich bitte bei uns!
Tel.: (0732) 76 10-32 11 oder kbw@dioezese-linz.at
Die Veranstaltung wurde von Dorf TV aufgezeichnet und kann hier nachgesehen werden.
Lucia Göbesberger, Michaela Wagner