4. Linzer Religionsgespräch 2003
„Heilige Bücher – Heilige Worte“
Im Jahr der Bibel sprachen Vertreter von Islam, Christentum, Judentum und Buddhismus beim 4. Linzer Religionsgespräch (28. Jänner 2003) über Heilige Bücher und Heilige Worte.
DI Mouddar Khouja, der persönliche Referent des Präsidenten der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs führte aus, dass der Koran in erster Linie als „Rechtsquelle für eine verfassunggebende Verfassung [??] verstanden wird“. In der Diskussion betonte er, dass auch Muslime „die jeweilige staatliche Ordnung und die staatlichen Gesetze als Souverän sehen und anerkennen“.
Dr. Christoph Niemand, Professor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, betonte in seinem Statement, dass „das Christentum keine Buchreligion ist, weil immer Menschen das Zentrum sind“. Wer Jesus war, kann nicht ohne Bezug auf die jüdischen Schriften gesagt werden. Die Evangelien wurden nach der Gründerphase des Christentums zur Stabilisierung und „gegen weiteres Zerfransen“ kanonisiert und sind so für Christen „der normative Bezugspunkt“.
Isac Menachem Moschkovits, ausgebildeter Rabbiner und in der israelitischen Kultusgemeinde in Wien in der Erwachsenenbildung tätig, führte aus, dass es für einen Juden nur eine Heilige Schrift gibt, die Thora. Es gibt auch keine Übersetzung in eine andere Sprache, „weil das Hebräische eine Ideen- und Bildsprache und keine Wortsprache ist“. Alles andere außerhalb der Thora ist für einen Juden nicht Heilige Schrift. Moschkovits betonte den hohen Stellenwert der Thora mit dem Ausspruch: „Gott schaute in die Thora und schuf die Welt“. Der Humor und die Geschichten im Judentum weisen auf die inspirierende Kraft der Thora hin. Gesetze entstehen durch Mehrheitsentscheidungen und können „nicht direkt von der Thora abgeleitet werden“.
„Bei uns gibt es keine Heilige Schrift und keine Heiligen Bücher.“ Mit diesen Worten begann Banthe Thero Seelawansa, buddhistischer Mönch in Wien, seine Ausführungen. Jede Erzählung beginnt mit „Ich habe so gehört...“ und zitiert nie einen Ausspruch Buddhas direkt von ihm. Das Tun und die Lebenspraxis sind für einen Buddhisten entscheidend. „Bücher lesen ohne Praktizieren bringt kein Heil.“ In der Diskussion führte er aus, dass „es keine Heiligen Dinge gibt, sondern nur den Raum dafür.“ Die anderen Gesprächsteilnehmer fragte Seelawansa, „ob sie nicht auch manchmal fragend oder zweifelnd vor ihren Heiligen Büchern stünden“.
Im Gespräch miteinander wurde noch als bemerkenswert festgehalten:
- die Schwierigkeiten bei der Übersetzbarkeit der Schriften;
- in allen Religionen bieten Geschichten und die Erzählform eine große Freiheit für Interpretationen;
- der hohe Anspruch des Koran als Rechtsquelle;
- der Zweifel an der jeweiligen Schrift schärft und macht gleichzeitig tolerant;
- „Ein ehrfurchtsvolles Übereinander-Reden und -Denken ist die Quelle der Wahrheit.“
Abschließend merkte Mag. Stefan Schlager als Vertreter der Veranstalter an, „dass wir heute wieder ein Stück weitergekommen sind in Richtung gemeinsamer Orthopraxie, die sicherlich höher steht als jede Orthodoxie“.
Ferdinand Kaineder, Kommunkationsbüro der Diözese Linz (28.1. 2003)