6. Linzer Religionsgespräch 2005
Zum sechsten Mal trafen sich am 26. Jänner 2005 in der Linzer Katholisch-Theologischen Privatuniversität (KTU) VertreterInnen des Judentums, Christentums, Islam und Buddhismus, um über Grundfragen der Religionen miteinander zu sprechen. Die Spiritualität und ihre Quellen standen im Mittelpunkt des heurigen Austausches. 70 BesucherInnen erlebten dabei einen spannenden Abend.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen spirituellen Traditionen und Übungen oder Gebete diskutierten am Podium: Dr.in Ursula Baatz (Christentum), Dipl.Päd.in Ruth Winkler (Judentum), DI Tarafa Baghajati (Islam) und Dr. Peter Seyfried (Buddhismus). Die Veranstaltung wurde vom Referat Theologische Erwachsenenbildung der Diözese Linz in Kooperation mit Kirchenzeitung, City Forum und der KTU organisiert.
Für die Vertreterin des Judentums, Dipl. Päd.in Ruth Winkler aus Wien ist Spiritualität die Basis, „auf der die vielen religiösen Handlungen und Übungen (wie Waschungen und Gebete) fußen, damit sie nicht sinnleer oder mechanisch geschehen“. Die mündliche und direkte Weitergabe „des spirituellen Schatzes“ sei „gerade bei einer Buchreligion bedeutend, quasi als erklärende Notiz des Lebens und der religiösen Praxis“.
Dr. Peter Seyfried – Vertreter des Buddhismus und der Zen-Tradition aus Linz – betonte, dass Buddha über die Lehre nicht reden wollte, die Achtsamkeit und Ich-Reflexion aber in die Mitte gestellt hat. „Spiritualität bezieht sich stark auf die eigene Person und Persönlichkeit mit ihren Entwicklungsräumen und Schattenseiten und orientiert sich auf die offene Weite. Sie hilft, dem Ich-Wahn zu entkommen und das ausgeglichene Leben im Augenblick zu finden.“
Für das Christentum erschließt sich die Spiritualität von der Person Jesu und seiner Reichgottes-Predigt her. Dr.in Ursula Baatz aus Wien führte Schlüsselworte der Predigt Jesu an: „Salz, Sauerteig, Fülle“. Zum Schlüsselwort „Fülle“ merkte Frau Baatz etwa an, dass heute oft nur vom „Mangel“ die Rede ist (das Gefühl, zu wenig zu haben, zu kurz zu kommen, das noch erreichen zu wollen …). Dieses „Existenzgefühl“ führt allzu leicht zu Unzufriedenheit, Gier, Machtgelüsten… Demgegenüber setzt die Rede Jesu von der „Fülle“ andere Wahrnehmungen und Verhaltensweisen frei: Wer die „Fülle des Gottesreiches“ erfährt, die Weite und Tiefe Gottes auskostet, dessen Verhalten weitet und vertieft sich, dessen Horizont wächst, dessen Selbst- und Weltwahrnehmung wird aus dem Gefühl des Zuwenig befreit...
Die christliche Spiritualität sei maßgeblich durch die Taufe auf Tod und speziell auf Auferstehung geprägt. „Spiritualität ist nicht denkbar ohne Option für die Armen. Entscheidend für die christliche Spiritualität ist die persönliche Ergriffenheit, das heißt: Spiritualität ist nur beschreibbar, indem ich sie lebe.“
Die Kernpunkte islamischer Spiritualität beschrieb DI Tarafa Baghajati aus Wien mit der Nähe zu Gott und dem Leben im Angesicht Allahs. Diese Nähe sei erreichbar in den fünf Säulen: Glaube, Gebet, Pflicht zum Teilen, Fasten und Hadsch (Wallfahrt nach Mekka). Ziel des gläubigen Moslems sei: „Geschmack an Gott und Harmonie und Frieden in sich finden.“
Martin Kranzl-Greinecker, Gabriele Eder-Cakl, Stefan Schlager