Spiritualität aus der Taufe
Die Taufe Jesu weist ihn als den vom Vater Geliebten aus. Jede und jeder Getaufte darf darauf vertrauen, dass er/sie, so wie Jesus, von Gott angenommen und geliebt ist. Diese Zusage eröffnet eine neue Zukunft, die geprägt ist von einem Beziehungsverhältnis, das vor der Taufe geschenkt und gewachsen ist und die Nachfolge bestärkt. Wer das Wort Jesu und sein Beispiel kennenlernt und ihm als dem guten Lehrmeister und Pädagogen folgt, verankert sich in dieses Vertrauensverhältnis, um alle Wege mit ihm, in ihm und durch ihn zu gehen.
Taufe bedeutet daher eine tiefgreifende Veränderung des Lebens. Paulus verdeutlicht dies im Bild vom Mitsterben und Mitauferstehen. Das Wasserbad bzw. das Wassergrab der Erwachsenentaufe lässt diese Erfahrung nachvollziehen. Wer unter der Wasserfläche nicht mehr atmen kann, macht Todeserfahrung; wer aus dem Wasser auftaucht, spürt den Atem als Lebensgabe, aber auch wie erfrischend das Tauchbad ist – wie neugeboren! Der irdische Tod ist überwunden, weil der Auferstandene lebt und bleibendes Leben gibt. So ist Taufe die Vorwegnahme und Vorweggabe des ewigen Lebens.
In der Taufe bekennen Menschen diese Wirklichkeit, verankern sich in sie und gestalten künftighin ihr Leben aus dieser Überzeugung. Die Zeichenvollzüge der Taufe verdeutlichen dies. Wer getauft ist, wird mit dem Chrisamöl gesalbt, um am königlichen, priesterlichen und prophetischen Dienst teilzuhaben. Ein König übernimmt Verantwortung für die ihm Anvertrauten, er investiert sich in der Sorge für sie. Der Prophet zeichnet sich aus durch das Kennen des Wortes Gottes, auch in seiner Radikalität. Er ruft zur Treue und mahnt diese ein, wenn der Weg in der Beziehung mit Gott verlassen wird. Vor allem mahnt er die Vernachlässigung seines Wortes ein und prangert alles an, wo Menschen sich gegenseitig aus dem Auge verlieren und Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und gegenseitiges Vertrauen und so auch der Friede verloren gehen. Der Priester tritt für die Menschen im Gebet ein – auch stellvertretend – und bittet den Vater im Himmel um die Gaben, Charismen und Befähigungen zum Guten für alle. Wer getauft wird, so ist es die Überzeugung bereits der ersten Christinnen und Christen, übernimmt Würde und Auftrag eines Königs, eines Priesters und eines Propheten, die immer zugleich Zusage sind.
Das Licht im Taufritus macht zeichenhaft deutlich, dass Menschen berufen und befähigt sind, füreinander Licht zu sein. Am Beginn der Bergpredigt formuliert Jesus die ermutigende Zusage: Dein Licht wird vor den Menschen leuchten, damit sie deine guten Taten sehen und den Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,16). Das weiße Kleid zeigt, dass alle in gleicher Weise Kinder Gottes sind und dass es keinen Unterschied in dieser Würde gibt. Die Einheit in Christus soll alle prägen (vgl. Gal 3,27). Es steht für die neue Haltung, die Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld, gegenseitiges Ertragen und Vergeben, vor allem auch Liebe sichtbar macht (vgl. Kol 3,12–14). Vor allem aber wird das Wort Gottes mit seinem ganzen Reichtum bei denen wohnen, d.h. das Herz prägen, die sich auf die Beziehung mit Christus einlassen.
In dieser gleichen Würde versammeln sich die Getauften regelmäßig zum sonntäglichen, d.h. wöchentlichen Osterfest, an dem die Kommunion in Wort und Sakrament als Speise zum ewigen Leben empfangen wird. Wandlung bedeutet die stete Annäherung an das Ideal Jesus – sich in ihn hinein verwandeln, damit der Kirche und ihrem Wirken in der Welt eine konkrete Gestalt gegeben ist.
Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von der Taufweihe. Mit Weihe ist ein Beziehungsgeschehen gemeint, durch das Bindung und Verfügbarkeit entsteht. Alle Christinnen und Christen mögen ihr Leben aus der Taufe so verwirklichen, dass den Werten des Evangeliums eine konkrete Gestalt und ein konkretes Gesicht gegeben wird. Diese neue Gestalt der Welt ist vor allem von der Liebe, Sorge und Solidarität aller zu allen geprägt, d.h. dass notleidende, benachteiligte, kranke, verwundete und unversöhnte Menschen Hilfe und Achtsamkeit erfahren. Durch diese gegenseitige Sorge erfahren Menschen das Wirken Gottes unter ihnen und die Kirche ist als Gemeinschaft und in ihren einzelnen Gläubigen ein konkretes Werkzeug des Heiles – auch für alle, die nicht in der Beziehung mit Christus stehen.
Univ.-Prof. Dr. Ewald Volgger OT,
Professor der Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie, KU Linz
Erschienen in: Unsere Brücke. Dezember 2021 bis Juni 2022, hg. v. Priesterseminar der Diözese Linz, 5-7.